"Postcard to Daddy" ist ein sehr persönlicher Dokumentarfilm von Michael Stock aus dem Jahr 2010. Der Filmemacher wurde als Kind über einen Zeitraum von acht Jahren von seinem eigenen Vater sexuell missbraucht. In dieser Dokumentation erzählt er selbst von dieser Zeit und davon, wie sein weiteres Leben dadurch geprägt wurde.
In Gesprächen mit seinen älteren Geschwistern und mit seiner Mutter befragt er diese, wie sie zu dieser Geschichte stehen und ob denn wirklich niemand jemals etwas mitbekommen hätte. Da tut sich eine wahre Hölle auf und man sitzt als Zuschauer quasi in der ersten Reihe und lauscht atemlos. Der Vater war Alkoholiker, abends betrunken und Familienharmonie vorspielend und am nächsten Morgen dann wieder jähzornig, launisch und aggressiv. Die beiden Geschwister waren oft nicht zu Hause, ebenso wie die Mutter, die sich in der Politik und in verschiedenen Organisationen engagierte. Da war der kleine Michael dann eben viel allein mit seinem Vater, also gab es viele Gelegenheiten für den Missbrauch. Durch das Verhalten des Vaters und dessen Scham "danach" fühlte sich der Junge schuldig und schmutzig, das verfolgte ihn lange. Nachdem er sich dann im Alter von sechzehn Jahren erstmals seinem Vater widersetzte, folgte eine heftige und gewalttätige Auseinandersetzung.
Michael Stock hatte schon seit gut zwanzig Jahren vor, über dieses Thema einen Film zu drehen, es gab auch Drehbuchprojekte, die aber alle an den verantwortlichen Fernsehsendern scheiterten, denen das Thema zu brisant war. So entstand dann schließlich die Idee für diese Dokumentation. Michael Stock hatte einen Schlaganfall, fast zur gleichen Zeit wie sein Vater auch. Auf einer anschließenden Reise durch Thailand, die er mit seiner Mutter unternahm, kam ihm der Gedanke, seinem Vater eine Art Videobotschaft zukommen zu lassen und ihm so seine Gedanken und Gefühle mitzuteilen. Am Schluss des Films gibt es noch eine kurze Szene, in der er seinem Vater begegnet und ihn zu seinen Taten und Beweggründen und auch seinen Schuldgefühlen befragt. Er hat aber keine, das ist dann schon ein sehr heftiges Ende.
Michael Stock will keine Rache, er will nur verstehen können. Wenn man den schlaksigen Mann Anfang Vierzig so anschaut, dann fallen einem sofort die Augen und der wache, fast etwas furchtsame Blick auf, die ihn immer noch wie ein großes Kind erscheinen lassen. Diese Dokumentation ist etwas sehr Persönliches und Intimes, man muss ihm dafür wirklich Respekt entgegen bringen, das geht buchstäblich unter die Haut. Sehr gelungen finde ich auch die Passagen, in denen Filmausschnitte aus seinem Debütfilm "Prinz in Hölleland" in die Handlung mit einbezogen werden.
Insgesamt gesehen sehr packend und sehenswert, ich wünsche diesem Film viele Zuschauer und Michael Stock alles Gute für sein weiteres Leben und hoffentlich noch viele Filmprojekte.
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