Mittwoch, 23. September 2015

Eine neue Freundin

"Eine neue Freundin" - "Une nouvelle amie" ist ein Film von François Ozon (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2014 und beruht lose auf einer Kurzgeschichte von Ruth Rendell.

Claire (Anaïs Demoustier) und Laura (Isild De Besco) waren unzertrennliche Freundinnen seit Kindestagen und ihre Freundschaft sollte für "immer und ewig" halten. Sie teilten alles miteinander, die lebenslustige Laura und die eher schüchterne Claire und waren immer füreinander da. Selbst ihre Hochzeiten fanden am gleichen Tag statt. Laura heiratete David (Romain Duris) und Claire heiratete Gilles (Raphaël Personnaz). Als Laura und David ein Baby bekamen, ein Mädchen namens Lucie, wurde Claire selbstverständlich ihre Patentante. Da war Laura schon schwer erkrankt und starb kurze Zeit später. Bei ihrer Trauerfeier versprach Claire, sich immer um Lucie und David kümmern zu wollen.

Was bis hier schon recht umfangreich klingt, erzählt Ozon in nicht einmal acht Minuten, denn diese Vorgeschichte bereitet den Anfang der eigentlichen Handlung vor, die ab da losgeht. Claire ist in ihrer Trauer um Laura gefangen, sie schafft es nicht David und Lucie zu besuchen, weil sie dort alles nur an ihre tote Freundin erinnern würde. Als sie sich doch endlich zu einem Besuch aufrafft, trifft sie im Wohnzimmer des stattlichen Hauses auf eine blonde Frau, die dem Baby gerade sein Fläschchen gibt. Entsetzt erkennt sie David, der eine Perücke trägt und eines von Lauras Kleidern.

David ist bemüht, Claire seine Verkleidung zu erklären. Zuerst tat er es, um das Baby zu beruhigen, das in ihm die vertraute Mutter zu erkennen glaubte, aber eigentlich hatte er schon immer großes Vergnügen daran, sich Frauenkleider anzuziehen. Laura wusste davon, aber während ihrer gemeinsamen Zeit hat David ihre Weiblichkeit gereicht und das Verlangen ließ nach. Nun aber würde er gerne seine weibliche Seite ausleben wollen und mit Lust Kleider tragen, Perücken aufsetzen und sich schminken. Claires anfängliche Bedenken beginnen zu schwinden, sie freundet sich mehr und mehr mit dem Gedanken an und wird für David zur Verbündeten.

Aus David wird Virginia, erst nur im Geheimen, aber dann unternehmen die beiden auch gemeinsame Shoppingtouren im Einkaufszentrum und haben dabei viel Spaß. David/Virginia wird im Laufe der Zeit immer stilsicherer und auch Claire verändert sich. Sie entdeckt ihre eigene Weiblichkeit und ihre Sexualität neu und profitiert davon. Ihr Ehemann Gilles weiß derweil nichts von Davids Geheimnis. Nur durch Zufall erfährt er von einem gemeinsamen Ausflug der beiden ins Landhaus von Lauras Eltern.

Viel mehr will bzw. kann ich hier nicht erzählen, das muss man sich schon selbst anschauen. Es wird auch noch ein bisschen dramatisch, aber es wird auch noch wunderschön und es ergibt sich eine Liebesgeschichte, wie man sie so wohl noch nicht sehr oft in Filmen gesehen hat.

François Ozon liebt das Melodram, die üppigen Bilder, die großen Gefühle, einfach alles was nicht in den Mainstream passt und das ist auch gut so. Wir sehen Häuser und Grundstücke, die nicht der Norm entsprechen und in denen ohne jeden Zweifel auch ein Douglas Sirk-Film spielen könnte. Genau das ist das Anliegen von Ozon, der sich stets das märchenhafte bewahrt und auch auskostet. Sein Film soll nicht die Realität abbilden, sondern seine Sicht der Dinge, wie sie sein könnte. Und das gelingt ihm auch hier wieder grandios. Vergessen wir hier einfach mal alle überflüssigen Gender-Debatten und erfreuen wir uns an einer zauberhaften Liebesgeschichte, die einfach schön, aber nicht unmöglich ist.

Unterlegt ist das alles mit einer sehr gelungenen Musikauswahl und natürlich mit Bildern, die einfach wunderschön sind. Die Besetzung ist traumhaft gewählt, neben Romain Duris, der mich hier doch sehr positiv überrascht hat, ist es vor allem Anaïs Demoustier, die alle Blicke auf sich zieht. Sehr gelungen.

Was soll ich noch sagen? Ach ja, meine 900. Filmkritik auf diesem Blog und noch dazu ein Film von meinem Lieblings-Regisseur. Da kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen und da ist auch ein bisschen Schwärmerei (wie üblich) erlaubt. Bitte auch auf den kleinen Cameo-Auftritt von Ozon (im Kino) achten. Für den Film gibt es, wie könnte es anders sein, eine ganz große Empfehlung von mir. Unbedingt anschauen und verzaubern lassen. Es lohnt sich.

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