Sonntag, 26. Januar 2014

Gloria

"Gloria" ist ein Film von Sebastián Lelio aus dem Jahr 2013. Das Drehbuch schrieb Lelio zusammen mit Gonzalo Maza.

Gloria (Paulina Garcia) ist Ende Fünfzig, lebt in Santiago de Chile und ist seit langer Zeit geschieden. Ihre erwachsenen Kinder Pedro (Diego Fontecilla) und Ana (Fabiola Zamora) leben ihr eigenes Leben und melden sich nur gelegentlich bei ihrer Mutter. Doch Gloria gehört noch nicht zum alten Eisen, sondern ist sehr lebenslustig und besucht regelmäßig Single-Partys, um sich abzulenken. Sie ist berufstätig, unabhängig, immer noch sehr attraktiv und irgendwie auf der Suche nach Liebe.

Eines Abends lernt Gloria den etwas älteren Rodolfo (Sergio Hernández) kennen und zwischen ihnen entsteht sofort eine starke Vertrautheit. Sie werden ein Liebespaar, haben Sex, alles könnte wunderbar sein, aber Rodolfo ist nicht so frei, wie er vorgibt. Er kümmert sich mit Hingabe um seine Familie, die das auch nur zu gern ausnutzt. Seine Ex-Frau und die zwei erwachsenen Töchter sind völlig unselbständig und nicht in der Lage, auch nur irgendetwas allein zu erledigen. Auch finanziell sind sie von ihm abhängig und ständig klingelt sein Telefon, weil er sich um alles mögliche kümmern muss.

Gloria sieht sich das eine Weile an, reagiert verständnisvoll, aber dann reicht es ihr auch. Nachdem Rodolfo sie zweimal hat sitzen lassen, um bei seiner Familie zu sein, rächt sie sich auf ihre Weise. Das ist dann sehr schön anzusehen und ein kleines Highlight dieses Films. Ich sage nur "Paintball". Wer den Film gesehen hat, der versteht das schon.

Hm, ich hatte mich eigentlich auf diesen Film gefreut, der so viele positive Bewertungen erhalten hat. Leider hatte ich schon nach ungefähr zehn Minuten das Bedürfnis die Stop-Taste zu drücken, habe aber tapfer bis zum Ende durchgehalten, weil ich den Film dann doch auch ganz sehen wollte. Gelohnt hat sich das allerdings nicht, denn so nett sich das alles auch anhört, wirklich gelungen ist es nicht.

Dabei muss ich zunächst erwähnen, dass Paulina Garcia wirklich wundervoll in ihrer Rolle ist. Ihre Darstellung der Gloria ist bewundernswert und äußerst gelungen. Sie zeigt keine Scheu in den Nacktszenen und erobert sämtliche Herzen mit ihrer Ausstrahlung. An ihr liegt es jedenfalls nicht, wenn dieser Film nach und nach zeigt, dass er mehr verspricht, als er letztlich einhält.

Ich kann es auch nicht recht in Worte fassen, aber irgendwie hat mich das alles nicht berührt, sondern extrem gelangweilt. Schade, die wunderbare Paulina Garcia hätte einen besseren Film verdient. Kann man sich ansehen, muss man aber nicht.


Samstag, 25. Januar 2014

The Journey of Jared Price

"The Journey of Jared Price" ist ein Film von Dustin Lance Black (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2000 und entstand mit minimalem Budget ($ 30.000) innerhalb weniger Drehtage.

Der junge Jared Price (Corey Spears) kommt aus einem kleinen Ort in Georgia nach Los Angeles. Er bezieht ein Zimmer in einem günstigen Hostel, das er sich aber mit einem Mitbewohner teilen muss. Ebenfalls in diesem Hostel wohnt Robert (Josh Jacobson), der sich mit Jared anfreundet. Roberts Zuneigung zu Jared geht über eine Freundschaft hinaus, was Jared zunächst irritiert.

Auf der Suche nach einem Job landet Jared bei der älteren und blinden Mrs. Haines (Rocki Craigg) als Pfleger. Mrs. Haines ist eine wohlhabende Dame und lebt allein in einem großzügigen Haus. Sie ist die Witwe eines erfolgreichen Filmregisseurs, der schon vor langer Zeit gestorben ist. Ihr Sohn Matthew (Steve Tyler) lässt sich nur selten bei seiner Mutter sehen. Matthew ist Ende Dreißig, ein vermögender Geschäftsmann und seit ein paar Jahren mit seinem jüngeren Partner Andrew (Bryan Shyne) liiert. Doch so langsam ist er von ihrem gemeinsamen Sexleben gelangweilt und auf der Suche nach neuen Erlebnissen.

Matthew hat gleich ein Auge auf Jared geworfen, überredet seine Mutter, ihn in ihrem Haus einziehen zu lassen und macht sich bei der ersten Gelegenheit an Jared heran. Der weiß gar nicht so recht was mit ihm passiert, fühlt sich aber bald schon ebenfalls zu Matthew hingezogen. Doch Matthew will Jared nur als neues Spielzeug gebrauchen, um seine Beziehung zu Andrew aufzufrischen. Als Jared das durchschaut, kündigt er die Stelle bei Mrs. Haines.

Jared erkennt, sich in den falschen Mann verliebt zu haben, aber da ist ja auch noch Robert, der gerade eine kleine Wohnung bezieht und sich über das Wiedersehen mit Jared freut.

Ja, es gibt ein Happy End und das ganz ohne Geheule und Gekreische, wie schön. Dieser wunderbare kleine Independent-Film ist einfach nur gut gelungen und überaus sehenswert. Das liegt unter anderem auch an den fabelhaften und sehr sympathischen Darstellern, die ihre Sache hier sehr gut machen. Man begleitet sie gerne durch den Film und fühlt mit ihnen.

Regisseur und Drehbuchautor Dustin Lance Black erzählt hier in seinem Spielfilmdebüt eine kleine und ehrliche Story, die seiner eigenen Geschichte sogar recht ähnlich ist, der Mann weiß also, wovon er redet. Im Jahr 2009 gewann er übrigens den Oscar für sein Drehbuch zu "Milk" und er engagiert sich stark für die Rechte von Schwulen und Lesben. Ein toller Mann und eine großartige Persönlichkeit.

Das wirklich kleine Budget sieht man dem Film zwar mitunter an, aber das macht überhaupt nichts, denn man spürt in jeder Szene die Liebe und das Engagement des ganzen Teams. Es gibt auch noch ein kurzes Making Of, das ich ebenfalls sehr empfehlen kann. Diesen Film sollte man nicht verpassen.


Sonntag, 19. Januar 2014

Die Zeugen

"Die Zeugen" - "Les témoins" ist ein Film von André Téchiné aus dem Jahr 2007. Das Drehbuch schrieb Téchiné zusammen mit Laurent Guyot und Viviane Zingg.

Der hübsche junge Manu (Johan Libéreau) kommt im Sommer 1984 nach Paris, um seine ältere Schwester Julie (Julie Depardieu) zu besuchen, die angehende Opernsängerin ist und ein Zimmer in einem Stundenhotel bewohnt. Im Gegensatz zu seiner Schwester, die eher schüchtern und zurückhaltend ist, steckt Manu voller Leben und stürzt sich sogleich ins Nachtleben der Stadt und besucht die einschlägigen Cruising-Plätze. In einem Park lernt er den älteren Arzt Adrien (Michel Blanc) kennen, der auf der Suche nach hübschen jungen Männern ist. Zwischen ihnen entwickelt sich gleich eine besondere Freundschaft, die allerdings rein platonisch bleibt, sehr zu Adriens Bedauern.

Adrien verliebt sich auf der Stelle in Manu und beide verbringen viel Zeit miteinander. Zusammen besuchen sie Freunde von Adrien in ihrem Ferienhaus am Meer. Sarah (Emmanuelle Béart), eine Kinderbuchautorin, und ihr Mann Mehdi (Sami Bouajila), ein Inspektor bei der Sittenpolizei in Paris, sind gerade Eltern eines kleinen Jungen geworden und besonders Sarah kommt mit der neuen Situation nicht klar. Sie fühlt sich überfordert mit dem Kind, kann keine Beziehung zu ihm aufbauen und leidet zudem noch unter einer Schreibblockade.

Sarah und Mehdi führen eine offene Ehe. Sie lieben sich, aber sie gestatten sich gegenseitig Affären, um ihre Liebe am Leben zu erhalten. Völlig unerwartet beginnen Manu und Mehdi eine leidenschaftliche Affäre miteinander, die den anderen Beteiligten aber zunächst verborgen bleibt. Manu nimmt einen Job auf einem Campingplatz an, der außerhalb von Paris liegt. Hier wird er regelmäßig von Mehdi besucht, während Adrien sich in Paris in seine Arbeit stürzt, um über den Verlust von Manus Gesellschaft hinwegzukommen.

Adrien versucht sich mit anderen Bekanntschaften zu trösten, aber es klappt nicht. Als er Manu besucht, erzählt ihm dieser, sich mit Mehdi zu treffen. Adrien ist außer sich vor Wut, doch dann entdeckt er an Manus Oberkörper merkwürdige Flecken und lässt ihn untersuchen. Manu hat Aids, diese neue und noch weitgehend unbekannte Krankheit, die bereits zahlreiche Tote gefordert hat. Der immer schwächer werdende Manu zieht sich zurück und trifft Mehdi nicht mehr.

Als Mehdi von Manus Zustand erfährt überkommt ihn Panik. Er und Sarah lassen sich testen, doch erst durch Adrien erfährt Sarah die Wahrheit über Manu und Mehdi. Manu stirbt schließlich und Sarah verarbeitet seine Lebensgeschichte in einem Roman.

Adrien hat einen neuen jungen Freund, den Amerikaner Steve (Lorenzo Balducci), der ihn wieder zurück ins Leben holt. Julie wird Paris verlassen, um nach München zu gehen, wo gerade französische Sänger gesucht werden. Zum ersten Geburtstag von Sarahs und Mehdis Sohn besuchen Adrien und Steve die kleine Familie wieder in ihrem Haus am Meer. Vieles ist passiert im letzten Jahr, aber das Leben geht weiter...

Der Film ist in drei Kapitel aufgeteilt: "Die schöne Zeit - Sommer 1984", "Krieg - Winter 1984/1985" und "Wieder Sommer - 1985". In wirklich wunderschönen Bildern von Kameramann Julien Hirsch erzählt André Téchiné hier eine zu Herzen gehende Geschichte, die sehr berührend ist, aber nie kitschig oder deprimierend wird. Auch wenn der Tod und besonders die damals noch tödliche Krankheit im Mittelpunkt stehen, hier wird das Leben gefeiert. Das ist dem Regisseur extrem gut gelungen. Er verharmlost nichts, er zeigt vielmehr auf, wie Aids in das Leben der Menschen Einzug gehalten hat. Einige Kritiker könnten das ein bisschen zu seicht finden, aber das ist es ganz und gar nicht.

Bei der Besetzung hat André Téchiné ebenfalls ein sehr gutes Händchen gehabt, denn schon allein der junge Johan Libéreau ist eine wahre Offenbarung. Er ist absolut hinreißend und gewinnt mit seinem unglaublichen Lächeln sofort alle Herzen. An seiner Seite können aber Michel Blanc und Sami Bouajila ebenso überzeugen, die fabelhaft in ihren Rollen sind. Bei den weiblichen Darstellerinnen ist besonders Julie Depardieu zu erwähnen, die Manus Schwester verkörpert. Eine kleine, aber feine Rolle. Zu Emmanuelle Béart möchte ich mich hier nicht weiter äußern, ihre Schlauchbootlippen machen es mir unmöglich, sie als Schauspielerin ernst zu nehmen.

Insgesamt gesehen ein absolut empfehlenswerter Film, der gerade neu auf DVD erschienen ist und den man nicht verpassen sollte. Nur im Original mit deutschen Untertiteln, so wie es sein soll.


Sonntag, 12. Januar 2014

Ein brennender Sommer

"Ein brennender Sommer" - "Un été brûlant" ist ein Film von Philippe Garrel aus dem Jahr 2011. Das Drehbuch schrieb Garrel zusammen mit seiner Frau Caroline Deruas-Garrel und Marc Cholodenko.

Der Film beginnt mit dem Selbstmord von Frédéric (Louis Garrel), der mit seinem Auto gegen einen Baum rast. In Rückblenden erzählt sein bester Freund Paul (Jerôme Robart), was ihn dazu getrieben hat. Über einen gemeinsamen Freund haben sich Paul und Frédéric kennengelernt. Frédéric war Maler und mit der schönen Angèle (Monica Bellucci), einer älteren Schauspielerin verheiratet. Paul wollte Schauspieler werden, arbeitete als Statist und lernte bei einem Dreh seine Freundin Élisabeth (Céline Sallette) kennen.

Frédéric und Angèle verbrachten den Sommer in Rom und luden Paul und Élisabeth ein, sie dort zu besuchen. In schöner Umgebung verlebten die Freunde ruhige Tage, die aber immer mehr von der wachsenden Eifersucht Frédérics gestört wurden. Angèle gestand Élisabeth, diverse Affären gehabt zu haben, aber nur, weil auch Frédéric fremdging. Élisabeth hingegen fühlte sich von Paul vernachlässigt, weil der viel Zeit mit Frédéric verbrachte.

Angèle verliebte sich schließlich in Roland (Vladislav Galard), einen gemeinsamen Freund, für den sie Frédéric verließ. Frédéric war am Boden zerstört, ein Leben ohne Angèle konnte er sich nicht vorstellen. In der Zwischenzeit wurde Élisabeth schwanger und sie und Paul zogen zurück nach Paris. Der Kontakt zu Frédéric riss ab, auch wenn man sich immer wieder versicherte, sich anrufen zu wollen. Der letzte Anruf kam dann aus dem Krankenhaus, wo Paul den im Sterben liegenden Frédéric noch besuchen konnte.

Eines gleich vorweg, Filme von Philippe Garrel bekommt man hier in Deutschland ja eher selten zu sehen, also muss man sich schon glücklich schätzen, einen davon zu erwischen. Diesen hier konnte ich leider nur in der deutschen Synchronfassung sehen, die bei französischen Filmen meistens schlecht ist, so auch in diesem Fall. Wer sucht da eigentlich die Sprecher aus? Gut, ich habe schon Schlimmeres erlebt, aber ganz besonders die deutsche Stimme von Louis Garrel ist grauenvoll und passt überhaupt nicht zu ihm. Solche Filme sollten immer im Original gesehen werden, also würden deutsche Untertitel schon genügen. Die gibt es hier aber leider nicht. Sehr schade.

Einen wunderbaren Kurzauftritt hat hier Maurice Garrel, Vater von Philippe und Großvater von Louis, in seiner letzten Rolle vor seinem Tod. Louis Garrel ist wie üblich hinreißend, er trägt den ganzen Film. Er ist wunderbar anzusehen, leicht zerknautscht wie immer und einfach großartig. Monica Bellucci wirkt hier eher wie ein Fremdkörper, stakst wie ein Pin-up durch den Film und ist zwar sehr schön, aber leider nicht talentiert. Sorry, aber so ist es nun mal.

Der Film an sich wirkt fast ein wenig altmodisch und aus der Zeit gefallen, was aber nicht negativ gemeint ist. Man muss sich schon darauf einlassen können, dass eigentlich kaum etwas passiert. Die Bilder sprechen für sich, die Geschichte ist relativ unspektakulär, gefällt aber trotzdem. Die Musik stammt übrigens von John Cale, unverkennbar und wunderschön. Also wer Lust auf einen kleinen, aber feinen französischen Film hat, bitte sehr.

Samstag, 11. Januar 2014

Sorcerer

"Sorcerer" - "Atemlos vor Angst" ist ein Film von William Friedkin aus dem Jahr 1977. Das Drehbuch stammt von Walon Green und basiert auf dem Roman "Le salaire de la peur" von Georges Arnaud. William Friedkin hat diesen Film Henri-Georges Clouzot gewidmet, der den gleichen Stoff bereits 1953 verfilmt hat. Die Rechte für den Roman hatte immer noch Georges Arnaud, trotz der ersten Verfilmung durch Clouzot, doch Friedkin besuchte auch den schon schwer erkrankten Clouzot, um sein Einverständnis einzuholen.

Die Handlung ist zum großen Teil identisch mit der in Clouzots "Lohn der Angst", allerdings gelingt es Friedkin hier doch, einen völlig eigenständigen Film zu entwerfen. Er zeigt am Anfang die Vorgeschichte seiner vier Protagonisten, die in Vera Cruz, Jerusalem, Paris und New Jersey spielt. Alle vier haben Dreck am Stecken und müssen untertauchen. Sie alle landen in einem kleinen Ort irgendwo in Südamerika, haben kein Geld und keine Zukunft. Es muss schon ein Wunder geschehen, um von hier wieder verschwinden zu können.

Nach der Explosion auf einem Ölfeld, das nur mit einer gezielten Sprengung zu löschen ist, werden zuverlässige Männer gesucht, die eine Ladung Nitroglyzerin dorthin transportieren können. Es ist eine heikle Aufgabe, denn der Sprengstoff wurde falsch gelagert und kann bei der kleinsten Erschütterung hochgehen. Die Fahrer müssen gut zweihundert Meilen mit der gefährlichen Fracht überstehen. Es wird eine Höllentour, denn Straßen gibt es hier nicht wirklich und der Dschungel steckt zudem voller Überraschungen.

Die vier Männer, die sich mit zwei Lastkraftwagen auf den Weg machen, sind Dominguez (Roy Scheider), Nilo (Francisco Rabal), Serrano (Bruno Crémer) und Martinez (Amidou). Als Lohn winken ihnen viel Geld und neue Pässe, also ein neues Leben, falls sie den Auftrag erfolgreich ausführen können.

Der Alptraum beginnt. Mit selbst zusammengebauten Lastkraftwagen, die aussehen als hätte ein Monster sie gefressen und wieder ausgespuckt, machen sich die vier Männer auf den Weg durch den Dschungel. Die Wege sind brüchig und voller Gefahren und die Straßenkarte erweist sich als nutzlos. Die Nerven liegen blank und die Angst ist spürbar. Den Höhepunkt bildet die Überquerung einer schwankenden und brüchigen Hängebrücke während eines Unwetters. Das ist nervenzerfetzend bis zum Umfallen und mit Abstand das gruseligste, das ich bisher gesehen habe.

Doch damit hören die Schwierigkeiten nicht auf, denn plötzlich liegen auch noch etliche Bäume im Weg, die nicht einfach nur so weggeschafft werden können. Blanke Verzweiflung, trotziger Mut und unbedingte Entschlossenheit treiben die Männer voran, die auf gar keinen Fall aufgeben wollen. Doch auch hier überlebt nur einer der Männer (Roy Scheider) und kann den Sprengstoff übergeben. Wieder zurück im Dorf wartet auf ihn aber eine ganz andere Überraschung...

Was für ein genialer Film, den leider kaum jemand kennt, weil er seinerzeit ein Flop war. Zur falschen Zeit erschienen, als niemand dieses düstere Meisterwerk sehen wollte. Die DVD ist bisher nur als Import zu bekommen, aber es soll irgendwann eine Neuveröffentlichung geben, habe ich jedenfalls gelesen. Das Original geht rund 120 Minuten, die deutsche Fassung jedoch nur etwa 88 Minuten. Die Import-DVD hat die originale Fassung mit der gesamten Länge.

Wünschenswert wäre eine Fassung mit deutschen Untertiteln, obwohl gar nicht so viel gesprochen wird, es ist auch so gut verständlich, und ein paar Extras zum Film. Friedkins Kommentar dazu wäre natürlich sehr zu begrüßen.

Wie auch immer, der Film ist toll und absolut sehenswert. Es gibt viele sensationelle Szenen, wie z. B. am Ende, wenn Roy Scheider wie in einem Fiebertraum in der Gegend umherirrt "Where am I goin'". Besonders erwähnenswert ist auch die hypnotische Musik von Tangerine Dream, die den Film perfekt untermalt.

Es ist wirklich schade, dass dieser fabelhafte Film so unbekannt ist. William Friedkin ist einer der besten Regisseure aller Zeiten und auch dieses Werk sollte endlich entsprechend gewürdigt werden. Zudem hat er hier mit Roy Scheider und Bruno Crémer zwei überragende Darsteller gefunden, die das Publikum in ihren Bann ziehen. Sehr gelungen.

Montag, 6. Januar 2014

Lohn der Angst

"Lohn der Angst" - "Le salaire de la peur" ist ein Film von Henri-Georges Clouzot aus dem Jahr 1953. Das Drehbuch schrieb Clouzot zusammen mit Jérôme Géronimi und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Georges Arnaud.

Las Piedras ist ein kleiner Ort in Südamerika, der von Armut beherrscht wird. Hier landen diverse gescheiterte Existenzen aus aller Welt, die alle nur einen Wunsch haben: Bloß weg von hier. Aber ohne Geld sitzen sie hier fest, vertreiben sich die Zeit in der örtlichen Kaschemme und leiden unter der Hitze. Die amerikanische Ölgesellschaft "Southern Oil Company" bestimmt weitgehend das Leben im Dorf, aber sonst gibt es hier nichts.

Die Männer, die hier festsitzen, sind alle auf der Flucht vor ihrem bisherigen Leben. Jeden hat etwas anderes hergeführt, man spricht nicht darüber, aber sie sind auf gewisse Art und Weise alle skrupellos. Es gibt oft Streit in der Bar, aber es gibt eben kein Entkommen. Die hübsche, aber etwas naive Linda (Véra Clouzot) ist die Bedienung in der Bar und gleichzeitig die einzig erwähnenswerte Frauenrolle in diesem Film. Sie ist in Mario (Yves Montand) verliebt, einen Franzosen, den das Schicksal ebenfalls hierher verschlagen hat.

Eines Tages gerät eine Ölquelle der SOC in Brand, die 500 km entfernt liegt. Bill O'Brien (William Tubbs), der Leiter der SOC in Las Piedras, hat einen verwegenen Plan, den Brand zu stoppen. Er verfügt vor Ort über einen großen Vorrat an Nitroglyzerin, das den Brand durch eine riesige Explosion löschen soll. Das Problem besteht nun darin, das Nitroglyzerin zu dem 500 km entfernten Brandherd zu befördern. Da die Ladung hochexplosiv und gefährlich ist, sollen vier Männer engagiert werden, die mit zwei Lastwagen auf den Weg gebracht werden sollen, in der Hoffnung, dass zumindest einer von ihnen dort auch unversehrt ankommt.

Ein Himmelfahrtskommando, im wahrsten Sinne des Wortes. O'Brien macht sich unter den Männern des Dorfes auf die Suche nach vier wagemutigen Abenteurern, denen entweder ein größerer Geldbetrag oder der nackte Tod winkt. Er entscheidet sich für Mario, den aus Deutschland stammenden Bimba (Peter van Eyck), den Italiener Luigi (Folco Lulli) und schließlich für den älteren Franzosen Jo (Charles Vanel), der als Ersatz für einen anderen Mann in letzter Sekunde einspringt. Mit dem versprochenen Geld wollen die Männer ein neues Leben beginnen, falls sie es nicht bereits vorher verloren haben.

Die Fahrt geht los, Mario und Jo sind als erste unterwegs, gefolgt von Bimba und Luigi. Sie sollen großen Abstand zueinander halten, was aber nie wirklich gelingt. Mal sind die einen zu schnell, die anderen zu langsam oder sie kommen überhaupt nicht weiter, weil ein Hindernis auf der unwegsamen Straße liegt und beseitigt werden muss. Die Nerven liegen blank, der Schweiß läuft in Strömen und bald schon sind die neuen Uniformen verschwitzt und zerrissen.

Die vier Männer gehen ganz unterschiedlich mit der Situation um. War es am Anfang noch Mario, der große Angst hatte und sich von dem selbstsicheren Jo Mut zusprechen lassen musste, wird Jo nach kurzer Zeit zu einem ängstlichen Nervenbündel, während Mario immer stärker und mutiger wird. Luigi hat sowieso nichts mehr zu verlieren, seine Gesundheit ist stark angegriffen, ihn bringt nichts mehr aus der Ruhe und Bimba entkam einst einem Nazi-Arbeitslager, er lässt sich keine Angst anmerken, sondern fügt sich in sein Schicksal, wie immer es auch aussehen mag, Hauptsache er ist gut rasiert.

Die Fahrt wird zu einem Höllentrip, die Straßen sind schwer zu befahren, besonders für die Lastwagen mit ihrer empfindlichen Ladung. Jede Unebenheit könnte das Ende sein, eine morsche Holzrampe wird zur Tortur für alle Beteiligten und dann muss auch noch ein großer Felsbrocken gesprengt werden, der den Weg versperrt.

All diese Schwierigkeiten werden überwunden, doch plötzlich explodiert der LKW von Luigi und Bimba, was Mario und Jo nur aus der Ferne mit ansehen können. Das ergibt ein neues Problem, denn der Krater, den diese Explosion hinterlassen hat, füllt sich mit Öl aus einer geborstenen Pipeline. Nur mit Mühe schafft es Mario, den LKW durch das Loch zu bugsieren, wobei Jo schwer verletzt wird. Sie erreichen schließlich ihr Ziel, aber Jo erliegt seinen Verletzungen. Am nächsten Morgen macht sich Mario auf den Weg zurück, hat das Geld in seiner Tasche und wird übermütig. In einer Steilkurve kommt er von der Straße ab und stürzt in den Abgrund.

Ein wirklich packender Film, der wohl niemanden kalt lässt. Dabei lässt sich Henri-Georges Clouzot viel Zeit, seine Charaktere einzuführen. Bei einer Laufzeit von gut 150 Minuten beschäftigt er sich nämlich eine gute Stunde mit dem Leben im Dorf, was zu einigen Längen führt. Als die Fahrt aber endlich losgeht, zieht er die Spannungsschraube langsam bis zum Anschlag an und der Zuschauer hat keine ruhige Minute mehr. Man schwitzt und leidet mit, hält den Atem an und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Das ist ganz großes Kino und für einen Film von 1953 überragend gelungen. Wenn man sich die ganzen Special Effects von heute so ansieht, dann muss man eben zugeben, es geht auch anders, seht her. Mit minimalen Mitteln wurde hier ein maximales Ergebnis erzeugt. Wobei es die Dreharbeiten auch in sich hatten und es einige schlimme Unfälle gegeben hat, wie zu lesen war.

Sehr amüsant fand ich übrigens die Szenen, in denen ein paar Einheimische ins Bild gerückt wurden. Seht her, wir sind in Venezuela, dabei wurde der ganze Film in Frankreich gedreht. Gut, ich will hier nicht meckern, außer vielleicht über die einzige Frauenfigur im Film, die von Véra Clouzot in ihrem Filmdebüt dargestellt wird. Sie ist für diese Rolle ein bisschen zu schön und zu mondän, ihre dabei aber immer zur Schau getragene sehr kindliche und naive Art hat mich zumindest genervt. Aber um sie geht es hier ja auch nicht.

Die Hauptdarsteller Yves Montand, Charles Vanel, Peter van Eyck und Folco Lulli sind großartig in ihren Rollen und machen diesen Film zu einem Erlebnis. Ein Klassiker, der einem die Haare zu Berge stehen lässt und für Schweißausbrüche sorgt. Ganz große Empfehlung.

Sonntag, 5. Januar 2014

Oslo, 31. August

"Oslo, 31. August" ist ein Film von Joachim Trier aus dem Jahr 2011. Das Drehbuch schrieb Trier zusammen mit Eskil Vogt und beruht auf dem Roman "Le feu follet" von Pierre Drieu La Rochelle.

Gezeigt werden die letzten 24 Stunden im Leben von Anders (Anders Danielsen Lie), der eigentlich in zwei Wochen aus der Entzugsklinik entlassen werden soll, wo er längere Zeit wegen seiner Drogenabhängigkeit verbracht hat. Nun gilt er als geheilt und soll wieder auf eigenen Füßen stehen, aber Anders weiß, dass ihm dazu die Kraft und die Motivation fehlen.

Seine erste Nacht außerhalb der Klinik hat er mit einer Freundin von früher verbracht, aber nichts dabei empfunden, wie er später seinem Freund Thomas (Hans Olav Brenner) berichten wird. Anders fährt nach Oslo, weil er dort ein Vorstellungsgespräch hat. Zuvor jedoch besucht er seinen alten Freund Thomas, der mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern ein ganz normal bürgerliches Leben führt. Anders deutet an, nicht zu wissen, wie es weitergehen soll, aber Thomas reagiert darauf nur mit den üblichen Floskeln. Später gesteht aber auch er, sich sein Leben anders vorgestellt zu haben.

Das Vorstellungsgespräch bei einer Zeitung bricht Anders ab, als ihn der Redakteur nach den fehlenden Jahren in seinem Lebenslauf fragt, den Jahren, in denen Anders abhängig war und gedealt hat. Zu dem verabredeten Treffen mit seiner Schwester erscheint nur deren Freundin, die mit Ausflüchten ankommt und erst im Laufe des Gesprächs zugibt, dass seine Schwester Angst vor dem Treffen hatte. Sie gibt ihm die Schlüssel für das Haus der Eltern, welches verkauft werden soll.

Am Abend geht Anders auf eine Party, wo er einige Bekannte aus früheren Zeiten trifft. Er kann jedoch mit ihnen und ihrem Leben nichts anfangen, sie aber auch nicht mit ihm. Am Ende führt ihn sein Weg zu seinem früheren Dealer, bei dem er sich Stoff besorgt. Ein kurzer Besuch in einem Club und eine Begegnung mit einer jungen Studentin können Anders aber nicht mehr von seinem ursprünglichen Vorhaben abbringen. Konsequent bringt er das zu Ende, was er schon den ganzen Tag über vorhatte.

"Ich bin 34 und habe nichts" hatte er noch am Vormittag zu Thomas gesagt, der konnte aber die Trauer und Verzweiflung in diesen Worten nicht verstehen. Für Anders jedoch, der mit seinem Leben innerlich schon abgeschlossen hatte, war es der letzte Versuch, verstanden zu werden.

Der Film geht definitiv unter die Haut und das liegt in erster Linie an Anders Danielsen Lie, der so beeindruckend seine Rolle verkörpert, dass man als Zuschauer automatisch den Atem anhält. Sein verlorener Blick drückt den ganzen inneren Schmerz aus, der ihn blockiert und nicht mehr loslässt. Eine grandiose Leistung.

Louis Malle hat dieses Thema bereits 1963 unter dem Titel "Le feu follet" - "Das Irrlicht" verfilmt, mit Maurice Ronet in der Hauptrolle. Ich kann beide Filme nur sehr empfehlen, man muss sich aber darauf einlassen können. Es wird traurig und deprimierend, aber wichtig und sehenswert ist es auf jeden Fall. Joachim Trier hat einen Film geschaffen, der einen nicht kaltlässt und mit Anders Danielsen Lie den perfekten Darsteller gefunden. Ganz große Empfehlung.


Samstag, 4. Januar 2014

Mud

"Mud" ist ein Film von Jeff Nichols (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2012.

Die beiden vierzehnjährigen Jungs Ellis (Tye Sheridan) und Neckbone (Jacob Lofland) sind beste Freunde und leben in einem kleinen Ort in Arkansas. Ellis lebt mit seinen Eltern (Ray McKinnon und Sarah Paulson) auf einem Hausboot, während Neckbone nach dem Tod seiner Eltern bei seinem Onkel Galen (Michael Shannon) lebt.

Auf einer unbewohnten Insel im Mississippi entdecken die beiden Jungs ein Boot, das in den Bäumen hängt, wahrscheinlich durch eine hohe Flut. Abenteuerlustig wie sie sind, machen sie sich auf, das Boot zu erkunden. Dabei stellen sie fest, dass dort wohl jemand lebt und wollen lieber wieder verschwinden. Auf dem Weg zurück begegnen sie einem Mann (Matthew McConaughey), der sich ihnen als Mud vorstellt. Mud erzählt ihnen, hier auf jemanden zu warten und bittet die Jungs, ihn mit Essen zu versorgen.

Ellis und Neckbone willigen ein, besorgen Lebensmittel und Mud vertraut ihnen seine Geschichte an. Er wartet auf Juniper (Reese Witherspoon), die Liebe seines Lebens, um mit ihr zusammen wegzugehen. Ellis ist sofort begeistert von dieser Geschichte und will Mud helfen. Die Liebe spielt in seinem Leben gerade eine ganz wichtige Rolle, denn er ist das erste Mal in ein Mädchen verliebt, während sich seine Eltern gerade trennen wollen.

Nur zu gern will Ellis dem Liebespaar Mud und Juniper helfen, doch schon bald muss er feststellen, dass nach Mud gefahndet wird. Mud offenbart schließlich, in Texas einen Mann getötet zu haben, der Juniper misshandelt hat. Dessen Bruder Carver (Paul Sparks) und sein Vater King (Joe Don Baker) sind nun in der Stadt, um Mud zu töten, begleitet von einigen Kopfgeldjägern, die zu allem bereit sind.

Ellis und Neckbone unternehmen nun alles Mögliche, um das Boot auf der Insel wieder ins Wasser zu bringen, damit Mud und Juniper entkommen können. Muds väterlicher Freund Tom (Sam Shepard) stellt sich erst stur, hilft dann aber trotzdem mit. Juniper erscheint aber nicht zur verabredeten Zeit und Ellis muss erleben, dass seine junge Liebe auch nur ein Missverständnis war. Nach diesen Enttäuschungen überwirft er sich mit Mud, aber das Drama nimmt erst noch seinen Lauf und es wird noch sehr aufregend...

Mehr verrate ich hier nicht, den Rest muss man sich selbst anschauen. Leider kann ich nicht sagen, ob und wann der Film zu sehen sein wird, bisher gibt es nur die UK-Version zu kaufen, die zwar nur über englische Untertitel verfügt, aber trotzdem sehr verständlich ist.

Mit gut 130 Minuten ist der Film zwar lang, aber wirkliche Längen habe ich nicht festgestellt. Im Gegenteil, die Story ist gut, die Besetzung perfekt, hier stimmt einfach alles. Eine schöne Coming of Age-Geschichte, mit Anleihen bei Mark Twain, die über die erste Liebe, die Liebe an sich und die Enttäuschungen darüber berichtet.

Neben den beiden fabelhaften jungen Darstellern überzeugt hier besonders Matthew McConaughey als Mud. Er hat seine Rollenauswahl in der letzten Zeit wohl gut überdacht und konnte mit seinen Darstellungen in "Killer Joe", "The Paperboy" und eben auch in "Mud" ganz neue Wege einschlagen. Selbst wenn er manchmal zum Overacting tendiert, wenn es zur Rolle passt, dann ist das in Ordnung. Hier ist er grandios besetzt.

Insgesamt gesehen ein Film, den ich nur sehr empfehlen kann, weil er sehr berührend ist und eine schöne Geschichte erzählt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Film auch bei uns auf DVD erscheint.

Donnerstag, 2. Januar 2014

Der Fremde am See

"Der Fremde am See" - "L'inconnu du lac" ist ein Film von Alain Guiraudie (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013.

Es ist Hochsommer in Südfrankreich, die Sonne brennt, ein kleiner See verspricht Abkühlung und noch viel mehr. Die einzigen Schauplätze dieses Films sind der kleine Parkplatz, der kurze Weg zum See, der steinige Strand und das dahinter liegende Waldstück. Und man sieht Männer und zwar ausschließlich Männer, denn dieser idyllische und abgelegene Ort ist ein Cruising-Spot, der regelmäßig gut besucht ist.

Die Männer liegen nackt am Strand, gehen zwischendurch schwimmen, begutachten die Neuzugänge und verschwinden immer wieder mit wechselnden Partnern im Wald. Eines Tages erscheint auch Franck (Pierre Deladonchamps) dort am See, das erste Mal in diesem Jahr. Er kennt den Ort aus den früheren Jahren, wird von anderen Männern freundlich begrüßt. Franck sieht sich erstmal um, geht schwimmen und setzt sich dann zu Henri (Patrick d'Assumcao), einem älteren und korpulentem Mann, der etwas abseits der anderen sitzt. Franck und Henri freunden sich an, sie reden viel miteinander, aber Sex haben sie nicht.

Franck hat vielmehr ein Auge auf den umwerfend schönen Michel (Christophe Paou) geworfen, der ihn gleich elektrisiert. Als er ihm in den Wald folgt, findet er Michel bereits in den Armen seines Lovers Philippe (Emmanuel Daumas), aber Michel lächelt Franck trotzdem verführerisch an. Francks Begierde ist geweckt, ab sofort geht ihm Michel nicht mehr aus dem Kopf.

An einem Abend, es ist bereits spät, der Strand ist leer, sieht Franck aus der Entfernung, wie Michel und Philippe schwimmen gehen. Michel taucht Philippe immer wieder unter Wasser, bis er schließlich nicht mehr auftaucht. Franck ist verstört über das, was er da gesehen hat, ist aber unfähig, darauf zu reagieren. Am nächsten Tag trifft er auf Michel, der völlig unbefangen mit ihm flirtet und beide verschwinden im Wald und haben leidenschaftlichen Sex.

Tag für Tag treffen sich die gleichen Männer wieder am Strand, jeder hält Ausschau nach neuem Material, alles wiederholt sich. Der Spanner beobachtet die anderen Männer beim Sex, wird von ihnen verjagt oder auch nicht, es ist eine verschworene Gemeinschaft. Franck setzt sich auch weiterhin zu Henri und redet mit ihm, aber Michel reagiert darauf eifersüchtig. Henri warnt Franck vor Michel, aber der ist so verliebt, dass er nicht weiter darauf eingeht.

Als schließlich die Leiche von Philippe aus dem See geborgen wird, erscheint Inspecteur Damroder (Jérôme Chappatte) am Strand und beginnt Fragen zu stellen. Er kann mit dem schwulen Treiben der Männer so gar nichts anfangen, wundert sich eher darüber, wie Fremde hier spontan Sex miteinander haben können ohne sich zu kennen und fragt sich, warum niemandem aufgefallen ist, dass einer von ihnen plötzlich nicht mehr da ist.

Die Ermittlungen von Damroder konzentrieren sich immer mehr auf Michel und Franck, was für ihn und alle Beteiligten, einschließlich Henri, gefährliche Konsequenzen haben wird.

Das Ende ist offen, so viel darf ich wohl sagen, und es lässt viel Raum für Interpretationen. Was passiert wohl noch im Dunkeln, nach dem Abspann?

Auf jeden Fall wurde viel über diesen Film geschrieben, was angesichts der offen schwulen Thematik und der zahlreichen Sex-Szenen keine Selbstverständlichkeit ist. Aber warum eigentlich nicht? Fällt hier wirklich jemand in Ohnmacht, nur weil Männer beim Sex gezeigt werden? Meine Güte, das ist kein Porno, da geht es anders zur Sache, hier wird nichts gezeigt, was auch nur ansatzweise pornographisch ist. Auch Voyeure werden hier wohl nicht auf ihre Kosten kommen.

Vielmehr zeichnet Regisseur Alain Guiraudie hier ein paar sehr komplexe Charaktere, die er zwar nicht entschlüsselt, die aber trotzdem faszinieren. Der eher unbedarfte Franck, der nicht weiß, worauf er sich einlässt, der schöne, aber gefährliche Michel, von dem man so gar nichts über seine Motivationen erfährt und der stille Henri, der seines Lebens scheinbar überdrüssig ist und der nichts weiter erwartet.

Welche Botschaft der Film letztlich hat, das kann ich leider auch nicht sagen, aber sehenswert ist er trotzdem. Es geht um Liebe und Begehren, das trifft aber wohl auf neunzig Prozent aller Filme zu. Man muss vor diesem Film keine Angst haben, ist alles nur halb so schlimm, wenn man nicht gerade erst von den Bäumen geklettert ist.


Mittwoch, 1. Januar 2014

Rückblick auf 2013

Da wären wir also im Jahr 2014, höchste Zeit für einen kleinen Rückblick auf 2013. Der fällt dieses Mal relativ kurz und knapp aus, weil ich letzte Nacht eher unfreiwillig Ohrenzeugin einer der geschmacklosesten Silvester-Partys ever geworden bin, die im Stockwerk unter mir stattfand. Soll heißen brüllend laute Musik und Gegröle, deutsche Schlager usw. und alles im Disco-Mix. Aus diesem Grund ist meine Laune heute auch eher verhalten und ich möchte mich deshalb lieber meinen persönlichen Highlights des letzten Jahres widmen. Hier also meine Top Ten 2013.

"Vito" Der Dokumentarfilm von Jeffrey Schwarz über das Leben von Vito Russo ist wichtig und bewegend, genau wie es Vito Russo selbst war. Wer den noch nicht gesehen hat, bitte unbedingt nachholen.

"Was bleibt" Ein großartiger Film von Hans-Christian Schmid mit einem überragenden Lars Eidinger und einer genialen Corinna Harfouch in den Hauptrollen. Es geht um eine Familie und deren Sprachlosigkeit untereinander. Sehr berührend.

"Laurence Anyways" Der dritte Spielfilm von Xavier Dolan überzeugt erneut auf ganzer Linie. Mit Melvil Poupaud und Suzanne Clément perfekt besetzt und unter die Haut gehend. Ein Mann will endlich als Frau leben und akzeptiert werden. Probleme sind da vorprogrammiert.

"Holy Motors" Ein Kunstfilm der besonderen Art von Leos Carax. Die Besetzung mit Denis Lavant in der Hauptrolle könnte nicht besser sein. Als Chauffeurin der Limousine muss aber noch unbedingt Édith Scob erwähnt werden. Keine leichte Kost, aber ein perfekter Film.

"The Men next Door" Eine wunderbare Komödie von Rob Williams, der einfach ein Händchen für solche Stoffe hat und seine Darsteller perfekt auswählt. Wer was zum aufmuntern braucht, ist hier bestens beraten.

"The Boys in the Band" Eine schöne und längst überfällige DVD-Veröffentlichung dieses Films von William Friedkin aus dem Jahr 1970. Deutsche Untertitel wären schön gewesen, aber so geht es auch. Die deutschen Stimmen sind gut gewählt, besser ist aber wie immer die Originalfassung. Kann man auswählen.

"More than Friendship" Auf den zweiten Film von Timmy Ehegötz habe ich mich sehr gefreut und wurde nicht enttäuscht. Er greift brisante Themen auf und erscheint dadurch vielen Zuschauern als zu sperrig, ist er aber gar nicht. Wer sich in Ruhe damit auseinandersetzt, kann viel lernen und begreifen. Außerdem ist das hier ein studentisches Filmprojekt, das sollte man immer berücksichtigen.

"Top of the Lake" Eine tolle Mini-Serie von Jane Campion, die eine gute Geschichte und noch bessere Darsteller zu bieten hat.

"Hawaii" Der dritte Spielfilm von Marco Berger ist ein kleines und feines Highlight im Queer Cinema und sehr erotisch gefilmt. Sehr ruhige Geschichte und zwei fabelhafte Darsteller. Einfach schön.

"The Conjuring" Ein richtig schön altmodischer Gruselfilm von James Wan, der kein Klischee auslässt, aber auf ganzer Linie überzeugen kann. Kein Wunder bei dem Cast. Patrick Wilson, Vera Farmiga, Lili Taylor und Ron Livingston sind so gut, dass man ihnen gerne alles glaubt. Sehr gelungen.

Sagen wir also Hallo zum Jahr 2014 und hoffen wir, das auch im neuen Jahr wieder einige Perlen aus dem Filmsumpf herauszupicken sind. In diesem Sinne, alle guten Wünsche für 2014.