Sonntag, 14. Dezember 2014

DVD-Veröffentlichung: Wilde Herzen

"Wilde Herzen" - "Les roseaux sauvages" von André Téchiné aus dem Jahr 1994 ist nun auch hierzulande endlich auf DVD erschienen und zwar bei Salzgeber. Zu sehen ist der Film in der französischen Originalfassung und in der deutschen Synchronfassung. Leider jedoch ohne deutsche Untertitel, was ich sehr bedaure. Ich persönlich mag keine französischen Filme mit deutscher Synchronisation, weil meistens die Stimmen etwas unglücklich gewählt sind, aber das ist nur meine Meinung und Meckern auf hohem Niveau. Freuen kann man sich über diese längst fällige Veröffentlichung und einen der schönsten Filme von André Téchiné aber in jedem Fall.

Zur Filmkritik geht es hier, damals noch mit der französischen Fassung: "Les roseaux sauvages"

Große Empfehlung von mir für einen ganz zauberhaften Film mit sensationellen Darstellern, die noch ganz am Anfang ihrer Karrieren standen. Man erlebt mit ihnen einen Sommer, den man nie wieder vergisst. Unbedingt anschauen.


Samstag, 13. Dezember 2014

Zärtlichkeit

"Zärtlichkeit" - "La tendresse" ist ein Film von Marion Hänsel (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013.

Der junge Belgier Jack (Adrien Jolivet) arbeitet als Skilehrer in den französischen Alpen. Als er sich bei einem Skiunfall das Bein bricht und keine Versicherung seinen Rücktransport nach Belgien übernimmt, machen sich seine geschiedenen Eltern auf den Weg, ihren Sohn abzuholen.

Lise (Marilyne Canto) und Frans (Olivier Gourmet) sind seit fünfzehn Jahren getrennt, aber einander immer noch in Freundschaft verbunden. Es fällt kein böses Wort zwischen ihnen, im Gegenteil, sie können über ihre kleinen Macken und Fehler lachen. Der stets überlegt handelnde Frans und die leicht chaotische Lise scheinen zwar sehr unterschiedlich zu sein, aber sie eint die Liebe zu ihrem Sohn Jack und die Erinnerung an ihre gemeinsame Vergangenheit.

Von Belgien aus führt sie der Weg auf einer neunstündigen Autofahrt nach Frankreich, wo Jack bereits aus dem Krankenhaus entlassen wurde und zusammen mit seiner Freundin Alison (Margaux Châtelier) wieder in seiner Unterkunft angekommen ist. Die Wege von Jack und Alison werden sich nun trennen und beide genießen noch die Zeit, die ihnen bleibt.

Nach einem letzten gemeinsamen Abend zu viert, geht es am nächsten Morgen zurück nach Frankreich. Jack macht es sich so gut es geht im Geländewagen seines Vaters bequem, während Lise mit dem Auto ihres Sohnes den beiden nachfährt. Unterwegs nimmt sie den Anhalter Léo (Sergi López) mit, einen Seemann, der auf dem Weg nach Norwegen ist. Léo übernimmt auch für einige Zeit das Steuer, damit Lise schlafen kann und verabschiedet sich bei einem Halt, um weiter per Anhalter Richtung Norden zu kommen.

Am späten Abend erreicht die Familie ihr Ziel, alle sind müde, aber glücklich über den Verlauf der Reise.

Mehr passiert nicht und das muss es auch nicht. Es gibt keine Dramen zu erleben, sondern einfach eine kleine, wenn auch getrennte Familie, die sich gegenseitig hilft und füreinander da ist. Das ist total unspektakulär und wunderschön. Wer auf Action steht, der ist hier definitiv im falschen Film. Mir hat dieser großartige kleine Film, der gerade mal rund 75 Minuten dauert, allerdings ausgesprochen gut gefallen. Wie erholsam, auch mal so eine leise Geschichte erleben zu können, in der praktisch kaum etwas geschieht und die doch von Anfang bis Ende fesselt, wenn man sich darauf einlassen kann.

Die Schauspieler sind ein Traum, allein schon wegen Marilyne Canto und Olivier Gourmet muss man diesen Film lieben. Und auch der immer wunderbare Sergi López verleiht seiner kleinen Rolle einen besonderen Zauber.

Die DVD ist bei Salzgeber erschienen, was ich sehr begrüße, denn sonst wäre dieser fabelhafte kleine Film wohl völlig untergegangen. Ganz große Empfehlung von mir.

 

Sonntag, 30. November 2014

Big Bad Wolves

"Big Bad Wolves" - "Mi mefahed mezeev hara" ist ein Film der beiden israelischen Filmemacher Navot Papushado und Aharon Keshales (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013.

So, bevor der November nun so ganz wortlos ausklingt, kommt hier noch schnell eine Empfehlung für einen sehr fiesen Rache- und Selbstjustiz-Thriller, bei dem einem das Lachen oftmals im Halse stecken bleibt. Zartbesaitete Zuschauer dürfen gerne wegschauen, die FSK18 ist hier durchaus gerechtfertigt.

Worum geht es? Ein Serienkiller entführt, missbraucht und tötet kleine Mädchen, denen er zudem noch die Köpfe abschneidet. Der Polizist Miki (Lior Ashkenazi) ist auf den Fall angesetzt und hat schon bald einen Verdächtigen, den er für den Täter hält. Der unscheinbare Lehrer Dror (Rotem Keinan) wird von Miki und seinen Kollegen geschlagen und misshandelt, nur leider wird das von einem Zeugen aufgenommen und ins Internet gestellt. Miki verliert seinen Job, aber er bleibt Dror auf der Spur.

Gidi (Tzahi Grad), der Vater des letzten Opfers, ist ebenfalls hinter Dror her und hat sich ein abgelegenes Haus gemietet, das einen großen Keller hat. Hier will er die Wahrheit aus dem Verdächtigen herausbekommen und vor allen Dingen erfahren, wo der Kopf seiner toten Tochter versteckt ist.

Miki entführt Dror, um ein Geständnis aus ihm herauszupressen. Gidi beobachtet das Geschehen und schließlich landen alle Drei in Gidis Keller. Dror wird gefesselt, während Gidi und Miki sich bereit machen, ihn zu foltern. Es soll ihm das angetan werden, was er mit den kleinen Mädchen gemacht hat. Dror beteuert weiterhin seine Unschuld, aber Gidi lässt nicht von seinem Plan ab. Miki überkommen langsam Zweifel an dem Vorgehen, doch die ganze Situation wird noch viel komplizierter und absurder, durch Anrufe von Gidis Mutter und den plötzlichen Besuch seines Vaters Yoram (Dov Glickman), der gleich tatkräftig ins Geschehen eingreift.

Jedes weitere Wort wäre hier zu viel, also belasse ich es bei dieser kurzen Beschreibung. Die Thematik ist natürlich grauenvoll und nicht zum Lachen, die Gewaltszenen sind zum Teil kleine Schockmomente, aber trotz allem ist der Film durchzogen von einem gewissen Humor, der allerdings schon wirklich sehr böse ist. Darf man über einen solchen Film lachen? Klar, wieso denn auch nicht? Mir hat der Film jedenfalls gut gefallen, die Story ist einfallsreich, schwankt perfekt zwischen Drama und Komödie, was bestimmt nicht allen gefällt und die Schauspieler sind erstklassig. Trockener und sehr fieser Humor paart sich hier mit einigen Grausamkeiten, die aber allemal zu verkraften sind.

Kein Film für jeden Geschmack, aber definitiv sehenswert. Der Zuschauer wird bis zum Schluss im Unklaren gelassen, ob Dror nun wirklich schuldig ist, was zusätzlich den Reiz erhöht. Allerdings gibt es mit der letzten Einstellung des Films eine ziemlich eindeutige Antwort auf diese Frage.


Samstag, 25. Oktober 2014

Liebe ist das perfekte Verbrechen

"Liebe ist das perfekte Verbrechen" - "L'amour est un crime parfait" ist ein Film der Brüder Arnaud und Jean-Marie Larrieu (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013 und basiert auf dem Roman "Die Rastlosen" von Philippe Dijan.

An der Universität von Lausanne unterrichtet der knapp fünfzigjährige Literaturprofessor Marc (Mathieu Amalric) kreatives Schreiben. Der attraktive Mann ist umgeben von hübschen jungen Studentinnen, die auch gerne mal bei ihm private Nachhilfestunden nehmen. Diese finden dann oft in seinem abgelegenen Chalet in den Bergen statt, wo Marc mit seiner Schwester Marianne (Karin Viard) lebt. Doch nun ist seine letzte Eroberung, die talentierte Studentin Barbara (Marion Duval) spurlos verschwunden und Marcs Leben wird auf den Kopf gestellt.

Ein junger Inspektor (Damien Dorsaz) taucht immer wieder in der Universität auf und stellt Fragen, auf die Marc keine Antworten hat. Marcs Vorgesetzter Richard (Denis Podalydès), der eine heimliche Affäre mit Marianne hat, macht Marc das Leben schwer und droht mit seinem Rausschmiss aus der Universität. Und dann erscheint auch noch die geheimnisvolle und schöne Anna (Maïwenn), die Stiefmutter von Barbara. Anna erklärt Marc, Barbara erst seit einigen Monaten zu kennen, nämlich seit der Hochzeit mit deren Vater, der aber bereits kurze Zeit später zu einem Geheimauftrag nach Mali reisen musste und von dem sie seit dieser Zeit nichts mehr gehört hat. Nun macht sie sich große Sorgen um Barbara, die ihre einzige Verbindung zu ihrer neuen Familie ist.

Marc verliebt sich in Anna, die so anders ist, als all die jungen Studentinnen, die ihn anhimmeln und sich ihm an den Hals werfen. Anna erwidert seine Gefühle und die beiden beginnen eine heimliche Liebesaffäre. Doch der Druck auf Marc wächst, denn die hübsche Studentin Annie (Sara Forstier) hat es auf ihn abgesehen und lässt sich nicht abwimmeln. Als Marc sich nicht auf sie einlassen will, kümmern sich die Schläger ihres Vaters um ihn.

Das Leben wird für Marc immer komplizierter. Er liebt Anna, aber er liebt auch seine Schwester Marianne, wobei dieses Verhältnis seltsam ungeklärt bleibt. Ein tragisches Ereignis in der Kindheit hat sie für immer zusammengeschweißt. Der junge Inspektor und die aufdringliche Annie werden für Marc zur Bedrohung. Er fühlt sich verfolgt und kann Traum und Realität nicht mehr unterscheiden. Ist er ein Mörder oder nur ein Schlafwandler? Passiert ihm das alles wirklich und kann Anna ihn retten oder ist doch alles ganz anders? Fragen über Fragen...

Mir hat der Film gefallen, auch wenn einiges nicht wirklich schlüssig ist. Man merkt dem Film aber deutlich an, dass er auf einer Buchvorlage beruht, die ich allerdings nicht kenne. Egal, er funktioniert auch so und das liegt an der wirklich hervorragenden Besetzung, die keine Wünsche übrig lässt. Der wunderbare Mathieu Amalric, die schöne Maïwenn und die fabelhafte Karin Viard machen diesen Film zu einem Erlebnis, das man nicht verpassen sollte.

Ganz besonders gelungen sind auch die Schauplätze und die tollen Bilder. Die Atmosphäre ist großartig, ob nun in der gläsernen Universität, in dem verschneiten Chalet oder zum Schluss im Bungalow am See. Einfach herrlich.

Von mir gibt es auf jeden Fall eine Empfehlung, wenn auch mit einer kleinen Einschränkung. Wer sich nicht auf die langsame Erzählung und die kleinen Unstimmigkeiten einlassen kann, der wird diesen Film sicher nicht mögen. Wer aber perfekte Schauspielleistungen sehen will, bitte sehr.


Freitag, 24. Oktober 2014

Oy Vey! My Son is Gay!!

"Oy Vey! My Son is Gay!!" ist ein Film von Evgeny Afineevsky aus dem Jahr 2009. Das Drehbuch schrieb Afineevsky zusammen mit Menahem Golan und Martin Guigui. Da tauchen bei mir schon die ersten Fragen auf: Gab es hier wirklich ein Drehbuch? Sehr vieles wirkt hier nämlich eher improvisiert. Das kann natürlich sehr positiv sein, in diesem Fall ist es das aber nicht. Nächste Frage: Warum sehe ich mir einen Film an, dessen Titel allein schon Schlimmes vermuten lässt? Keine Ahnung. Ehrlich, ich habe mir diesen Film wirklich ohne jede große Erwartungshaltung angeschaut und muss nun ganz klar sagen: Bitte verpassen. So einen Schrott habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Oder anders ausgedrückt: 'Oy Vey! Was für ein mieser Film!!'

Kommen wir aber zur Handlung. Nelson (John Lloyd Young) ist Mitte Zwanzig und Sohn einer jüdischen Familie in New York. Seine Mutter Shirley (Lainie Kazan) will ihn unbedingt mit einer hübschen jungen jüdischen Frau verheiraten, während sein Vater Martin (Saul Rubinek) dem ganzen Theater eher unbeteiligt gegenüber steht. Doch Nelson hat ein Geheimnis, von dem niemand etwas weiß. Er ist schwul und lebt mit seinem Partner Angelo (Jai Rodriguez) zusammen.

Immer wieder versucht Nelson seiner Mutter die Wahrheit zu sagen, aber diese ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihrem Sohn auch nur einmal zuzuhören. Als Shirley eines Tages uneingeladen in Nelsons Wohnung erscheint, trifft sie dort auf Angelo, der sich als Nelsons Innendekorateur ausgibt und auf Sybil (Carmen Electra), eine Nachbarin und gute Freundin. Shirley erkennt in Sybil natürlich sofort die vermeintliche Verlobte ihres Sohnes und akzeptiert sogleich, dass diese eine "Schickse" ist, also eine nicht jüdische Frau. Auch die Tatsache, dass Sybil ein Playmate ist, scheint sie nicht weiter zu stören. Endlich hat ihr Sohn eine Frau gefunden, den Rest wird sie ihrer Familie schon irgendwie schmackhaft machen.

Auf der Hochzeit seines Cousins platzt Nelson dann aber endlich mit der Sprache heraus und setzt damit eine Abfolge von absurden Handlungen in Gang, die ich hier nicht weiter erwähnen will.

Gut, soweit hört sich das alles gar nicht so furchtbar an, aber im Film selbst ist es tatsächlich unerträglich. Da haben wir auf der einen Seite ganz schreckliches Over-Acting von Lainie Kazan und Saul Rubinek, die schon nach kurzer Zeit richtig nerven und auf der anderen Seite einen fast im Koma spielenden John Lloyd Young, den das alles nicht zu interessieren scheint, was mit ihm und seiner Rolle passiert. Irgendwelche Emotionen zeigt er nie wirklich. Dafür darf sein Co-Star Jai Rodriguez ein bisschen Haut zeigen, aber natürlich nie zu viel. Da reicht dann eine plumpe "Oh Gott, was zieh ich bloß an-Nummer", in der er sich mehrfach umziehen darf. *Gähn*

Fremdschämen darf man sich dann auch noch bei sämtlichen Auftritten von Carmen Electra, die so bodenlos sind, dass mir hier die Worte fehlen. Sorry.

Abschließende Frage: Kann ich etwas Nettes über diesen Film sagen? Nein! Hier werden nur Klischees geboten, die eigentlich in der Wirklichkeit nicht mehr existieren sollten, aber ganz sicher bin ich mir da gerade nicht. Traurig und vor allen Dingen nicht lustig. So wie der ganze Film.


Donnerstag, 9. Oktober 2014

Some Velvet Morning

"Some Velvet Morning" ist ein Film von Neil LaBute (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013. Es ist ein Zwei-Personen-Stück und wer theaterhafte Inszenierungen mag, der ist hier genau richtig.

Die hübsche Velvet (Alice Eve) lebt in einem traumhaft schönen Stadthaus. Eines Tages klingelt jemand an ihrer Tür. Es ist Fred (Stanley Tucci), mit dem sie vor vier Jahren eine Affäre hatte. Nun erscheint er mit seinem Gepäck bei ihr und erklärt, nach 24 Jahren seine Frau verlassen zu haben. Fred will seine Beziehung zu Velvet wieder aufnehmen, aber die reagiert spröde auf seine Pläne und möchte Fred eigentlich schnell wieder loswerden.

Eine heikle Situation entsteht, denn Velvet hat eine Verabredung und Fred will sie nicht gehen lassen. Der scheinbar so freundliche und höfliche Mann zeigt durchaus teuflische Abgründe und die so unschuldig wirkende Velvet entpuppt sich als Hure, die gerade eine Verabredung mit Freds Sohn Chris hat, der ebenfalls verheiratet ist.

Ich mache es hier mal ganz kurz, immerhin dauert der Film auch nur etwa 80 Minuten. Es gibt hier vor allen Dingen sehr gute Dialoge, die den Zuschauer auch entsprechend gut unterhalten. Stanley Tucci und Alice Eve spielen sich die Seele aus dem Leib und überzeugen auf ganzer Linie. Am Ende gibt es dann noch einen geschickt eingesetzten Twist, der die Geschichte noch mal aus ganz anderer Perspektive erscheinen lässt. Gut gemacht.

Kleine Anmerkung noch zu den deutschen Untertiteln: Der Name "Velvet" sollte hier nicht wirklich mit "Samt" übersetzt werden. Schon klar, oder?

Insgesamt gesehen ein feiner kleiner Film, den ich Filmfans sehr ans Herz legen möchte. Nichts für die große Masse, muss es aber auch nicht sein.


Samstag, 27. September 2014

Longtime Companion

"Longtime Companion" - "Freundschaft fürs Leben" ist ein Film von Norman René aus dem Jahr 1989. Das Drehbuch stammt von Craig Lucas. Es geht um eine Gruppe von schwulen Freunden und um ihr Leben in den Jahren von 1981 bis 1989. Die Handlung spielt in New York und auf Fire Island.

Am 3. Juli 1981 erscheint in der New York Times ein Artikel, der sich mit einer neuen Krankheit befasst, dem sogenannten Schwulen-Krebs (Gay Cancer). Jeder in der Clique erfährt von diesem Bericht und man tauscht sich untereinander darüber aus. Ein gewisses Unbehagen macht sich breit, der eigene Körper wird misstrauisch beobachtet, ob sich eventuell irgendwelche Symptome der noch weitgehend unbekannten Krankheit bereits zeigen. Die offizielle Bezeichnung "Aids" kam erst später.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht der junge Fitness-Trainer Willy (Campbell Scott). Zusammen mit seinem besten Freund John (Dermot Mulroney) ist er zu Besuch auf Fire Island bei ihren Freunden David (Bruce Davison) und Sean (Mark Lamos). Hier lernt Willy den Medienanwalt Fuzzy (Stephen Caffrey) kennen und die beiden werden ein Liebespaar.

Im Jahr darauf ist John schwer erkrankt und liegt mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus. Er wird das erste Opfer, das die Clique an Aids verliert, aber das ist nur der Anfang. Es trifft immer mehr Männer aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. Bis hin zum Jahr 1989 zeigt der Film aus jedem Jahr einen Tag und was in der Zwischenzeit passiert ist. Trauer und Verzweiflung werden gezeigt, aber auch die Wut und der Wille, etwas zu unternehmen.

Alles hat sich geändert, der Sex, das Lebensgefühl, aber die Freundschaft bleibt bestehen. Wer nicht erkrankt ist, der kümmert sich um kranke Freunde oder engagiert sich in Hilfsprojekten. Leicht ist es für keinen von ihnen, denn das Sterben geht weiter. Im letzten Teil, der 1989 spielt, sind es nur noch Willy und Fuzzy, die übrig geblieben sind und am Strand von Fire Island um ihre Freunde trauern.

Regisseur Norman René, der 1996 im Alter von 45 Jahren selbst an Aids verstarb, hat hier einen wunderbaren und sehr emotionalen Film geschaffen, den ich nur sehr empfehlen kann. Ja, er ist traurig, aber auch berührend und vor allen Dingen toll gespielt. Neben den oben schon genannten Schauspielern wirken unter anderem auch noch Patrick Cassidy, John Dossett, Brian Cousins und Mary-Louise Parker mit und sie alle sind fantastisch in ihren Rollen.

Filme wie dieser, die sich mit dem Thema Aids befassen, haben es immer schwer ein Publikum zu finden. Umso wichtiger ist es, auf solche Perlen aufmerksam zu machen, denn die werden gerne ignoriert. Vito Russo hat in seinem Buch "The Celluloid Closet" von 1987 auf einen Artikel der New York Times aus dem Jahr 1986 verwiesen, in dem es hieß, man solle "nicht in Panik geraten wegen Aids", weil es ja immer noch nur Risikogruppen betreffe. Das lasse ich jetzt mal so stehen. Ich hoffe jedoch, dass man sich dieses Statement mal durch den Kopf gehen lässt. Wie ignorant und dumm können Menschen nur sein?

Große Empfehlung aber für diesen Film, der es verdient hat angeschaut zu werden.


Sonntag, 21. September 2014

Parting Glances

"Parting Glances" - "Abschiedsblicke" ist ein Film von Bill Sherwood (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1986. Das unabhängig produzierte Low-Budget-Werk blieb leider der einzige Film von Bill Sherwood, der am 10.02.1990 im Alter von nur 37 Jahren an den Folgen von Aids starb.

Die Handlung spielt in New York, Mitte der Achtziger Jahre und umfasst einen Zeitraum von 24 Stunden. Michael (Richard Ganoung) und Robert (John Bolger) sind beide Ende Zwanzig und seit sechs Jahren ein Paar. Robert hat sich entschlossen, für längere Zeit beruflich nach Afrika zu gehen, was die Stimmung zwischen ihnen trübt, weil seine Abreise kurz bevor steht.

An diesem Abend steht noch ein Abendessen bei Roberts Boss an und später eine Abschiedsparty für Robert, die von ihrer gemeinsamen Freundin Joan (Kathy Kinney) in deren Loft veranstaltet wird. Außerdem kümmert sich Michael wie immer um seinen Ex-Lover, den Rock-Musiker Nick (Steve Buscemi), der an Aids erkrankt ist. Michael liebt Nick immer noch und das weiß auch Robert, zumindest ahnt er es. Das ist auch einer der Gründe, warum er sich entschlossen hat, für längere Zeit abwesend zu sein, wie er Michael später noch gestehen wird. Nick wird sterben und Robert fühlt sich nicht stark genug, Michael dabei zur Seite zu stehen und ihn aufzufangen.

In seinem bevorzugten Plattenladen lernt Michael den jungen Peter (Adam Nathan) kennen, der heimlich in ihn verliebt ist und später auch auf der Party bei Joan erscheint. Im Laufe des Abends ergeben sich viele Gespräche unter den Freunden, Erinnerungen kommen hoch und Träume und Wünsche für die Zukunft. Sogar Nick besucht die Party und Michael denkt an ihre gemeinsame Vergangenheit und Nicks verrückte Einfälle, wie z. B. damals auf Fire Island.

Am nächsten Morgen heißt es Abschied nehmen, aber es ist zu viel passiert in dieser Nacht. Wird Robert tatsächlich abreisen und was ist mit Nick? Der hat schon wieder so einen verrückten Plan.

Bill Sherwood ging es in seinem Film um Freundschaft und Liebe. Zudem war es einer der ersten Filme, der schwules Leben in den Mittelpunkt stellte, ohne es besonders zu thematisieren. Hier hat keiner der Beteiligten ein Problem damit, schwul zu sein (warum auch), es ist einfach so. Ebenso wird auch auf die Aids-Erkrankung von Nick nicht weiter eingegangen. Das war eben die damalige Zeit, auch wenn sich bis dahin kein Film getraut hatte, das offen auszusprechen.

Dabei ist "Parting Glances" aber kein trauriges Drama geworden, sondern ein offener und lebensbejahender Film, der durchaus auch seine komischen Momente hat. Die Musikuntermalung ist sehr gelungen und reicht von klassischer Musik bis hin zu Bronski Beat. Perfekt.

Die Schauspieler sind alle sehr sehenswert, hier ist es aber vor allen Dingen Steve Buscemi, der den Film dominiert und eine tolle Darstellung zeigt. Wer sich für die Thematik interessiert und mal wieder in die Achtziger abtauchen will, bitte sehr. Von mir gibt es jedenfalls eine große Empfehlung, nur leider ist der Film sehr schwierig zu finden. Es lohnt sich aber, danach zu suchen.


Sonntag, 14. September 2014

Eastern Boys

"Eastern Boys" ist ein Film von Robin Campillo (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013. Kamerafrau war hier Jeanne Lapoirie.

Am Pariser Bahnhof Gare du Nord hängt eine Gruppe osteuropäischer junger Männer herum. In dem ganzen Trubel fallen sie nicht weiter auf, denn hier ist viel los. Reisende sind unterwegs, ebenso Berufstätige, Sicherheitspersonal und viele andere. Einer der jungen Männer ist Marek (Kirill Emelyanov), ein Junge mit einem hübschen Gesicht, der beinahe verletzlich und unschuldig wirkt. Der Geschäftsmann Daniel (Olivier Rabourdin), ein Mann Mitte Fünfzig, verfolgt Marek eine ganze Weile mit seinen Blicken, bis er es endlich wagt, den jungen Mann anzusprechen.

Marek spricht kaum französisch, man verhandelt auf Englisch. Für 50 Euro macht er alles, sagt Marek. Daniel ist ein bisschen verlegen, weiß nicht so ganz, worauf er sich hier einlässt. Doch schließlich gibt er Marek seine Adresse und man verabredet sich für den nächsten Abend. Als Daniel am Tag darauf die Tür seiner schicken Wohnung öffnet, steht dort nicht wie erwartet Marek, sondern die gesamte Gang. Deren Anführer "Boss" (Daniil Vorobyov) lässt keinen Zweifel aufkommen, wer hier jetzt die Oberhand hat. Es wird eine Party gefeiert und so ganz nebenbei die Wohnung ausgeraubt. Daniel muss wortlos mit ansehen, wie sämtliches Mobiliar und persönliche Gegenstände auseinander genommen werden. Auch Marek taucht auf und beide Männer werfen sich nur Blicke zu.

Am nächsten Tag erwacht Daniel wie aus einem Alptraum in seiner demolierten Wohnung. Was nicht geklaut wurde, das wurde zerstört, übrig blieb nur ein Trümmerfeld, um das sich Daniels Putzfrau nun kümmern muss. Am Abend steht dann überraschend Marek vor der Tür, bereit die Verabredung zum Sex nachzuholen. Daniel lässt ihn hinein und das ist der Beginn einer merkwürdigen Beziehung zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern, die immer intensiver wird. Ist es erst nur der Sex, entwickelt sich bald schon echte Zuneigung und Daniel sorgt sich immer mehr um Marek, dessen richtiger Name Rouslan ist, und will ihn von der Straße holen und weg von der Gang. Er richtet ihm ein eigenes Zimmer ein, aber Rouslan hat als Illegaler in Paris noch ein weiteres Problem, denn "Boss" hat seine Papiere unter Verschluss und die liegen in einem Schließfach in einem Hotel außerhalb der Stadt.

Es wird noch ganz schön spannend, soviel kann ich schon verraten, mehr aber auch nicht. Der Film ist ein echtes Erlebnis, damit hatte ich gar nicht gerechnet. Trotz einer Lauflänge von gut zwei Stunden stellt sich keine Langeweile ein. Mag der Anfang auch ein bisschen zäh wirken, wird man doch recht schnell in die Geschichte reingezogen und dann kommt man da sowieso nicht mehr raus. Absolut großartig.

Neben dem jungen Kirill Emelyanov als Rouslan/Marek und Daniil Vorobyov als fiesem "Boss", ist es vor allen Dingen Olivier Rabourdin als Daniel, der den Zuschauer hier wirklich von den Sitzen reißt. So eine fantastische Darstellung habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Was dieser Mann allein mit seinen Blicken ausdrücken kann, ist nahezu unbeschreiblich. Besser geht es eigentlich nicht.

Was soll ich noch sagen? Ran an den Film. Von mir gibt es auf jeden Fall eine ganz große Empfehlung, man muss sich aber schon auf den Film und die Handlung einlassen können.


Samstag, 13. September 2014

Peau d'âne

"Peau d'âne" (Eselshaut) ist ein Film von Jacques Demy (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1970 und beruht auf dem gleichnamigen Märchen von Charles Perrault aus dem Jahr 1694. Die Musik stammt von Michel Legrand.

Also ein Märchenfilm, aber ein ganz besonderer, der sich auch eher an ein erwachsenes Publikum wendet. In einem schönen und friedvollen Land (allein das ist heutzutage ja schon eine Utopie) lebt ein König (Jean Marais), der von seinen Untertanen geliebt und geachtet wird. Als die Königin erkrankt und schließlich stirbt, ist der König voller Trauer und zieht sich zurück. Auf ihrem Sterbebett hatte die Königin ihrem Mann das Versprechen abgenommen, sollte er jemals wieder heiraten wollen, dann nur eine Frau, die noch schöner wäre als sie selbst. Der König denkt nicht an eine erneute Heirat, aber seine Berater drängen ihn dazu, da er nur eine Tochter (Catherine Deneuve) hat und keinen männlichen Thronfolger.

Die Berater des Königs können keine Frau finden, die auch nur annähernd so schön ist wie die verstorbene Königin. Deshalb unterbreiten sie ihm den Vorschlag, seine Tochter zu heiraten, die die Schönheit ihrer Mutter geerbt hat. Als die Prinzessin davon erfährt, ist sie entsetzt und berät sich mit ihrer Patentante, der Fee Lilas (Delphine Seyrig), die auch schon einen Plan hat, den König auszutricksen. Die Prinzessin soll vor der Hochzeit Forderungen stellen, die der König nicht erfüllen kann, wie z. B. Kleider in der Farbe des Himmels oder des Mondes. Dem König gelingt all das tatsächlich und so fordert die Prinzessin schließlich die Haut seines Goldesels und auch dieser Wunsch wird ihr erfüllt.

Mit Hilfe der Fee kann die Prinzessin fliehen und sich mit der Haut des Esels bedecken. In einem Nachbarland wird sie fortan Schweine hüten und sich weiterhin unter der Eselshaut verbergen. Eines Tages kommt ein junger Prinz (Jacques Perrin) vorbei, der die Prinzessin in ihrer Hütte im Wald sieht und sich sofort in sie verliebt. Doch bevor es ein verdientes Happy-End gibt, sind noch einige Schwierigkeiten zu überwinden.

Was für ein schöner Film, den man hierzulande mal wieder suchen muss. Es gibt eine UK-Version in französischer Sprache mit englischen Untertiteln, die ich nur empfehlen kann. Der Film selbst ist wunderbar. Die Ausstattung ist ein Traum, herrlich bunt und kitschig, aber das im besten Sinn. Allein schon die Kostüme von Jean Marais sind ganz herrlich "Over the Top".

Neben Jean Marais glänzen vor allen Dingen die wunderbare Catherine Deneuve und die wie immer schöne Delphine Seyrig. Ganz große Empfehlung für einen leider zu unbekannten Film.


Sonntag, 7. September 2014

Das finstere Tal

"Das finstere Tal" ist ein Film von Andreas Prochaska aus dem Jahr 2014. Das Drehbuch schrieb Prochaska zusammen mit Martin Ambrosch und beruht auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Willmann. Kameramann war hier Thomas W. Kiennast.

Ort der Handlung ist ein abgelegenes Tal in Südtirol, Ende des 19. Jahrhunderts. Im Spätherbst taucht ein Fremder (Sam Riley) wie aus dem Nichts im Dorf auf und bittet um Quartier für den Winter. Er ist nicht willkommen, aber mit einem kleinen Beutel voller Goldmünzen erkauft er sich die Zustimmung von Hans Brenner (Tobias Moretti), dem ältesten Sohn des Brenner-Bauern (Hans-Michael Rehberg). Der Fremde, der sich als Greider vorstellt, kommt aus Amerika und ist Fotograf. Er wird bei der Witwe Gader (Carmen Gratl) und ihrer jungen Tochter Luzi (Paula Beer) untergebracht.

Der alte Brenner ist inzwischen bettlägerig, hält aber noch alle Zügel in der Hand. Er bestimmt die Geschicke des Dorfes und seiner Bewohner und niemand wagt es, ihm oder seinen sechs erwachsenen Söhnen zu widersprechen, die vom Charakter her zwischen böse, gemeingefährlich und debil schwanken. Es herrscht eine bedrohliche Atmosphäre in diesem Tal, voller Furcht vor den Brenners.

Greider lebt sich bei den beiden Frauen ein und macht sich nützlich. Luzi wird schon bald den jungen Lukas (Thomas Schubert) heiraten und obwohl sich die beiden lieben, haben sie aus guten Gründen Angst vor der Hochzeit und dem was danach kommt. Die Braut gehört in der Hochzeitsnacht nämlich immer dem alten Brenner, schon seit Jahrzehnten. Eine alte Tradition, vom Brenner selbst eingebracht, der sich niemand widersetzen darf. Nur einmal soll sich ein junges Paar dagegen aufgelehnt haben, mit fürchterlichen Konsequenzen. Seitdem herrscht eisige Stille im Dorf und jeder nimmt das als gegebenes Schicksal hin.

Inzwischen ist der Winter eingezogen und das Tal ist abgeschnitten von der Außenwelt. Kurz hintereinander kommen zwei der Brenner-Söhne bei scheinbaren Unfällen ums Leben, aber Hans Brenner ahnt, dass Greider etwas damit zu tun hatte. Dann steht die Hochzeit von Luzi und Lukas an und Greider befreit das Mädchen aus der Gewalt der Brenner-Brüder, als sie auf dem Weg zum Hof des Alten sind. Nun sind die Fronten geklärt, die Brüder machen Jagd auf Greider und der hat nur noch seine lange geplante Rache im Kopf. Es kommt zu einem atemberaubenden Shoot-Out.

Wow, was für ein Film. Ich muss zugeben, dass ich schon ein wenig skeptisch war wegen der Besetzung mit Sam Riley und Tobias Moretti, denen ich bisher irgendwie nichts abgewinnen konnte, die hier aber beide wirklich gut besetzt sind und perfekt in ihre Rollen passen. Auch die anderen Schauspieler überzeugen sehr, allen voran die junge Paula Beer, die wirklich toll spielt, oder auch Erwin Steinhauer als Pfarrer, Hans-Michael Rehberg als Brenner und viele andere, die auch in den kleinsten Rollen sehenswert sind.

Gesprochen wird insgesamt nur wenig, viel wichtiger sind hier Blicke und Körpersprache. Und dann diese geniale Atmosphäre, die Bilder, die gedeckten Farben, die gesamte Ausstattung, einfach nur grandios. Mehr darüber erfährt man in einem sehr informativen Making-Of auf der DVD, das rund vierzig Minuten dauert und viele Eindrücke von den Dreharbeiten und der Entstehung des Films liefert. Kann ich nur empfehlen, ebenso wie den Audio-Kommentar von Andreas Prochaska, der sehr gelungen ist.

Ein Thema muss ich noch erwähnen und das ist die Musik. Da habe ich in vielen Kritiken gelesen, die würde nicht passen, die Zuschauer würden durch die modernen Songs aus dem Film gerissen und ähnliches. Das kann ich überhaupt nicht unterschreiben, ich finde die Musik extrem gut und gerade auch in der großen Shoot-Out-Szene hervorragend gewählt. Mir ging das gerade in dieser Szene sehr unter die Haut und hat sich zusammen mit den Bildern ins Gedächtnis eingebrannt. Sehr mutige Entscheidung, aber auf jeden Fall geglückt.

Andreas Prochaska hat erneut bewiesen, dass er ein großartiger Regisseur ist und einen ungemein packenden Film hingelegt, der mich schlicht und einfach begeistert hat. Bitte nicht verpassen.


Sonntag, 31. August 2014

The Wolves of Kromer

"The Wolves of Kromer" ist ein Film von Will Gould aus dem Jahr 1998. Das Drehbuch stammt von Charles Lambert und Matthew Read und basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Charles Lambert.

Die Stimme eines Erzählers (Boy George) führt in die Geschichte ein: In den Wäldern rund um das kleine Dorf Kromer lebten einst zwei junge Wölfe namens Gabriel (James Layton) und Seth (Lee Williams), die sich ineinander verliebt hatten. Der junge Seth haderte noch mit seinem Wolfsein, für ihn war das alles noch neu und er hatte sich gerade erst vor seiner Familie geoutet. Der erfahrenere Gabriel nahm Seth unter seine Fittiche und sorgte für ihn. Beide hatten keinen Kontakt mehr zu ihren Familien, sie lebten als Ausgestoßene im Wald und die Menschen fürchteten sich vor ihnen, obwohl von ihnen keine Gefahr ausging.

Die alte und biestige Jungfer Fanny (Rita Davies) plante derweil, ihre kranke und vermögende Herrin Mrs. Drax (Rosemarie Dunham) zu vergiften, um sich ihr Erbe unter den Nagel zu reißen. Ihre ebenso verschlagene alte Freundin Doreen (Margaret Towner) half ihr dabei. Wenn sie nicht gerade Gemeinheiten austauschten, sabberten die beiden alten Schachteln dem örtlichen Priester (Kevin Moore) hinterher, der allerdings auch so seine Geheimnisse hatte.

Als es Mrs. Drax schlechter ging, erschien ihr Sohn Mark (David Prescott) zusammen mit seiner Frau Mary (Angharad Rees) und seinen beiden Kindern Polly (Leila Lloyd-Evelyn) und Kester (Mathew Dean), die überhaupt nicht davon angetan waren, in dieser Einöde gestrandet zu sein. Fanny und Doreen holten nun zum finalen Schlag aus und sorgten für das Ableben von Mrs. Drax, aber sie stellten es so dar, dass man die Wölfe für die Täter hielt.

Während Gabriel und Seth gerade einen Streit hatten und Seth ihre Beziehung überdenken musste, tat sich die Dorfgemeinschaft zusammen, um gemeinsam auf Wolfsjagd zu gehen, angeführt vom scheinheiligen Priester, der jedoch viel lieber an dem jungen Kester herumgeknabbert hätte. Kester konnte sich immer wieder den Übergriffen entziehen, er haderte auch mit der Entscheidung, Jagd auf die Wölfe zu machen. Er konnte nichts Böses an ihnen erkennen, aber die Bewohner des Dorfes waren nicht mehr aufzuhalten.

In einer verlassenen Kirche kommt es zum Showdown zwischen Gabriel, Seth und dem heuchlerischen Priester. Aber ist das schon das Ende der Geschichte? Nein, denn im Himmel kann man ja auch tanzen und so läuft dann auch "Spirit in the Sky" zum Abspann.

Natürlich wird die Botschaft dieses Films hier so ein bisschen mit der Keule verteilt, aber es gibt ja immer noch genug Holzköpfe, die auch das nicht kapieren. Es heißt, man müsse sich vor den "Wölfen" schützen und sie würden Krankheiten verbreiten, das darf dann jeder gerne für sich interpretieren. Ich mag diesen Film sehr, er ist toll gespielt, wenn auch leider viel zu unbekannt. Die beiden "Wölfe" James Layton und Lee Williams sind jedenfalls hübsch anzuschauen in ihren kuscheligen Felljacken und machen ihre Sache trotz fehlender Schauspielerfahrung sehr gut.

Insgesamt gesehen ein kleiner, aber feiner Film, den ich nur absolut empfehlen kann. Es lohnt sich.


Samstag, 30. August 2014

Vendredi soir

"Vendredi soir" ist ein Film von Claire Denis aus dem Jahr 2002. Das Drehbuch schrieb Denis zusammen mit Emmanuèle Bernheim. Kamerafrau war hier erneut Agnès Godard.

Ein Freitagabend in Paris. Laure (Valérie Lemercier) löst ihre Wohnung auf und packt alle ihre Sachen in Umzugskartons. Am nächsten Tag wird sie zu ihrem Freund und in dessen Wohnung ziehen. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt und man fühlt, dass Laure etwas unsicher ist. Der Abschied von ihrer Wohnung und dem Mietshaus fällt ihr schwer. Ist die Entscheidung für ein neues Leben wirklich richtig, gibt es eventuell einen Weg zurück?

Nachdem die Kartons gepackt sind, macht sich Laure auf zu einem Abendessen bei Freunden. Doch an diesem Abend herrscht in Paris ein Verkehrschaos, weil der öffentliche Personen-Nahverkehr streikt. Die Straßen sind überfüllt mit Autos und es geht höchstens schrittweise voran. Die Nachrichten im Radio wiederholen sich immer wieder und es wird empfohlen Anhalter mitzunehmen, die sonst in der Kälte nur zu Fuß unterwegs wären.

Da klopft Jean (Vincent Lindon) an die Seitenscheibe von Laures Auto und bittet darum, einsteigen zu dürfen. Sie lässt ihn herein und das ist der Beginn einer außergewöhnlichen Nacht, mit der keiner von ihnen gerechnet hat. Lange Zeit noch werden sie im Stau stehen, bevor sich endlich wieder etwas bewegt. Laure ruft von einer Telefonzelle aus ihre Freundin an und teilt ihr mit, nicht zum Abendessen erscheinen zu können. Nun hat sie kein festes Ziel mehr für diese Nacht, aber mit Jean einen Mann an ihrer Seite, der sie immer mehr elektrisiert.

Laure und Jean lassen sich fast wortlos durch die Nacht treiben und nehmen sich schließlich ein Hotelzimmer. Es wird kaum geredet, aber die Anziehung zwischen ihnen ist spürbar. Noch einmal werden sie das Zimmer verlassen, um etwas zu essen, aber dann verbringen sie eine leidenschaftliche Nacht zusammen. Am nächsten Morgen verlässt Laure das Hotel und den schlafenden Jean und läuft durch die Straßen von Paris. Wohin ihr Weg sie führen mag? Wer weiß das schon...

Mal wieder ein wunderbarer Film von Claire Denis, den es hierzulande nicht gibt und den ich mir deswegen im französischen Original mit englischen Untertiteln besorgt habe. Immerhin besser als nichts. Ist das deutsche Publikum aber wirklich nicht bereit für die Filme dieser herausragenden Regisseurin? Gut, in diesem Fall will ich mal nachsichtig sein, der ist wirklich nichts für jeden Geschmack, weil sich die meisten Zuschauer hier wohl tatsächlich langweilen dürften. Muss aber gar nicht sein, denn Claire Denis und Agnès Godard liefern hier wunderbare Bilder einer verzauberten Nacht, in der eigentlich sehr viel passiert, wenn man seine Augen und Sinne offen hat und auch Kleinigkeiten erkennen kann.

Auf jeden Fall sind Valérie Lemercier und Vincent Lindon toll besetzt und fesseln den Zuschauer von Beginn an mit ihrer Darstellung. Man ist ihnen ganz nahe und das in wirklich jeder Szene. Hervorragend gespielt. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich ein größeres Publikum für die Filme von Claire Denis begeistern könnte.

Mittwoch, 27. August 2014

Tom à la ferme

"Tom à la ferme" ist ein Film von Xavier Dolan aus dem Jahr 2013. Das Drehbuch schrieb Dolan zusammen mit Michel Marc Bouchard, dem Autor des gleichnamigen Theaterstücks. Xavier Dolan selbst ist hier nicht nur als Regisseur und Drehbuchautor tätig, sondern auch als Produzent und Hauptdarsteller und zuständig für den Schnitt und die Kostüme. Dies ist sein vierter Spielfilm und wie man aus der Vergangenheit weiß, meistert er diese Aufgaben perfekt. Die Musik stammt von Gabriel Yared, der Kameramann war André Turpin.

Der Mittzwanziger Tom (Xavier Dolan) kommt aus Montreal nach Québec aufs Land, um an der Beerdigung seines Lebensgefährten Guillaume teilzunehmen. Auf dem Hof von Guillaumes Familie trifft er zunächst auf dessen Mutter Agathe (Lise Roy), die nichts von Tom weiß und anscheinend noch nicht einmal etwas von der Homosexualität ihres Sohnes wusste. Agathe lebt dort zusammen mit ihrem anderen Sohn Francis (Pierre-Yves Cardinal), dem älteren Bruder von Guillaume, den dieser aber nie erwähnt hat. Tom gibt sich Agathe gegenüber lediglich als Freund und Kollege Guillaumes aus und wird noch in der ersten Nacht von Francis brutal dazu genötigt, auch bei dieser Version zu bleiben.

Der Mutter wird weiter vorgelogen, Guillaume hätte eine feste Freundin gehabt, seine Kollegin Sarah (Evelyne Brochu), die aber natürlich nicht zur Trauerfeier erscheint. Agathe ist deswegen außer sich. Aus gutem Grund kann Tom seine geplante Trauerrede nicht halten, um sich nicht zu verraten. Agathe erweist sich als sehr verständnisvoll, während Francis zunehmend die Nerven verliert. Die Fassade soll erhalten werden und Tom wird gezwungen, seinen Aufenthalt auf der abgelegenen Farm zu verlängern. Er schlüpft sozusagen in die Rolle seines verstorbenen Geliebten und nimmt dessen Platz in der Familie ein. Doch unter der Oberfläche brodelt es gewaltig, denn Francis erweist sich immer mehr als brutaler Zeitgenosse, dessen Verhältnis zu Tom zwischen Ablehnung und Zuneigung schwankt.

Tom muss einiges einstecken, doch eine Flucht kommt für ihn zunächst noch nicht in Frage. Er findet Gefallen an dem Familien- und Landleben und scheinbar auch an den Erniedrigungen durch Francis. Die beiden Männer kommen sich gefährlich nahe, es entwickelt sich ein perfides Spiel zwischen ihnen. Doch dann erscheint die ahnungslose Sarah, von Tom herbeigerufen, und die Situation wird explosiv.

Francis hat inzwischen das Auto von Tom zerlegt, Agathe reagiert gereizt auf die gefühllose Freundin ihres verstorbenen Sohnes und Tom erfährt im Ort, warum Francis überall ausgegrenzt wird. Nun wird es höchste Zeit, die Farm zu verlassen.

Xavier Dolan hat diesen Film nach seinem vorherigen Drama "Laurence Anyways" als leichte Fingerübung für zwischendurch und in sehr kurzer Zeit gedreht. Herausgekommen ist erneut ein ausgesprochen sehenswerter und sehr spezieller Film, der den Zuschauer von Beginn an packt. Die Atmosphäre ist perfekt eingefangen, die Bilder der Landschaft um den Hof der Familie sind grandios. Bei aller Beschaulichkeit spürt man die latente Bedrohung in jedem Bild, auch wenn sie sich nicht wirklich fassen lässt.

Die Schauspieler sind exzellent, neben Xavier Dolan, der hier erneut sein Können zeigt, sind es vor allen Dingen Lise Roy als verzweifelte Mutter, die wohl mehr weiß, als sie zugibt, als auch Pierre-Yves Cardinal als brutaler und grobschlächtiger Bruder, die vollkommen überzeugen können. Sie alle sind wunderbar anzuschauen und verleihen ihren Rollen echtes Leben.

Die Bilder sind ebenfalls wunderbar, die Weite des Landes, die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Tom und Francis, sowie ein Tango der beiden Männer in einer leeren Scheune. Mitunter reine Poesie, aber auch immer kraftvoll und irgendwie bedrohlich. Muss man selbst sehen, das kann man nicht in Worte fassen.

"Tom à la ferme" ist ein Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Noch ein Wort zum Titel, überall wird der Film unter diesem auch vertrieben, sei es dann auch in der jeweiligen Landessprache, wie z. B. als "Tom at the Farm". In Deutschland läuft er aber als "Sag nicht, wer du bist!". Wieso eigentlich?  Soll das mehr Zuschauer anlocken? Ich finde diese Entscheidung ziemlich albern, den Film aber nicht, der ist sensationell. Ganz große Empfehlung.


Montag, 18. August 2014

Nordsee ist Mordsee

"Nordsee ist Mordsee" ist ein Film von Hark Bohm (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1976.

In Hamburg-Wilhelmsburg lebt der 14-jährige Uwe (Uwe Bohm, damals noch Uwe Enkelmann) zusammen mit seinen Eltern in einer Hochhaussiedlung. Seine Mutter (Herma Koehn) ist Kassiererin in einem Supermarkt und sein Vater (Marquard Bohm) arbeitet im Hafen, ist meistens betrunken und dann auch gewalttätig. Die meisten Prügel muss Uwe einstecken, aber auch seine Mutter bleibt nicht davon verschont. Stark fühlt sich Uwe nur in seiner Clique, deren Anführer er ist. Hier verschafft er sich Respekt, knackt Automaten und gibt den großen Boss.

Die kleine Gruppe von großmäuligen Jungs und Mädchen hat Spaß daran, andere zu schikanieren, wie z. B. den gleichaltrigen Asiaten Dschingis (Dschingis Bowakow), der zusammen mit seiner Mutter (Katja Bowakow) ebenfalls in der Siedlung wohnt und nur als "Schlitzauge" bezeichnet wird. Er ist für die Gang ein willkommenes Opfer und wird ständig von ihnen drangsaliert.

Nachdem die Gruppe erfolgreich einen Geldspielautomaten geknackt hat, verschwindet Uwe mit den erbeuteten Münzen, um sich davon ein Springmesser zu kaufen. Den anderen erzählt er später, sein Vater hätte das Geld bei ihm entdeckt und einkassiert. Zur gleichen Zeit findet Uwe heraus, dass sich Dschingis ein Floß gebaut hat. Um von sich selbst abzulenken, lenkt er die Aufmerksamkeit der Bande auf das Floß, das von diesen daraufhin zerstört wird. Als Dschingis das bemerkt, geht er auf die Gruppe los, die schnell das Weite sucht. Uwe unterliegt Dschingis bei einem Zweikampf und wird von ihm gezwungen, das Floß zu reparieren.

Am nächsten Tag muss Uwe vor seiner Gang unbedingt wieder den starken Macker markieren, um seine Stellung nicht zu gefährden und klaut ein Auto. Die kurze Spritztour endet allerdings äußerst unsanft, da ihn die Polizei einsammelt und zu seinem Vater nach Hause bringt, der ihn gleich wieder verprügelt. Daraufhin verbündet sich Uwe mit Dschingis und beide wollen von zu Hause abhauen. Sie lassen das Floß zu Wasser, aber damit kommen sie nicht weit. Erst mit einem gestohlenen Segelboot schaffen sie es, auf der Elbe zu bestehen. Doch das ist noch nicht das Ende ihrer Reise, sondern erst der Anfang. Wie es weitergeht? Wer weiß das schon...

Was für ein toller Film, auch heute noch. Ganz ehrlich, der hat die Zeit sehr gut überdauert und fesselt immer noch. Eine schöne Geschichte über Freundschaft und Abenteuer, aber auch über die Kraft, Gegensätze zu überwinden und Freundschaften zu schließen, die man so nicht erwartet hätte. Davon kann man gerade in der heutigen Zeit oft nur träumen, leider.

Für Uwe Bohm war das der erste Film und der Beginn einer großartigen Karriere, sowohl beim Film, als auch beim Theater. Ich sehe ihn immer gerne, solche guten Darsteller wie ihn gibt es leider viel zu selten. Neben ihm glänzen vor allen Dingen der junge Dschingis Bowakow und Marquard Bohm, der Bruder von Hark Bohm, als brutaler Vater. Auf ihn werde ich demnächst noch näher eingehen. Hier ist er extrem fies dargestellt, was perfekt zur Rolle passt, aber da gab es noch andere Rollen, die ihn in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.

"Nordsee ist Mordsee" ist auf jeden Fall ein Film, der auch heute noch sehr gut funktioniert, egal wie alt er ist. Meine Empfehlung: Unbedingt anschauen!

Samstag, 16. August 2014

Nordstrand

"Nordstrand" ist ein Film von Florian Eichinger (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013.

Nach langer Zeit treffen sich die beiden Brüder Marten (Martin Schleiß) und Volker (Daniel Michel) im Haus ihrer Eltern an der Nordsee wieder. Viele Jahre lang hatten sie kaum Kontakt, doch nun verbringen sie ein Wochenende zusammen, auf Wunsch von Marten. Der ist auch die treibende Kraft, denn Volker ist nicht wirklich gerne hier. Das Haus ist seit vielen Jahren unbewohnt, die alten Möbel sind aber immer noch da.

Marten fängt erstmal an zu putzen, hat aber eigentlich ein anderes Anliegen an Volker. Sie sollen wieder eine Familie sein, das ist sein Wunsch. In ein paar Wochen wird ihre Mutter aus dem Gefängnis entlassen, dann soll das Familienleben wieder aufgenommen werden. In kurzen Rückblenden wird nur angedeutet, was damals passiert ist. Der Vater von Marten und Volker war ein gewalttätiger Mann und hat besonders den jüngeren Volker drangsaliert. Marten hat immer noch Schuldgefühle, weil er seinem kleinen Bruder nicht helfen konnte. Die Mutter hat lange Zeit weggesehen, bis sie ihren Mann eines Tages umgebracht hat.

Der gesundheitlich angeschlagene Marten will sich mit seinem Bruder versöhnen, der jedoch will nur sein Elternhaus möglichst schnell verkaufen und alles hinter sich lassen. Er trifft auf seine Jugendliebe Enna (Luise Berndt), die inzwischen verheiratet und Mutter ist. Wären die Dinge früher anders gelaufen, dann hätte aus ihnen ein Paar werden können, so aber bleibt nur die Erinnerung an alte Zeiten.

Das Wochenende vergeht und Marten bemüht sich nach Kräften, einen Kontakt zu Volker herstellen zu können, aber der igelt sich ein und gibt sich spröde. Werden die Brüder sich wieder näher kommen, trotz aller Konflikte?

Das Ende ist offen und es werden praktisch keine Fragen geklärt. Das ist ja nicht weiter schlimm, ich persönlich finde es gut, als Zuschauer auch gefordert zu werden und mir eigene Gedanken zu machen. Hier wird das allerdings schon zu sehr ausgereizt, weil einfach zu viele Dinge gar nicht erst erwähnt werden. Was genau ist denn damals geschehen und warum? Wie lange ist das alles her? Das ist mir alles viel zu schwammig.

Hinzu kommt, und das ist mein größter Kritikpunkt, dass man außer dem Geschnaufe und Gerotze der Hauptdarsteller kaum etwas von den Dialogen versteht, die die beiden vor sich hin murmeln. Soll das jetzt irgendwie authentisch wirken? Sorry, aber mich hat das nur extrem genervt. Die Geschichte an sich klingt ja durchaus interessant, sonst hätte ich mir den Film nicht ausgeliehen, aber die Umsetzung war gar nicht mein Fall.

Schade, die Thematik ist schon gut, denn fast jeder von uns trägt irgendwelche Narben aus der Kindheit mit sich, ob nun sichtbar oder unsichtbar, aber sie sind für immer da. Aus den oben genannten Gründen gebe ich hier aber nur eine eingeschränkte Empfehlung, so leid mir das auch tut.

Samstag, 2. August 2014

Magic Magic

"Magic Magic" ist ein Film von Sebastián Silva (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013. Kameramann war hier der grandiose Christopher Doyle.

Die junge und schüchterne Alicia (Juno Temple) besucht ihre Cousine Sara (Emily Browning), die in Chile studiert. Zusammen mit Saras Freund Agustin (Agustin Silva), dessen Schwester Bárbara (Catalina Sandino Moreno) und Agustins Freund Brink (Michael Cera) ist ein kleiner Urlaub auf einer Insel im Süden Chiles geplant. Doch während der Fahrt dorthin erhält Sara einen wichtigen Anruf und muss nach Santiago zurück. Alicia bleibt allein mit Saras Freunden zurück, die sie nicht kennt und die ihr nicht gerade das Gefühl vermitteln, besonders willkommen zu sein.

Auf der Insel und in dem rustikalen Ferienhaus angekommen, verstärkt sich bei Alicia das Unwohlsein. Sie kann Sara nicht erreichen, denn hier gibt es keinen Empfang. Bárbara zieht sich gleich zurück, sie interessiert sich allein für ihr Studium und will von den anderen nicht gestört werden. Agustin und Brink treiben derbe Späße und Alicia fühlt sich immer verlorener. Besonders der undurchschaubare Brink hat es auf sie abgesehen, weshalb Alicia sich zunehmend bedroht fühlt. Sie kann nicht schlafen, hat merkwürdige Visionen und kann schon bald nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden, ebenso wie der Zuschauer.

Als Sara zwei Tage später auf der Insel eintrifft, findet sie eine verstörte Alicia vor, deren Ängsten und Erzählungen sie keinen Glauben schenken kann, zumal Agustin und auch Brink sich scheinbar aufmerksam um Alicia zu kümmern scheinen. Die Situation eskaliert, als Agustin Alicia in Hypnose versetzt, was keiner der Anwesenden wirklich ernst nimmt, und Bárbara Alicia noch mit Tabletten versorgt, damit sie endlich schlafen kann.

Was dann passiert, das erzähle ich hier nicht. Zugegeben, das Ende ist schlimm, aber auch voller Rätsel. Regisseur Sebastián Silva erzählt seine Geschichte nicht bis zum Schluss, er lässt vieles offen. Das muss man als Zuschauer nicht mögen, ist aber künstlerische Freiheit des Autors und funktioniert hier eigentlich ganz gut.

Was bei diesem ungewöhnlichen Psychothriller überzeugt, sind vor allen Dingen die abgelegene Umgebung, die irgendwie latent bedrohliche Atmosphäre und die sehr guten Darsteller. Juno Temple ist hier die ideale Besetzung als Alicia, denn man merkt als Zuschauer schon schnell, dass sie nicht nur einfach labil ist, sondern wahrscheinlich ernste psychische Probleme hat. Mit Michael Cera als Brink hat sie einen fantastischen Gegenpart, der sich nie entschlüsseln lässt. Ob er nun tatsächlich schwul und heimlich in seinen Freund Agustin verliebt ist, wer weiß das schon.

Als Extra gibt es noch ein kleines Making-Of, das ich sehr empfehlen kann. Für den Film an sich gilt wie so oft bei mir, nichts für die große Masse, eher was für Freunde ungewöhnlicher Filme, die es auch aushalten können, wenn mal nichts passiert. Die sind dann hier aber genau richtig. Es lohnt sich.

Mittwoch, 30. Juli 2014

Eine fatale Entscheidung

"Eine fatale Entscheidung" - "Le petit lieutenant" ist ein Film von Xavier Beauvois aus dem Jahr 2005. Das Drehbuch schrieb Beauvois zusammen mit Guillaume Bréaud, Jean-Eric Troubat und Cédric Anger. Kamerafrau war hier Caroline Champetier.

Der junge Leutnant Antoine Derouère (Jalil Lespert) kommt gerade frisch von der Polizeischule und hat sich ohne Wissen seiner jungen Ehefrau Julie, die als Lehrerin in Le Havre arbeitet, bei der Mordkommission in Paris beworben und auch eine Stelle erhalten. In Le Havre wolle er nicht versauern, ein Mordfall im Jahr wäre ihm zu wenig.

In Paris kommt Antoine in die Abteilung von Caroline Vaudieu (Nathalie Baye), die nach zwei Jahren Pause und der Arbeit in anderen Abteilungen nun wieder ihren Dienst in der Mordkommission antritt. Caroline hatte ein Alkoholproblem, geht immer noch zu den Anonymen Alkoholikern, fühlt sich aber bereit, ihren alten Job wieder aufzunehmen. Den jungen Antoine schließt sie gleich in ihr Herz, denn er erinnert sie an ihren Sohn, der zwar schon als Kind gestorben ist, aber jetzt ungefähr im gleichen Alter wäre.

Ein erster Fall steht an, ein polnischer Obdachloser wird aus der Seine gefischt. Antoine erkennt den Mann wieder, er verbrachte die Nacht zuvor in der Ausnüchterungszelle der Polizei. Die Kommissare der Abteilung ermitteln nun unter den polnischen Obdachlosen und erhalten Hinweise auf zwei Russen, die mit dem Verstorbenen Kontakt hatten. Die Ermittlungen laufen unspektakulär ab, es werden mögliche Zeugen befragt und verschiedene Wohnheime nach den Russen abgesucht.

Antoine lässt sich von der eintönigen Arbeit nicht abschrecken, für ihn ist das alles spannend, eben wie in den Filmen die er gesehen hat. Deswegen ist er zur Mordkommission gekommen, doch genau das wird ihn das Leben kosten. Sein Kollege, der längst ermüdet und desillusioniert ist, geht lieber in ein Café, als noch ein Wohnheim zu durchsuchen. So trifft Antoine mehr durch Zufall allein auf einen der Verdächtigen, der allerdings kurzen Prozess macht. Antoines Kollege kommt viel zu spät, um noch irgendetwas bewirken zu können.

Der schwerverletzte Antoine kommt auf die Intensivstation eines Krankenhauses und ringt mit dem Tod. Caroline fühlt sich für ihn verantwortlich und betrinkt sich an diesem Abend. Sie landet schließlich betrunken bei einem alten Freund, dem Richter Serge Clermont (Jacques Perrin). Kurze Zeit später verstirbt Antoine an seinen schweren Verletzungen, doch der Mordfall kann noch gelöst werden. Caroline verzweifelt darüber und blickt einer ungewissen Zukunft entgegen.

Wer hier auf platte Action aus ist, von dem möchten wir uns an dieser Stelle gleich verabschieden. Nein, dieser französische Polizeifilm ist etwas ganz anderes, als man es von amerikanischen Filmen gewohnt ist. Hier geht es um die Polizeiarbeit an sich, die eben auch ganz unspektakulär ist, wo einfach mal nichts passiert, wo einfach Menschen gezeigt werden, die ihren Job machen und dabei eigene Probleme haben, die sie mit sich herumtragen. Das ist dem Regisseur Xavier Beauvois besonders gut gelungen.

Was wären aber alle diese guten Drehbücher und Regieanweisungen ohne die entsprechenden Darsteller und da hat der Film ja einiges vorzuweisen. Hier muss man besonders Nathalie Baye, Jalil Lespert und Roschdy Zem erwähnen, die nur die prominenteren Namen sind. Der Rest des Casts macht seine Sache aber ebenso gut.

Der Film an sich ist wohl leider ziemlich unbekannt, was wirklich sehr schade ist. Mich hat er jedenfalls sehr fasziniert, auch beim wiederholten Anschauen. Wer also auf Action verzichten kann und sich auf eine ruhig erzählte Geschichte mit exzellenten Schauspielern einlassen möchte, dem kann ich diesen Film hier nur sehr empfehlen.

Montag, 28. Juli 2014

Wer mich liebt, nimmt den Zug

"Wer mich liebt, nimmt den Zug" - "Ceux qui m'aiment prendront le train" ist ein Film von Patrice Chéreau aus dem Jahr 1998. Das Drehbuch schrieb Chéreau zusammen mit Danièle Thompson und Pierre Trividic. Für die wunderbaren Bilder sorgte Kameramann Éric Gautier.

Der Pariser Maler Jean-Baptiste Emmerich (Jean-Louis Trintignant) ist im Alter von 70 Jahren gestorben. Begraben werden möchte er in seiner ungeliebten Heimatstadt Limoges und alle seine Freunde, Bekannten und Verwandten machen sich deshalb mit dem Zug auf den Weg, so wie es der Verstorbene gewünscht hat. Der Sarg mit seinen sterblichen Überresten wird von seinem ehemaligen Pfleger Thierry (Roschdy Zem) mit dem Auto dorthin überführt.

Während der Zugfahrt brechen zwischen den Reisenden diverse Konflikte auf, die teilweise schon jahrelang unter der Oberfläche schwelten und nun in der Enge des Zuges verstärkt ans Licht kommen. Es gibt Eifersüchteleien, Neid, Missgunst, Liebe und Hass, alles ganz nah beieinander, denn hier kann keiner dem anderen wirklich entkommen. Jean-Baptiste selbst hat durch seine exzentrische Art schon zu Lebzeiten für Unruhe und Unfrieden gesorgt, das scheint sich über seinen Tod hinaus zu bewahren. Nach der Beerdigung auf dem Friedhof von Limoges, der mehr "Einwohner" haben soll, als die Stadt selbst, treffen sich alle im Haus von Lucien (Jean-Louis Trintignant), dem Zwillingsbruder des Verstorbenen wieder und die verbalen Kämpfe gehen unvermittelt weiter.

Das Aufeinandertreffen dieser Menschen bringt viele Probleme ans Tageslicht. Beleidigungen und Verleumdungen werden ausgesprochen, es geht aber auch um unausgesprochene Liebe, Lügen, Enttäuschungen und Hoffnungen.

Da gibt es unter anderem das frisch getrennte Paar Claire (Valeria Bruni Tedeschi) und Jean-Marie (Charles Berling), das noch nicht endgültig miteinander fertig ist, sowie Francois (Pascal Greggory), der mit seinem jüngeren Geliebten Louis (Bruno Todeschini) anreist, welcher sich noch im Zug in den jungen Bruno (Sylvain Jacques) verguckt, der allerdings auch ein Geheimnis in sich trägt, bis hin zur geheimnisvollen Viviane (Vincent Perez), die im Haus auftaucht und für eine Überraschung sorgt.

Der Film ist mit großartiger Musik unterlegt und lebt vor allen Dingen von den fabelhaften Schauspielern, die diese rund 120 Minuten Film mit Leben erfüllen und dem Zuschauer ein intimes Kammerspiel der besonderen Art präsentieren. Der erste Teil spielt im Zug, dann ein Zwischenspiel auf dem Friedhof, bis zum letzten großen Akt im Familiensitz der Familie Emmerich. Trotz dieser zwei Stunden Laufzeit treten keine wirklichen Längen auf, wenn man sich auf den Film einlassen kann. Das ist aber wie üblich die Grundvoraussetzung, sonst wird das nichts. Hier wird eben hauptsächlich geredet, Action gibt es nicht. Ich vermute allerdings, es gibt genug Zuschauer, die das verstehen und auch zu schätzen wissen.

Ein wirklich großartiger Film von Patrice Chéreau, der sowohl beim Film, wie auch am Theater zu Hause war und der leider am 7. Oktober 2013 verstorben ist. Seine Filme sind brillant, wenn auch oft speziell, aber immer faszinierend. Sein früher Tod ist ein großer Verlust. Es wäre schön, wenn seine Werke auch hier in Deutschland einfacher zu bekommen wären, als immer nur über Importe. Dieser Film verfügt nur über die deutsche Synchronisation und die französische Originalfassung. Ich hätte den so gerne mit deutschen Untertiteln...

Wie auch immer, ganz große Empfehlung für einen grandiosen Film mit hinreißenden Schauspielern.


Sonntag, 27. Juli 2014

Wer hat Angst vor Vagina Wolf?

"Wer hat Angst vor Vagina Wolf?" - "Who's Afraid of Vagina Wolf?" ist ein Film von Anna Margarita Albelo aus dem Jahr 2013. Das Drehbuch schrieb Albelo zusammen mit Michael Urban.

Anna (Anna Margarita Albelo) ist gerade Vierzig geworden und steckt in einer Krise. Ihre Karriere als Filmemacherin ist eher überschaubar, sie hat keine feste Freundin und lebt aus Geldmangel in der Garage ihrer Freundin Charlie (Celeste Pechous) in Los Angeles. Nachdem sie auch noch den Abgabetermin für die Beantragung einer Filmförderung verpasst hat, verliert sie nahezu jede Hoffnung auf Glück.

Doch dann begegnet ihr die schöne junge Katia (Janina Gavankar), die Annas Arbeit bewundert, was von Anna aber als Zeichen der Zuneigung verstanden wird. Endlich hat sie eine Muse. Der Plan steht, ein neues Filmprojekt muss her, Katia bekommt eine Hauptrolle und Anna endlich eine Geliebte. Doch so einfach ist das alles nicht...

Anna macht sich an die Arbeit, der Film soll eine lesbische Version von "Wer hat Angst vor Virginia Wolff?" sein. Ihre beiden besten Freundinnen Penelope (Guinevere Turner) und Chloe (Carrie Preston) spielen ebenso mit wie Anna selbst. Auch die Crew ist schnell zusammen, wenn auch ohne Bezahlung. Gedreht wird in Charlies Haus, die das zähneknirschend über sich ergehen lässt.

Kamerafrau wird die schöne Julia (Agnes Olech), die ein ehrliches Interesse an Anna hat, was diese aber in ihrer Verliebtheit zu Katia einfach nicht bemerkt. Schnell wird Julia klar, dass Katia nur mit Annas Gefühlen spielt, aber Anna überhört jeden Hinweis darauf. Während der chaotischen Dreharbeiten kochen dann die Emotionen hoch. Vor und hinter der Kamera kommt es zu Kränkungen und Eifersüchteleien, verschmähter Liebe und Enttäuschungen. Es endet mit einem großen Knall und Anna sitzt mal wieder vor den Scherben ihres Lebens. Und dann taucht auch noch ihre Mutter auf und will sie mit nach Miami nehmen. Wird Anna es schaffen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und wird sie erkennen, dass Julia es ernst mit ihr meint?

Diese wunderbare Komödie geht direkt ins Herz und schafft es locker, auch ernste Töne unterzubringen, ohne zu schwer zu werden. Die Geschichte ist zum Teil autobiografisch und Regisseurin und Hauptdarstellerin Anna Margarita Albelo weiß scheinbar genau, wovon sie erzählt. Mit geringen Mitteln ist hier ein kleiner Independent-Film entstanden, der wirklich gut unterhält und zudem noch über einen fabelhaften Soundtrack verfügt.

Die Schauspielerinnen sind mit vollem Herzen bei der Sache und besonders Guinevere Turner und Agnes Olech überzeugen hier in ihrer Darstellung und sind dabei wunderbar anzuschauen. Toll und sehr gelungen. Also ran an den Film, von mir gibt es jedenfalls eine große Empfehlung.


Samstag, 26. Juli 2014

Tiefe Wasser

"Tiefe Wasser" - "Plynace wiezowce" ist ein Film von Tomasz Wasilewski (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013.

Der junge Leistungsschwimmer Kuba (Mateusz Banasiuk) lebt zusammen mit seiner Freundin Sylwia (Marta Nieradkiewicz) in der Wohnung seiner Mutter Ewa (Katarzyna Herman), die gerne die Kontrolle über ihren Sohn hat und dessen Freundin nicht wirklich mag, sondern nur duldet. Ewa hat hier das Sagen und wenn sie nach Kuba ruft, dann hat er auf der Stelle für sie da zu sein. Kuba liebt Sylwia, aber er hat auch Sex mit Männern, anonym in den Waschräumen des Schwimmbads, in dem er trainiert.

Man wird aus Kuba nicht schlau, er wirkt bedrückt, nicht wirklich glücklich. Zu sehr fühlt er sich von allen unter Druck gesetzt. Von seiner dominanten Mutter, von seiner Freundin und von seinem Trainer. Er könnte als Schwimmer großen Erfolg haben, aber auch hier entzieht er sich, weil auch das ihm kein Glücksgefühl vermittelt. Es ist fast so, als würde er auf etwas größeres warten, eine Sache die ihn begeistern könnte, um aus seinem tristen Leben auszubrechen.

Auf einer Vernissage lernt Kuba den jungen und hübschen Studenten Michal (Bartosz Gelner) kennen und die beiden verlieben sich ineinander. Mit Michal an seiner Seite erlebt Kuba erstmals Augenblicke des Glücks und der Freiheit. Doch diese kurzen Episoden sind trügerisch, denn die Wirklichkeit holt die beiden jungen Männer immer wieder ein. Ihr Umfeld kann eine Liebe zwischen Männern nicht akzeptieren. Als Michal sich vor seinem Vater als schwul outet, übergeht dieser das einfach, während die homophoben Jungs aus der Nachbarschaft nur auf ihren Einsatz warten.

Ewa verbündet sich schließlich schweren Herzens mit der ungeliebten Sylwia, um ihren Sohn zur Ordnung zu rufen. Sylwia ist schwanger und nun müssen Pläne gemacht werden, wie das Kind versorgt werden kann und wer für dessen Unterhalt sorgen wird. Kuba muss sich wortlos seinem Schicksal fügen, aber Michal trifft es noch wesentlich schlimmer.

Müsste ich diesen Film mit nur einem Wort beschreiben, dann wäre es dieses: Traurig. Ganz ehrlich, dieser Film kann Depressionen auslösen. Als Zuschauer ist man wie Kuba gefangen in einem Teufelskreis aus Druck und Lieblosigkeit, die von den anderen wahrscheinlich als Liebe interpretiert wird. Es gibt kein Entkommen, für keinen von ihnen. Man arrangiert sich, mehr nicht. Übrig bleibt nur Traurigkeit.

Das ist keine leichte Kost, was wohl auch nicht anders zu erwarten ist. Es wird nicht viel gesprochen, die Musikuntermalung ist sparsam, aber dann auf den Punkt genau eingesetzt. Die Darsteller sind allesamt perfekt besetzt, hier gibt es gar nichts zu meckern. Erwähnen muss ich hier aber noch den Kameramann Jakub Kijowski, der wunderbare und gleichzeitig sehr triste Bilder von Warschau einfängt, die unter die Haut gehen. Sehr gelungen.

Man muss sich auf die Stille und die Langsamkeit dieses Films einlassen können, um ihn zu erfassen. Wie gesagt, er ist traurig, aber nicht nur deswegen sehr sehenswert. Große Empfehlung.


Sonntag, 20. Juli 2014

7th Floor

"7th Floor" - "Séptimo" ist ein Film von Patxi Amezcua aus dem Jahr 2013. Das Drehbuch schrieb Amezcua zusammen mit Alejo Flah. Der Film ist eine spanisch-argentinische Co-Produktion und spielt in Buenos Aires.

Sebastián (Ricardo Darin) ist ein erfolgreicher Anwalt, frisch geschieden von seiner Frau Delia (Belén Rueda) und liebevoller Vater seiner beiden Kinder Luna und Luca. An diesem Morgen holt er seine Kinder bei seiner Ex-Frau ab, um sie in die Schule zu bringen. Sebastián ist in Eile, denn ein wichtiger Prozess wartet auf ihn, der für die Kanzlei seines Chefs sehr wichtig ist. Doch noch ahnt Sebastián nicht, dass er heute den schrecklichsten Tag seines Lebens haben wird.

Delia eröffnet ihm, zusammen mit den Kindern zu ihrer Familie nach Spanien ziehen zu wollen, wo sie sich um ihren kranken Vater kümmern will. Sebastián soll die entsprechenden Papiere unterschreiben, aber er weigert sich, weil er nicht auf seine Kinder verzichten will. Zusammen mit Luna und Luca macht er sich auf den Weg und dabei spielen sie ein altbekanntes Spiel. Der Vater fährt mit dem Aufzug vom siebten Stockwerk nach unten, während die Kinder die Treppe nehmen. Alles wie gehabt, doch als Sebastián an diesem Tag unten ankommt, fehlt von seinen Kindern jede Spur.

Zuerst glaubt Sebastián an einen Streich und wartet einen Moment, bevor er sich auf die Suche macht. Der Portier bleibt unten an seinem Platz, doch auch er hat nichts gesehen. Die Zeit vergeht, Sebastián läuft durch alle Stockwerke, kann seine Kinder aber nicht finden. Sie sind wie vom Erdboden verschwunden. Dabei klingelt ständig sein Telefon, weil man ihn dringend bei Gericht erwartet. Der Portier bittet einen älteren Kommissar um Rat, der ebenfalls im Haus wohnt.

Sebastián gerät zunehmend in Panik und klingelt an sämtlichen Türen des Hauses, um nach seinen Kindern zu fragen, doch niemand kann ihm helfen. Der Kommissar spricht von einer möglichen Entführung, was Sebastián nur noch mehr verunsichert. Als auch noch Delia erscheint und ihm Vorwürfe macht, ist Sebastián mit seinen Nerven fast am Ende. Er traut nun niemandem mehr und die Liste der Verdächtigen wird immer länger. Endlich melden sich die Entführer. Wird Sebastián seine Kinder wohlbehalten zurückbekommen?

Es gibt zwei tolle Hauptdarsteller in diesem Film. Der eine ist Ricardo Darin, der als ohnehin schon gehetzter Anwalt hier die Treppen rauf und runter jagt, der andere ist das Haus an sich, das eine großartige Kulisse bietet und ein imposantes Treppenhaus hat. Erst im zweiten, etwas schwächeren Teil des Films findet die Handlung auch an anderen Orten außerhalb des Gebäudes statt. Der Film gehört aber eindeutig dem fabelhaften Ricardo Darin, der die Verzweiflung und Angst des Vaters sehr überzeugend darstellt.

Das große Haus ist ein wunderbarer Schauplatz, weil es so viele Möglichkeiten bietet und hinter jeder Tür ein anderes Geheimnis verbergen könnte. Das Ende ist dann vielleicht sogar ein bisschen zu unspektakulär, aber es funktioniert. Am Ende dieses nervenaufreibenden Tages wird Sebastián nicht mehr derselbe sein, wie noch am Morgen. Zu viel ist an diesem Tag passiert.

Große Empfehlung von mir für diesen kleinen, aber spannenden Film, der einen mitfiebern lässt. Auch hier nichts für Action-Fans, eher was für Freunde ruhiger Erzählungen, auch wenn einem zwischendurch der Schweiß auf der Stirn steht. Kann aber auch am Wetter liegen...

(Sebastián blickt in den Abgrund)

DVD-Veröffentlichung: Am Abend des folgenden Tages

"Am Abend des folgenden Tages" - "The Night of the Following Day" ist ein Film von Hubert Cornfield aus dem Jahr 1968, mit Marlon Brando in einer der Hauptrollen.

Bisher war der Film nur als Import erhältlich, aber nun gibt es eine limitierte Edition, die den Film in englischer und deutscher Sprache, sowie mit deutschen Untertiteln bietet. Kleiner Haken dabei: das Teil ist teuer, weil eben limitiert. Als Extra gibt es nur den Kino-Trailer, das ist leider sehr wenig. Der DVD soll noch ein Booklet beiliegen, dazu kann ich nichts sagen, ich hatte mir die DVD nur ausgeliehen. Ob das Booklet dann den stolzen Preis rechtfertigen kann? Da habe ich so meine Zweifel.

Der Film an sich ist schon sehenswert, wenn auch nicht herausragend. Filmkritik übrigens hier: "The Night of the Following Day". Ob man allerdings wirklich bereit ist, mehr als zwanzig Euro für diese Scheibe zu berappen, muss jeder selbst wissen. Vielleicht kann man ja auch mal ein Schnäppchen machen. Ausleihen lohnt sich aber auf jeden Fall.
 

Across the River

"Across the River" - "Oltre il guado" ist ein Film von Lorenzo Bianchini aus dem Jahr 2013. Das Drehbuch schrieb Bianchini zusammen mit seiner Schwester Michela.

Marco Contrada (Marco Marchese) ist Naturforscher und als solcher ständig allein mit seinem Wohnmobil unterwegs. In den italienischen Wäldern nahe der Grenze zu Slowenien beobachtet und filmt er die Tiere mit diversen Kameras, die er an verschiedenen Orten angebracht hat. Von seinem Wohnmobil aus hat er Zugriff auf die Bilder, die er entsprechend auswertet. Es gelingt ihm, einen Fuchs zu betäuben und mit einer Kamera und einem Peilsender zu versehen.

Die Signale des Fuchses führen Marco über einen Fluss und in ein verlassenes Dorf, das scheinbar seit Jahrzehnten niemand mehr betreten hat. Marco erkundet die verfallenen Häuser und quartiert sich schließlich in einem von ihnen ein, als der starke Regen ihn aus seinem Wohnmobil vertreibt. Unheimliche Geräusche und merkwürdige Bilder verfolgen ihn schon bald, für die es keine Erklärungen zu geben scheint. Der Rückweg über den Fluss ist wegen des hohen Wasserstandes unmöglich geworden. Marco muss sich damit abfinden, auf unbestimmte Zeit an diesem gespenstischen Ort festzusitzen.

In einer Nebenhandlung erfährt man von einem Suchtrupp, der sich auf Marcos Spur macht. Ein alter Mann, der als kleiner Junge in dem Dorf gelebt hat, erzählt von der Geschichte seines Heimatdorfes und dem ungeklärten Schicksal von zwei kleinen Zwillingsschwestern. Marco erfährt von diesen Dingen nichts, aber er wird das Grauen, das an diesem unheimlichen Ort lauert, noch selbst erleben müssen.

Kleine Warnung vorweg: Wer auf Action und knallige Effekte steht, der darf sich gleich einen anderen Film ansehen. "Across the River" ist ein feiner kleiner Horrorfilm, der das Grauen aus seiner Atmosphäre schöpft und im Kopf entstehen lässt. Zudem wird fast nicht gesprochen und die Bilder sind sehr ruhig und bedächtig. Wer das nicht aushalten kann, ist hier im falschen Film. Wer sich jedoch darauf einlassen kann, der wird mit einem sehr stimmungsvollen und spannenden Film belohnt, der tatsächlich Gänsehaut erzeugen kann.

Für eine Low-Budget-Produktion sieht das alles schon sehr gut aus, das Setting ist gut gewählt und der Hauptdarsteller Marco Marchese passt optisch absolut perfekt in seine Rolle. Auf der DVD befindet sich auch noch ein sehr sehenswertes Making-Of, das gut 25 Minuten dauert und in dem der Regisseur Lorenzo Bianchini von der Entstehung des Projektes und den Dreharbeiten berichtet. Sehr gelungen.

Eigentlich bin ich ja nicht so der Horror-Fan, aber hier standen mir schon die Haare zu Berge. Deshalb von mir eine große Empfehlung für diesen Independent-Film, der viele Zuschauer verdient hat.