Montag, 28. März 2016

L'Autre Vie de Richard Kemp

"L'Autre Vie de Richard Kemp" - "Back in Crime" ist ein Film von Germinal Alvarez aus dem Jahr 2013. Das Drehbuch schrieb Alvarez zusammen mit Nathalie Saugeon und Vanessa Lepinard.

Im Mittelpunkt der Handlung steht der französische Inspektor Richard Kemp (Jean-Hugues Anglade), der vor über zwanzig Jahren hinter einem Serienkiller her war, diesen aber nie fassen konnte. Die Psychologin Hélène Batistelli (Mélanie Thierry) entdeckt beim Joggen eine Leiche neben einem Fluss. Kemp übernimmt den Fall und stellt schon bald einige Gemeinsamkeiten mit den Opfern des damaligen Täters fest. Zugleich verliebt er sich in Hélène und diese sich auch in ihn.

Nach einem Schlag auf den Kopf und dem Sturz von einer Brücke ins Wasser, kommt Kemp benommen zu sich. Irgendetwas scheint sich verändert zu haben. Ohne zu wissen wie, ist Kemp wieder im Jahr 1989 gelandet, zum Zeitpunkt der ersten Mordfälle des Killers. Es scheint sich ihm die Chance zu bieten, den Täter dieses Mal fassen zu können bzw. weitere Morde zu verhindern. Nur wird ihm wohl niemand die Geschichte abkaufen und auf dem Polizeirevier läuft sein zwanzig Jahre jüngeres Ich herum.

Kemp sucht Kontakt zu der jungen Hélène und bittet sie um Hilfe. Hélène weiß nicht so recht, was sie von diesem Mann und seiner merkwürdigen Geschichte halten soll. Ist er vielleicht am Ende selbst der gesuchte Mörder? Als sie zur Polizei gehen will, begegnet sie dem jungen Kemp und plötzlich bekommt alles einen Sinn. Sie beschließt, dem älteren Kemp zu helfen. Dieser ist dem Mörder auf der Spur, doch die Veränderung der Vergangenheit bleibt nicht ohne Folgen für die Zukunft.

Mehr verrate ich hier nicht, denn dieser kleine, wohl eher unbekannte Film hat noch einiges zu bieten. Es wird noch ziemlich spannend, auch wenn der Film an sich angenehm ruhig erzählt wird. Natürlich darf man in so einem Fall die Handlung auch nicht groß hinterfragen, aber das sollte wohl klar sein. Interessant ist die Story aber trotzdem, wenn man sich darauf einlassen kann.

Gespielt ist das alles wunderbar von Jean-Hugues Anglade in seiner Doppelrolle, einem großartigen Schauspieler, dem ich immer gerne zusehe. An seiner Seite glänzt die schöne Mélanie Thierry, da gibt es überhaupt nichts zu beanstanden. Insgesamt gesehen ein sehr toller französischer Krimi, den ich absolut empfehlen kann.

Dienstag, 22. März 2016

Familienfest

"Familienfest" ist ein Film von Lars Kraume aus dem Jahr 2015. Das Drehbuch stammt von Andrea Stoll und Martin Rauhaus.

Worum geht es? Der 70. Geburtstag des erfolgreichen Pianisten Hannes Westhoff (Günther Maria Halmer) soll groß gefeiert werden und so hat seine zweite Ehefrau Anne (Michaela May) die Familie in die herrschaftliche Villa eingeladen. Nur, so richtig gerne kommt hier niemand her, denn der alte Herr ist nicht nur ein Genie, sondern in erster Linie ein ausgesprochenes Arschloch, der für jeden in seiner Umgebung stets ein paar Beschimpfungen bereithält.

Die Söhne Max (Lars Eidinger), Gregor (Marc Hosemann) und Frederik (Barnaby Metschurat), sowie deren Mutter Renate (Hannelore Elsner), die erste Ehefrau von Hannes, reisen am Vortag des Geburtstages an und wissen schon, was ihnen blüht. Ein schlecht gelaunter Hannes und eine aufopfernde Anne, die alles still über sich ergehen lässt und mit ihrer unbedingten Harmoniesucht zum Spielball der Gemeinheiten wird.

Bereits am ersten Abend eskaliert die Situation und das eigentliche Fest am nächsten Tag wird nicht viel besser. Doch dann gibt es eine unerwartete Wendung und die Familie rückt wieder näher zusammen. Bis dahin sind allerdings viele verletzende Worte gefallen, wertvolle Partituren in Flammen aufgegangen, was aber irgendwie kaum interessiert und auch sonst bleiben einem die meisten Charaktere merkwürdig egal, weil man nichts über sie erfährt und eigentlich auch gar nichts erfahren will.

Die Dialoge mögen auf dem Papier funktioniert haben, im Film selbst wirken sie hölzern, gestelzt und flach, man hört praktisch das Rascheln der Drehbuchseiten. Es wird auch kein Klischee ausgelassen in dieser Ansammlung von "Dramen" innerhalb der Familie. Die Ex-Frau ist stets betrunken, der jüngste Sohn Frederik ist schwul und will mit seinem Partner Vincent (Daniel Krauss) ein Kind adoptieren und Gregor hat Schulden bei den falschen Leuten, bereits einen gebrochenen Finger und will den Vater mal wieder um Geld anbetteln.

Der Patriarch selbst hat für alle nur Verachtung übrig, die er auch dauernd zum Ausdruck bringt. Warum hier überhaupt jemand zur Feier erscheint, erschließt sich nicht wirklich. Sorge ums Erbe?

Einziger Lichtblick in diesem Trauerspiel sind Lars Eidinger als ältester Sohn Max und Jördis Triebel als Krankenschwester Jenny, die von Max spontan zum Familienfest mitgebracht wird und sich als seine Freundin ausgeben soll. Diese Szenen machen den Film sehenswert, denn beide spielen und ergänzen sich sehr gut. Hier hat der Film auch noch den gewünschten Tiefgang, denn Max hat seiner Familie bisher verheimlicht, dass er todkrank ist. Sein Sterben beherrscht den letzten Teil des Films und bedeutet absoluten Taschentuchalarm.

Der Film an sich ist eigentlich ein typischer Fernsehfilm, was man ihm leider auch anmerkt. Alles schön nach Schema F abliefern und bloß den Zuschauer nicht überfordern. Nur leider funktioniert das hier nicht wirklich. Der herrische Vater als Ekelpaket, den man nicht im Traum besuchen würde, nur um sich dann doch wieder von ihm beschimpfen zu lassen, die verzweifelt harmoniesüchtige Ehefrau, die sich alles gefallen lässt ist eine reine Witzfigur und die alkoholsüchtige Ex-Frau, die schon zum Frühstück ihr Pensum erfüllt hat, haben wir nun auch schon oft genug erlebt. Mit anderen Worten: Es nervt. Und schlimmer: Es interessiert niemanden.

Ich muss ganz klar sagen, ohne die Mitwirkung von Lars Eidinger hätte ich mir diesen Film nicht bis zum Schluss angesehen. Seine Darstellung ist wie üblich brillant und sehr sehenswert. Der Film an sich aber leider nicht. Schade.


  

Samstag, 20. Februar 2016

Crimson Peak


"Crimson Peak" ist ein Film von Guillermo del Toro aus dem Jahr 2015. Das Drehbuch schrieb del Toro zusammen mit Matthew Robbins.

Die junge Edith Cushing (Mia Wasikowska) lebt zusammen mit ihrem Vater Carter Cushing (Jim Beaver) in Buffalo. Edith möchte gerne eine Schriftstellerin sein, aber damit hat sie als Frau Ende des 19. Jahrhunderts einen schweren Stand, weil man sie einfach nicht ernst nimmt. Ihre Geschichten handeln auch von Geistern, denn seit ihr im Alter von zehn Jahren der Geist ihrer verstorbenen Mutter erschien, glaubt sie an deren Existenz. Damals sprach der Geist eine Warnung aus: "Hüte Dich vor Crimson Peak", aber Edith konnte keine Erklärung dafür finden.

Inzwischen ist Edith zu einer schönen jungen Frau herangewachsen, die ihren eigenen Kopf hat und auch sagt, was sie denkt. In der Baufirma ihres Vaters lernt sie eines Tages den schottischen Adligen Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) kennen, der auf der Suche nach Investoren für seine Mine ist. Obwohl Carter Cushing der charmante Mann gleich irgendwie unsympathisch ist, kann er nicht verhindern, dass Edith sich rettungslos in diesen verliebt. Viel lieber hätte er seine Tochter an der Seite des jungen Arztes Alan McMichael (Charlie Hunnam) gesehen, der sowieso heimlich in sie verliebt ist. Aber wo die Liebe eben hinfällt...

Als Carter Cushing kurze Zeit später einen tödlichen Unfall hat, heiratet Edith Thomas Sharpe und zieht mit ihm auf sein Anwesen in Nordengland, wo er zusammen mit seiner Schwester Lucille (Jessica Chastain) lebt. "Allerdale Hall" entpuppt sich allerdings als äußerst baufälliges altes Gemäuer, das schon bessere Tage gesehen hat. Das Dach ist kaputt, das Haus ist kalt und das Wetter ist unbarmherzig. Zudem ist das Gebäude auf einem Tonvorkommen errichtet und sackt immer mehr ein. Überall quillt der rote Ton aus dem Boden und verleiht dem Ganzen einen beunruhigenden Anblick.

In ihrem neuen Zuhause findet Edith keine Ruhe, denn schon bald wird sie hier von furchtbaren Geistererscheinungen verfolgt, die ihr raten, das Haus zu verlassen. Thomas liebt seine Frau, aber seine Schwester Lucille, die sich immer sehr merkwürdig und ablehnend verhält, scheint großen Einfluss auf ihn zu haben. Wie nah sich die beiden Geschwister wirklich stehen und welche schaurigen Geheimnisse sie teilen, wird Edith schon bald erfahren. Wird es ihr gelingen, das Haus wieder zu verlassen?

Mehr will ich hier gar nicht verraten. Der Film an sich hat mir schon gefallen, auch wenn die Geschichte ein paar Längen hat und mit fast zwei Stunden Laufzeit auch insgesamt zu lang erzählt ist. Sehenswert ist er trotzdem, allein schon wegen der tollen Optik, der Ausstattung und der Kostüme. Das riesige und langsam verfallende Haus ist großartig in Szene gesetzt, die Farben sind umwerfend, die Einrichtung ist ein Traum oder eben auch Alptraum, ganz wie man es sehen will.

Man merkt halt schnell in einem Film von Guillermo del Toro zu sein, denn für tolle Bilder und eine sehr spezielle Atmosphäre hat er ein gutes Händchen. Nicht umsonst erinnert man sich hier an Filme wie "The Devil's Backbone" oder auch "Pans Labyrinth", die auch von Geistern handelten und sich nie ganz in ein Genre einordnen ließen. Ist ja auch egal, ob man das nun Horror, Mystery oder wie auch immer nennen will. Es ist sicher von allem etwas, aber eben auch eine Liebesgeschichte. Del Toro selbst nennt es übrigens eine "Gothic Romance".

Von den Schauspielern möchte ich besonders Mia Wasikowska und Tom Hiddleston hervorheben, die beide wie üblich wunderbar in ihren Rollen aufgehen. Von beiden habe ich noch nie mittelmäßige oder schwache Darstellungen gesehen, sie überzeugen einfach immer. Jessica Chastain dagegen nervt mich stets mit ihrem Overacting, mit ihr kann ich mich einfach nicht anfreunden, egal in welchem Film, und Charlie Hunnam bleibt insgesamt etwas blass. Gut, viel Raum zur Entfaltung gibt ihm seine Rolle hier auch nicht.

Insgesamt gibt es von mir natürlich eine Empfehlung, weil der Film schon spannend ist und sehr schön anzuschauen. Die Bilder bleiben im Kopf. Sollte man nicht verpassen.

Sonntag, 14. Februar 2016

3 Herzen

"3 Herzen" - "Trois Coeurs" ist ein Film von Benoit Jacquot aus dem Jahr 2014. Das Drehbuch schrieb Jacquot zusammen mit Julien Boivent.

Marc (Benoît Poelvoorde) ist ein Steuerprüfer aus Paris, der in einer französischen Kleinstadt einen Fall bearbeitet. Eines Abends verpasst er den letzten Zug nach Paris und landet kurz darauf in einer Bar, um zu überlegen, wie  und wo er die Nacht verbringen wird. Hier trifft er auf die schöne Sylvie (Charlotte Gainsbourg), die ihn sofort fasziniert und mit der er spontan die Nacht verbringt, indem sie stundenlang durch die menschenleeren Gassen laufen und sich nur unterhalten. Sie reden über alles Mögliche, aber Namen und Telefonnummern tauschen sie nicht aus. Am nächsten Morgen begleitet Sylvie Marc zum Zug und beide verabreden sich zu einem Wiedersehen in Paris am nächsten Freitag im Jardin des Tuileries.

Diese Nacht wird für beide ein unvergessliches Erlebnis bleiben, doch durch widrige Umstände schafft Marc es nicht, zur vereinbarten Zeit am Treffpunkt zu erscheinen. Sie verpassen sich nur um Haaresbreite, aber ihrer beider Leben verändern sich dadurch. Sylvie begleitet ihren Freund (Patrick Mille) in die Vereinigten Staaten, obwohl sie zuvor Zweifel hegte, ob diese Entscheidung richtig wäre. Das Treffen mit dem ihr unbekannten Mann hätte ein Ausweg sein können, aber dazu kommt es jetzt nicht mehr.

Marc ist ein paar Monate später wieder in der Kleinstadt in der Provinz tätig und auf der Suche nach der Frau, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht und die ihm wie eine Seelenverwandte erschien. Er findet sie nicht, aber er lernt dafür Sophie (Chiara Mastroianni) kennen, der er bei ihren Problemen mit der Steuer helfen kann. Die beiden verlieben sich ineinander und wollen heiraten. Im Haus von Sophies Mutter (Catherine Deneuve) entdeckt Marc schließlich Fotos von Sophies Schwester Sylvie, der Frau, nach der er gesucht hat. Doch da ist die Hochzeit bereits beschlossene Sache und Sophie schwanger.

Jahre später lebt Marc mit seiner Frau Sophie und dem gemeinsamen kleinen Sohn ein friedliches und zufriedenes Familienleben. Sylvie ist noch immer in den Staaten und kommt nur noch selten nach Frankreich. Doch trotz aller Entwicklungen kommt das Verhältnis zwischen Marc und Sylvie nicht zur Ruhe und endet in einer Katastrophe, die bereits von Beginn an im Raum stand.

Diesen Film um eine heimliche Liebe, die nicht sein darf, kann man wirklich als Melodram bezeichnen, auch wenn der Regisseur das nicht so nennen will. Das ist aber Ansichtssache. Mir hat der Film gut gefallen, denn allein schon die Schauspielerinnen sind großartig. Charlotte Gainsbourg und Chiara Mastroianni sind immer sehenswert, ebenso die wunderbare Catherine Deneuve, die hier zwar nicht viel zu tun hat, aber durch ihre Blicke immer wieder andeutet, dass sie mehr weiß, als ihr lieb ist.

Allein Benoît Poelvoorde gefällt mir nicht so wirklich. Den herzkranken Steuerprüfer verkörpert er überzeugend, aber seine Rolle als 'Love Interest' der beiden Schwestern nehme ich ihm nicht ab. Da hätte ich mir doch einen etwas charismatischeren Darsteller gewünscht. Gut, das ist vielleicht nur meine Meinung, aber der Film ist schon sehenswert, wenn man sich auf die ruhige Handlung einlassen kann. Empfehlenswert ist er auf jeden Fall.


Montag, 4. Januar 2016

Saint Laurent

"Saint Laurent" ist ein Film von Bertrand Bonello aus dem Jahr 2014. Das Drehbuch schrieb Bonello zusammen mit Thomas Bidegain. Der Film beschäftigt sich mit dem Leben des französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurent, konzentriert sich hierbei aber auf die Zeit zwischen 1967 und 1977. Insgesamt geht der Regisseur aber offensichtlich davon aus, dass der Zuschauer mit dem Leben und Werk des Designers vertraut ist, denn erklärt wird hier nichts. Im Gegenteil, er springt in die Geschichte hinein und auch wieder hinaus, manchmal auch hin und her, aber das war es dann auch schon.

Klingt das irgendwie so, als wäre ich mit dem Ergebnis unzufrieden? Ja, leider und ich bin durchaus mit der Geschichte vertraut, was sicher nicht für alle Zuschauer gilt. Dabei klang das alles doch so verlockend. Allein schon die Besetzung versprach ein wundervolles Filmerlebnis: Gaspard Ulliel, Jérémie Renier, Louis Garrel, Léa Seydoux, Valeria Bruni Tedeschi. Monatelang freute ich mich auf den Erscheinungstermin der DVD und dann? Ernüchterung und Enttäuschung. Mehr nicht. Und natürlich die Frage, wie man aus diesem Thema und mit dieser Besetzung so einen Quark erschaffen kann. Ich bin immer noch fassungslos.

Nun gut, die Schauspieler sind tadellos, die Ausstattung ist exquisit, die Kostüme sowieso. Allein, es fehlt das Herzblut, um aus einem Biopic einen interessanten Film zu machen. Nur schöne Bilder aneinanderzureihen reicht da leider nicht. Gezeigt werden Bilder von Yves Saint Laurent bei der Arbeit in seinem Atelier, von seinen Modeschauen, in seinen luxuriösen Appartements und in schicken Nachtclubs, das alles scheinbar endlos. Ebenso beim Feiern mit seinen Freunden und Musen, immer exzessiverer Drogen- und Alkoholkonsum inklusive, oder auch bei geschäftlichen Verhandlungen. Das alles ist in etwa so aufregend, als würde man Farbe beim Trocknen zusehen und über die unglaubliche Laufzeit von fast 135 Minuten besser als jedes Schlafmittel.

Für den Menschen Yves Saint Laurent oder auch für die Beziehung zu seinem jahrzehntelangen Lebensgefährten Pierre Bergé interessiert sich der Film dabei überhaupt nicht. Die Rolle des alternden Designers wird dann von Helmut Berger verkörpert, der zwar nur wenige Szenen hat, aber dessen Besetzung eigentlich ganz amüsant anmutet, wenn die Idee nicht sofort wieder in sich zusammenfallen würde. Warum nur liegt Helmut Berger als Yves Saint Laurent auf dem Bett und sieht sich einen Film mit dem jungen Helmut Berger an? Jede Wette, an der Stelle hat sich der Regisseur selbst für seinen tollen Einfall applaudiert. Ich habe jedenfalls nur mit den Augen gerollt.

Die DVD bietet den Film in der deutschen Synchronisation und in der französischen Originalfassung an, jedoch ohne deutsche Untertitel. Das ist ein weiterer Minuspunkt. Gut, interessante Dialoge gibt es im ganzen Film nicht, aber ich finde das Fehlen der Untertitel trotzdem sehr ärgerlich.

Schade, für mich ist "Saint Laurent" die größte Enttäuschung des letzten Jahres. Das Projekt klang so vielversprechend, wurde aber leider komplett gegen die Wand gefahren. Kann man gerne verpassen.


Sonntag, 3. Januar 2016

Phoenix

"Phoenix" ist ein Film von Christian Petzold aus dem Jahr 2014. Das Drehbuch schrieb Petzold zusammen mit Harun Farocki und basiert auf dem Krimi "Le retour des cendres" von Hubert Monteilhet.

Deutschland, im Sommer 1945. Die Jüdin Nelly (Nina Hoss) hat das Konzentrationslager Auschwitz überlebt, allerdings mehr tot als lebendig. Mit schwersten Gesichts- und Kopfverletzungen wird sie von ihrer Freundin Lene (Nina Kunzendorf) zur Behandlung in ein Krankenhaus gefahren, wo sich ein Chirurg (Michael Maertens) ihrer annimmt. Nelly will unbedingt wieder so aussehen wie früher, aber der Arzt gibt zu Bedenken, dass dies nicht möglich sein wird und rät ihr, ihren Entschluss zu überdenken. Sie könne sich eine neue Identität zulegen, aber Nelly ist fest entschlossen, an ihrem früheren Aussehen und Leben festzuhalten.

Zurück in Berlin kümmert sich Lene, die bei der Jewish Agency arbeitet, liebevoll um Nellys Wohlergehen, doch auch Monate später ist der Heilungsverlauf noch nicht abgeschlossen und Nelly ist über ihr Aussehen verzweifelt und erkennt sich nicht wieder. Lene will sich um Nellys Erbschaft kümmern, nachdem ihre gesamt Familie getötet wurde und so schnell wie möglich mit Nelly nach Palästina ausreisen, um dort ein neues Leben zu beginnen. Doch Nelly will davon nichts wissen, sie ist auf der Suche nach ihrem Mann Johnny (Ronald Zehrfeld). Was sie jedoch nicht weiß und was ihr Lene bisher verschwiegen hat, Johnny hat seine Frau seinerzeit an die Nazis verraten und trägt Schuld an ihrer Verhaftung.

Endlich findet Nelly Johnny in einer amerikanischen Bar, wo er als Aushilfe arbeitet, doch er erkennt sie nicht. Ihm fällt nur eine gewisse Ähnlichkeit zu seiner vermeintlich toten Ehefrau auf und so macht er der völlig verzweifelten Nelly ein irrwitziges Angebot. Sie soll sich als Nelly ausgeben und ihr Erbe antreten, das sie dann unter sich aufteilen würden. Fassungslos lässt sich Nelly tatsächlich darauf ein und zieht zu Johnny in seine karge Kellerwohnung, in der festen Hoffnung, er würde sie doch noch erkennen. Doch Johnny ist so damit beschäftigt, aus der für ihn fremden Frau ein Abbild Nellys zu erschaffen, dass er die Wahrheit einfach nicht sehen kann oder will. Als er schließlich und endlich begreift, wen er da vor sich hat, ist das für ihn ein Schock und es ist längst zu spät, den Fehler zu korrigieren.

Es wurde viel gemeckert über den Film und seinen Plot, was ich nicht nachvollziehen kann. Sicher muss man sich auf die Geschichte einlassen können, aber das funktioniert eigentlich sehr gut, was hauptsächlich an den großartigen Schauspielern liegt. Es ist eine düstere Geschichte über Schuld, Vergessen, Verdrängung und Lüge. Niemand will wissen oder darüber reden, was in den Jahren zuvor geschehen ist, alles wird ausgeblendet. Das Leben soll weitergehen, als wäre nichts geschehen.

Nelly will um jeden Preis wieder in ihr altes Leben zurück und dort anknüpfen, wo es einst so grausam zerrissen wurde. Erst spät erkennt sie wirklich, welche Schuld Johnny auf sich geladen hat. Zu der Zeit hat sich Lene bereits erschossen, weil sie sich den Toten näher fühlte als den Lebenden und sie die Welt um sich herum nicht mehr ertragen konnte. Und auch Nelly wirkt immer mehr wie ein Gespenst aus der Vergangenheit, die sich nicht wieder herstellen lässt.

Johnny wiederum ist in seinem Aktionismus und natürlich auch in der Verdrängung seiner Schuld so blind, dass er die Frau, die vor ihm steht tatsächlich nicht als seine eigene Ehefrau erkennt. Er hat den für ihn perfekten Plan entwickelt, Freunden und Familie 'seine' Nelly zu präsentieren, die mit rotem Kleid und Schuhen aus Paris in Berlin aus dem Zug steigt. Fühlt sich hier noch jemand an "Vertigo" erinnert? Richtig.

Die Schauspieler sind ein Traum, Nina Hoss, Ronald Zehrfeld und Nina Kunzendorf spielen herausragend und auch die Musik ("Speak Low" von Kurt Weill) passt wunderbar. "Phoenix" ist für mich einer der besten Filme des letzten Jahres und sehr empfehlenswert. Unbedingt anschauen.

Sonntag, 13. Dezember 2015

Unter der Haut

"Unter der Haut" ist ein Film von Claudia Lorenz (Regie) aus dem Jahr 2015 und gleichzeitig ihr Spielfilmdebüt. Das Drehbuch schrieb Claudia Lorenz zusammen mit Rolando Colla.

Erzählt wird die Geschichte einer Familie in der Schweiz, die gerade in eine neue Wohnung auf dem Land gezogen ist. Vater, Mutter, ein Sohn und eine Tochter im Teenager-Alter und noch eine kleine Tochter. Alles ist harmonisch, eine kleine Idylle. Aber Alice (Ursina Lardi) bemerkt an ihrem Ehemann Frank (Dominique Jann) bald ein paar Merkwürdigkeiten. Er ist verschlossen, wirkt unzufrieden, redet aber nicht darüber.

Als Alice auf dem Familien-Computer auf schwule Webseiten stößt, denkt sie zuerst an ihren Sohn, der ihre Bedenken aber gleich entkräftet. Langsam aber sicher stellt sich heraus, dass Frank auf diesen Seiten verkehrt, der bald auch nicht mehr leugnet, sich zu Männern hingezogen zu fühlen. Für Alice bricht eine Welt zusammen, aber noch will sie das alles nicht wahrhaben. Zunächst versucht sie noch, ihren Mann zum Reden zu bringen und ihn davon zu überzeugen, nur einer Laune zu folgen. Doch je mehr sie bettelt und fleht, ihn mit Körperlichkeiten an die gemeinsame Vergangenheit zu erinnern versucht, umso mehr entgleitet ihr Frank, der inzwischen schon in einen anderen Mann verliebt ist.

Bald schon ist klar, dass ein weiteres Zusammenleben nicht mehr möglich ist. Frank ist zerrissen zwischen der Liebe zu seiner Familie und der Liebe zu seinem Freund Pablo (Antonio Buil) und zieht aus der Familienwohnung aus.

Der Film bleibt nun ganz bei Alice und ihrem Umgang mit den Geschehnissen. Liebe, Wut und Verzweiflung reichen sich hier die Hand, bis zum totalen Zusammenbruch, aus dem die Kinder ihre Mutter herausholen müssen. Bis es einen Neuanfang gibt, ist ein Jahr vergangen. So etwas wie Normalität tritt langsam wieder ein und auch Frank taucht wieder in der Geschichte auf, über den wir in der Zwischenzeit nichts weiter erfahren haben.

Die Stärke dieses Films liegt auch darin, eben nicht alles bis zum Erbrechen zu erzählen, sondern durchaus auch Dinge auszulassen. Was genau Frank antreibt, wie sein Verhältnis zu Pablo ist, warum alles passiert ist, das wird nicht weiter thematisiert und das macht auch nichts. Dieser Film überzeugt in erster Linie durch perfektes Schauspiel und wunderbar starke Darsteller, die einfach in jeder Sekunde überzeugen können und den ganzen Film zu einem sehr sinnlichen Erlebnis machen. Das muss man auch erstmal schaffen.

Hier sind es vor allem Ursina Lardi und Dominique Jann, die ausgezeichnete Arbeit leisten und den Film durch ihre ausgesprochen sensible Darstellung extrem sehenswert machen. Ich kann nur eine ganz große Empfehlung aussprechen, es lohnt sich auf jeden Fall.

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Traumland

"Traumland" ist ein Film von Petra Volpe (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013. Kamerafrau war hier Judith Kaufmann, die Musik stammt von Apparat (Sascha Ring).

Zürich an Heiligabend. "O du fröhliche...", nein, eher nicht. Die Stadt ist im Weihnachtsrummel, die Menschen hetzen umher, bereiten sich auf das Fest am Abend vor. Alle sind glücklich, alle haben sich lieb, nein, auch das trifft hier nicht zu, das ist nur die Illusion, die Weihnachten verbreitet. Nicht nur hier, sondern überall.

Die Hauptperson in diesem außergewöhnlichen Film ist die achtzehnjährige Mia (Luna Zimic Mijovic), eine junge Prostituierte die aus Bulgarien stammt und hier in Zürich auf den Straßenstrich geht, um Geld für ihre Familie zu verdienen. Am nächsten Tag will sie nach Hause fahren und endlich wieder ihre kleine Tochter sehen, die derweil bei ihrer Mutter lebt. Doch im Laufe dieses Tages wird Mia vier Menschen begegnen, die ihr weiteres Schicksal, ohne es direkt zu wollen, auf furchtbare Weise bestimmen werden.

Die Sozialarbeiterin Judith (Bettina Stucky) arbeitet in der 'Oase', dem Anlaufpunkt für die Prostituierten auf dem Straßenstrich. Sie kümmert sich hingebungsvoll um die Frauen und lebt ihre eigenen Sexfantasien mit einem fremden Mann in einem Hotelzimmer aus, was ihr Ehemann Jonas (Stefan Kurt) schließlich herausfindet. Dieser Heiligabend ist schon mal gelaufen, denn Jonas verlässt Judith.

Der geschiedene Rolf (André Jung) ist ein Kunde von Mia und will den Abend eigentlich mit seiner Tochter verbringen, die aber nichts von ihm wissen will. Seinen alten Vater, der im Pflegeheim wohnt, stößt er vor den Kopf, als er ihn nicht wie geplant abholt, sondern ihm erzählt, er würde mit seiner Familie über Weihnachten verreisen, weil er ihm aus lauter Feigheit noch immer nichts von seiner Scheidung gesagt hat.

Die ältere Spanierin Maria (Marisa Paredes) ist verwitwet und ebenfalls einsam. Ihre einzige Tochter lebt in Hongkong. Maria ist die Nachbarin von Mia und nicht glücklich darüber, mit einer Nutte Tür an Tür zu leben. An diesem Tag fasst sich Maria ein Herz und lädt den ebenfalls verwitweten Spanier Juan (José Ángel Egido) ein, den Abend mit ihr zu verbringen, nicht ganz ohne Hintergedanken und in der Hoffnung auf ein wenig liebevolle Zuneigung.

Die hochschwangere Lena (Ursina Lardi) lebt mit ihrem Mann Martin (Devid Striesow) und ihrem gemeinsamen kleinen Sohn in einem schicken Haus in guten Verhältnissen. Hier scheint alles perfekt zu sein, das Haus, die Familie, bis Lena durch Zufall ein Päckchen Gleitmittel im Auto findet. Die Großeltern reisen zum Heiligabend an, doch Lena löchert ihren Mann weiterhin mit der Frage, ob und warum er zu Nutten geht. Im Familienkreis werden Plätzchen gebacken, alles geht seinen Weg, doch Lena lässt die Frage keine Ruhe.

Judith, Rolf, Maria und Lena, sie alle werden an diesem Tag auf Mia treffen, nicht ahnend, was sie damit anrichten. Mehr will ich hier nicht verraten, das sollte man sich selbst anschauen. Die eine oder andere Episode wird dabei sehr schmerzhaft werden, wenn man sich ansieht, wozu Menschen fähig sind. Es geht hier nicht nur um körperliche Gewalt, es geht um so viel mehr.

Viele Menschen sind einsam, das ganze Jahr über, aber Heiligabend ist der Tag, an dem sie es nicht ertragen können und vor allen Dingen nicht zugeben können, dass sie alleine sind. Es ist ein Makel, den man nicht sichtbar machen will. Petra Volpe greift dieses Thema ganz hervorragend auf und hat einen Film geschaffen, der nachdenklich macht.

Hier ist wirklich alles gelungen, die Bilder von Kamerafrau Judith Kaufmann, die unaufdringliche Musik von Apparat und die fabelhaften Leistungen der durchweg großartigen Schauspieler. Ein absolut sehenswerter Film, der unter die Haut geht und unbedingt angeschaut werden sollte. Ganz große Empfehlung von mir. Sollte man nicht verpassen, denn Filme wie diesen gibt es viel zu selten.

Sonntag, 27. September 2015

Bullhead

"Bullhead" - "Rundskop" ist ein Film von Michaël R. Roskam (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011 und das Langfilmdebüt des Belgiers.

Die Handlung beginnt als Krimi, die Polizei ist hinter der 'Hormonmafia' her, die florierende Geschäfte betreibt. Es geht um illegalen Fleischhandel und den verbotenen Einsatz von Hormonpräparaten in der Viehzucht. Daneben wird auch der Konflikt der Einwohner Belgiens untereinander angesprochen, nämlich zwischen den Bewohnern des Nordens, den Flamen, und den Bewohnern des Südens, den Wallonen. Nicht nur, dass man sich nicht mag, man versteht sich auch nicht, denn der Norden spricht niederländisch, der Süden aber französisch.

Das ist aber nur die Rahmenhandlung, die irgendwann auch nicht mehr so wichtig ist. Vielmehr geht es hier um den jungen Viehzüchter Jacky Vanmarsenille (Matthias Schoenaerts), der in der Provinz Limburg lebt. Er betreibt seinen Hof zusammen mit seinem Bruder Stieve (Kristof Renson), der dort mit seiner Familie lebt. Jacky ist ein Außenseiter, ein wortkarger Mensch, der sich aber durch seine imposante Statur Respekt verschafft. Schon früh wird der Zuschauer Zeuge, wie Jacky seinen Körper selbst mit Hormonen und Testosteron behandelt und diese Mittel nicht nur seinen Rindern spritzt.

Schon in seiner Kindheit hat Jacky von seinem Vater gelernt, das Vieh mit den entsprechenden Präparaten zu versorgen, um den Profit zu steigern. Ganz selbstverständlich hat er das übernommen und fortgeführt. Zusammen mit seinem Onkel Eddy (Jean-Marie LeSuisse) und dem befreundeten Veterinär Sam (Frank Lammers) führt er seine Geschäfte aus.

Sam will neue Kontakte knüpfen und in ein Geschäft mit Wallonen einsteigen, was Jacky jedoch missfällt. Gerade erst wurde ein Polizist ermordet, der gegen die Fleischmafia ermittelt hat. Zur gleichen Zeit taucht in Jackys Umfeld sein früherer Jugendfreund Diederik (Jeroen Perceval) auf, der als heimlicher Informant für die Polizei arbeitet. Die beiden ehemaligen Freunde haben sich seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen und Diederiks Auftauchen bedeutet für Jacky die Wiederkehr schmerzhafter Erinnerungen, die nun nicht mehr unterdrückt werden können.

Jacky fährt nach Lüttich, um Kontakt zu Lucia (Jeanne Dandoy) aufzunehmen, die dort eine Parfümerie betreibt. In Lucia hatte er sich zwanzig Jahre zuvor verliebt, diese aber nie angesprochen. Sein linkisches Auftreten verunsichert die junge Frau, die in dem bulligen Mann aber nicht den Jungen von früher erkennt. Währenddessen ermittelt die Polizei weiter und durch Zufall gerät Jacky ins Visier der Beamten. Diederik erkennt die Situation und will seinen Freund retten, aber dafür ist es längst schon zu spät. Jacky weiß, dass er nichts mehr zu verlieren hat und versucht erneut, sich Lucia anzunähern. Die Katastrophe lässt sich jedoch schon nicht mehr aufhalten.

Wow, was für ein Film. Wer ihn bereits gesehen hat, der weiß wovon ich rede. Ich habe hier auch ganz bewusst die tragische Geschichte in Jackys Kindheit unerwähnt gelassen, um die Spannung nicht zu verderben. Der Vorfall wird zwar schon im ersten Drittel des Films gezeigt, ist aber dennoch von enormer Sprengkraft und erklärt das tragische Leben und Leiden Jackys genauer und verdeutlicht gleichzeitig, wie er zu dem wurde, der er heute ist.

Die Darstellung von Matthias Schoenaerts lässt sich eigentlich nicht in Worte fassen, er haut den Zuschauer glatt um. Immer wieder wird er halbnackt in seinem Badezimmer gezeigt, wo er seinen massigen Körper trainiert und sich mit Hormonpräparaten versorgt. Sein trauriges Gesicht nimmt einen dabei gefangen, weil man mit ihm mitleidet. Seine unerfüllte Suche nach Liebe und Zuneigung, nach einem normalen Leben, brennt sich ein. Ich habe selten etwas so Berührendes gesehen.

Kameramann Nicolas Karakatsanis hat großartige Bilder eingefangen und damit eine Atmosphäre geschaffen, die unter die Haut geht. Die Landschaft ist gleichzeitig schön und trist und passt ganz wunderbar zur Handlung. Insgesamt gesehen ist der Film natürlich schwere Kost und nicht für einen netten Filmabend geeignet, aber manchmal muss so etwas auch genau so sein: Ein Film, der nachwirkt und den man so schnell nicht wieder vergisst. Das ist dem Regisseur hier definitiv gelungen.

Von mir gibt es auf jeden Fall eine ganz große Empfehlung, es lohnt sich. Matthias Schoenaerts ist für mich persönlich die Entdeckung des Jahres und gerade in dieser Rolle absolut sehenswert.

      

Mittwoch, 23. September 2015

Eine neue Freundin

"Eine neue Freundin" - "Une nouvelle amie" ist ein Film von François Ozon (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2014 und beruht lose auf einer Kurzgeschichte von Ruth Rendell.

Claire (Anaïs Demoustier) und Laura (Isild De Besco) waren unzertrennliche Freundinnen seit Kindestagen und ihre Freundschaft sollte für "immer und ewig" halten. Sie teilten alles miteinander, die lebenslustige Laura und die eher schüchterne Claire und waren immer füreinander da. Selbst ihre Hochzeiten fanden am gleichen Tag statt. Laura heiratete David (Romain Duris) und Claire heiratete Gilles (Raphaël Personnaz). Als Laura und David ein Baby bekamen, ein Mädchen namens Lucie, wurde Claire selbstverständlich ihre Patentante. Da war Laura schon schwer erkrankt und starb kurze Zeit später. Bei ihrer Trauerfeier versprach Claire, sich immer um Lucie und David kümmern zu wollen.

Was bis hier schon recht umfangreich klingt, erzählt Ozon in nicht einmal acht Minuten, denn diese Vorgeschichte bereitet den Anfang der eigentlichen Handlung vor, die ab da losgeht. Claire ist in ihrer Trauer um Laura gefangen, sie schafft es nicht David und Lucie zu besuchen, weil sie dort alles nur an ihre tote Freundin erinnern würde. Als sie sich doch endlich zu einem Besuch aufrafft, trifft sie im Wohnzimmer des stattlichen Hauses auf eine blonde Frau, die dem Baby gerade sein Fläschchen gibt. Entsetzt erkennt sie David, der eine Perücke trägt und eines von Lauras Kleidern.

David ist bemüht, Claire seine Verkleidung zu erklären. Zuerst tat er es, um das Baby zu beruhigen, das in ihm die vertraute Mutter zu erkennen glaubte, aber eigentlich hatte er schon immer großes Vergnügen daran, sich Frauenkleider anzuziehen. Laura wusste davon, aber während ihrer gemeinsamen Zeit hat David ihre Weiblichkeit gereicht und das Verlangen ließ nach. Nun aber würde er gerne seine weibliche Seite ausleben wollen und mit Lust Kleider tragen, Perücken aufsetzen und sich schminken. Claires anfängliche Bedenken beginnen zu schwinden, sie freundet sich mehr und mehr mit dem Gedanken an und wird für David zur Verbündeten.

Aus David wird Virginia, erst nur im Geheimen, aber dann unternehmen die beiden auch gemeinsame Shoppingtouren im Einkaufszentrum und haben dabei viel Spaß. David/Virginia wird im Laufe der Zeit immer stilsicherer und auch Claire verändert sich. Sie entdeckt ihre eigene Weiblichkeit und ihre Sexualität neu und profitiert davon. Ihr Ehemann Gilles weiß derweil nichts von Davids Geheimnis. Nur durch Zufall erfährt er von einem gemeinsamen Ausflug der beiden ins Landhaus von Lauras Eltern.

Viel mehr will bzw. kann ich hier nicht erzählen, das muss man sich schon selbst anschauen. Es wird auch noch ein bisschen dramatisch, aber es wird auch noch wunderschön und es ergibt sich eine Liebesgeschichte, wie man sie so wohl noch nicht sehr oft in Filmen gesehen hat.

François Ozon liebt das Melodram, die üppigen Bilder, die großen Gefühle, einfach alles was nicht in den Mainstream passt und das ist auch gut so. Wir sehen Häuser und Grundstücke, die nicht der Norm entsprechen und in denen ohne jeden Zweifel auch ein Douglas Sirk-Film spielen könnte. Genau das ist das Anliegen von Ozon, der sich stets das märchenhafte bewahrt und auch auskostet. Sein Film soll nicht die Realität abbilden, sondern seine Sicht der Dinge, wie sie sein könnte. Und das gelingt ihm auch hier wieder grandios. Vergessen wir hier einfach mal alle überflüssigen Gender-Debatten und erfreuen wir uns an einer zauberhaften Liebesgeschichte, die einfach schön, aber nicht unmöglich ist.

Unterlegt ist das alles mit einer sehr gelungenen Musikauswahl und natürlich mit Bildern, die einfach wunderschön sind. Die Besetzung ist traumhaft gewählt, neben Romain Duris, der mich hier doch sehr positiv überrascht hat, ist es vor allem Anaïs Demoustier, die alle Blicke auf sich zieht. Sehr gelungen.

Was soll ich noch sagen? Ach ja, meine 900. Filmkritik auf diesem Blog und noch dazu ein Film von meinem Lieblings-Regisseur. Da kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen und da ist auch ein bisschen Schwärmerei (wie üblich) erlaubt. Bitte auch auf den kleinen Cameo-Auftritt von Ozon (im Kino) achten. Für den Film gibt es, wie könnte es anders sein, eine ganz große Empfehlung von mir. Unbedingt anschauen und verzaubern lassen. Es lohnt sich.