Montag, 4. Januar 2016

Saint Laurent

"Saint Laurent" ist ein Film von Bertrand Bonello aus dem Jahr 2014. Das Drehbuch schrieb Bonello zusammen mit Thomas Bidegain. Der Film beschäftigt sich mit dem Leben des französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurent, konzentriert sich hierbei aber auf die Zeit zwischen 1967 und 1977. Insgesamt geht der Regisseur aber offensichtlich davon aus, dass der Zuschauer mit dem Leben und Werk des Designers vertraut ist, denn erklärt wird hier nichts. Im Gegenteil, er springt in die Geschichte hinein und auch wieder hinaus, manchmal auch hin und her, aber das war es dann auch schon.

Klingt das irgendwie so, als wäre ich mit dem Ergebnis unzufrieden? Ja, leider und ich bin durchaus mit der Geschichte vertraut, was sicher nicht für alle Zuschauer gilt. Dabei klang das alles doch so verlockend. Allein schon die Besetzung versprach ein wundervolles Filmerlebnis: Gaspard Ulliel, Jérémie Renier, Louis Garrel, Léa Seydoux, Valeria Bruni Tedeschi. Monatelang freute ich mich auf den Erscheinungstermin der DVD und dann? Ernüchterung und Enttäuschung. Mehr nicht. Und natürlich die Frage, wie man aus diesem Thema und mit dieser Besetzung so einen Quark erschaffen kann. Ich bin immer noch fassungslos.

Nun gut, die Schauspieler sind tadellos, die Ausstattung ist exquisit, die Kostüme sowieso. Allein, es fehlt das Herzblut, um aus einem Biopic einen interessanten Film zu machen. Nur schöne Bilder aneinanderzureihen reicht da leider nicht. Gezeigt werden Bilder von Yves Saint Laurent bei der Arbeit in seinem Atelier, von seinen Modeschauen, in seinen luxuriösen Appartements und in schicken Nachtclubs, das alles scheinbar endlos. Ebenso beim Feiern mit seinen Freunden und Musen, immer exzessiverer Drogen- und Alkoholkonsum inklusive, oder auch bei geschäftlichen Verhandlungen. Das alles ist in etwa so aufregend, als würde man Farbe beim Trocknen zusehen und über die unglaubliche Laufzeit von fast 135 Minuten besser als jedes Schlafmittel.

Für den Menschen Yves Saint Laurent oder auch für die Beziehung zu seinem jahrzehntelangen Lebensgefährten Pierre Bergé interessiert sich der Film dabei überhaupt nicht. Die Rolle des alternden Designers wird dann von Helmut Berger verkörpert, der zwar nur wenige Szenen hat, aber dessen Besetzung eigentlich ganz amüsant anmutet, wenn die Idee nicht sofort wieder in sich zusammenfallen würde. Warum nur liegt Helmut Berger als Yves Saint Laurent auf dem Bett und sieht sich einen Film mit dem jungen Helmut Berger an? Jede Wette, an der Stelle hat sich der Regisseur selbst für seinen tollen Einfall applaudiert. Ich habe jedenfalls nur mit den Augen gerollt.

Die DVD bietet den Film in der deutschen Synchronisation und in der französischen Originalfassung an, jedoch ohne deutsche Untertitel. Das ist ein weiterer Minuspunkt. Gut, interessante Dialoge gibt es im ganzen Film nicht, aber ich finde das Fehlen der Untertitel trotzdem sehr ärgerlich.

Schade, für mich ist "Saint Laurent" die größte Enttäuschung des letzten Jahres. Das Projekt klang so vielversprechend, wurde aber leider komplett gegen die Wand gefahren. Kann man gerne verpassen.


Sonntag, 3. Januar 2016

Phoenix

"Phoenix" ist ein Film von Christian Petzold aus dem Jahr 2014. Das Drehbuch schrieb Petzold zusammen mit Harun Farocki und basiert auf dem Krimi "Le retour des cendres" von Hubert Monteilhet.

Deutschland, im Sommer 1945. Die Jüdin Nelly (Nina Hoss) hat das Konzentrationslager Auschwitz überlebt, allerdings mehr tot als lebendig. Mit schwersten Gesichts- und Kopfverletzungen wird sie von ihrer Freundin Lene (Nina Kunzendorf) zur Behandlung in ein Krankenhaus gefahren, wo sich ein Chirurg (Michael Maertens) ihrer annimmt. Nelly will unbedingt wieder so aussehen wie früher, aber der Arzt gibt zu Bedenken, dass dies nicht möglich sein wird und rät ihr, ihren Entschluss zu überdenken. Sie könne sich eine neue Identität zulegen, aber Nelly ist fest entschlossen, an ihrem früheren Aussehen und Leben festzuhalten.

Zurück in Berlin kümmert sich Lene, die bei der Jewish Agency arbeitet, liebevoll um Nellys Wohlergehen, doch auch Monate später ist der Heilungsverlauf noch nicht abgeschlossen und Nelly ist über ihr Aussehen verzweifelt und erkennt sich nicht wieder. Lene will sich um Nellys Erbschaft kümmern, nachdem ihre gesamt Familie getötet wurde und so schnell wie möglich mit Nelly nach Palästina ausreisen, um dort ein neues Leben zu beginnen. Doch Nelly will davon nichts wissen, sie ist auf der Suche nach ihrem Mann Johnny (Ronald Zehrfeld). Was sie jedoch nicht weiß und was ihr Lene bisher verschwiegen hat, Johnny hat seine Frau seinerzeit an die Nazis verraten und trägt Schuld an ihrer Verhaftung.

Endlich findet Nelly Johnny in einer amerikanischen Bar, wo er als Aushilfe arbeitet, doch er erkennt sie nicht. Ihm fällt nur eine gewisse Ähnlichkeit zu seiner vermeintlich toten Ehefrau auf und so macht er der völlig verzweifelten Nelly ein irrwitziges Angebot. Sie soll sich als Nelly ausgeben und ihr Erbe antreten, das sie dann unter sich aufteilen würden. Fassungslos lässt sich Nelly tatsächlich darauf ein und zieht zu Johnny in seine karge Kellerwohnung, in der festen Hoffnung, er würde sie doch noch erkennen. Doch Johnny ist so damit beschäftigt, aus der für ihn fremden Frau ein Abbild Nellys zu erschaffen, dass er die Wahrheit einfach nicht sehen kann oder will. Als er schließlich und endlich begreift, wen er da vor sich hat, ist das für ihn ein Schock und es ist längst zu spät, den Fehler zu korrigieren.

Es wurde viel gemeckert über den Film und seinen Plot, was ich nicht nachvollziehen kann. Sicher muss man sich auf die Geschichte einlassen können, aber das funktioniert eigentlich sehr gut, was hauptsächlich an den großartigen Schauspielern liegt. Es ist eine düstere Geschichte über Schuld, Vergessen, Verdrängung und Lüge. Niemand will wissen oder darüber reden, was in den Jahren zuvor geschehen ist, alles wird ausgeblendet. Das Leben soll weitergehen, als wäre nichts geschehen.

Nelly will um jeden Preis wieder in ihr altes Leben zurück und dort anknüpfen, wo es einst so grausam zerrissen wurde. Erst spät erkennt sie wirklich, welche Schuld Johnny auf sich geladen hat. Zu der Zeit hat sich Lene bereits erschossen, weil sie sich den Toten näher fühlte als den Lebenden und sie die Welt um sich herum nicht mehr ertragen konnte. Und auch Nelly wirkt immer mehr wie ein Gespenst aus der Vergangenheit, die sich nicht wieder herstellen lässt.

Johnny wiederum ist in seinem Aktionismus und natürlich auch in der Verdrängung seiner Schuld so blind, dass er die Frau, die vor ihm steht tatsächlich nicht als seine eigene Ehefrau erkennt. Er hat den für ihn perfekten Plan entwickelt, Freunden und Familie 'seine' Nelly zu präsentieren, die mit rotem Kleid und Schuhen aus Paris in Berlin aus dem Zug steigt. Fühlt sich hier noch jemand an "Vertigo" erinnert? Richtig.

Die Schauspieler sind ein Traum, Nina Hoss, Ronald Zehrfeld und Nina Kunzendorf spielen herausragend und auch die Musik ("Speak Low" von Kurt Weill) passt wunderbar. "Phoenix" ist für mich einer der besten Filme des letzten Jahres und sehr empfehlenswert. Unbedingt anschauen.