Sonntag, 19. Januar 2014

Die Zeugen

"Die Zeugen" - "Les témoins" ist ein Film von André Téchiné aus dem Jahr 2007. Das Drehbuch schrieb Téchiné zusammen mit Laurent Guyot und Viviane Zingg.

Der hübsche junge Manu (Johan Libéreau) kommt im Sommer 1984 nach Paris, um seine ältere Schwester Julie (Julie Depardieu) zu besuchen, die angehende Opernsängerin ist und ein Zimmer in einem Stundenhotel bewohnt. Im Gegensatz zu seiner Schwester, die eher schüchtern und zurückhaltend ist, steckt Manu voller Leben und stürzt sich sogleich ins Nachtleben der Stadt und besucht die einschlägigen Cruising-Plätze. In einem Park lernt er den älteren Arzt Adrien (Michel Blanc) kennen, der auf der Suche nach hübschen jungen Männern ist. Zwischen ihnen entwickelt sich gleich eine besondere Freundschaft, die allerdings rein platonisch bleibt, sehr zu Adriens Bedauern.

Adrien verliebt sich auf der Stelle in Manu und beide verbringen viel Zeit miteinander. Zusammen besuchen sie Freunde von Adrien in ihrem Ferienhaus am Meer. Sarah (Emmanuelle Béart), eine Kinderbuchautorin, und ihr Mann Mehdi (Sami Bouajila), ein Inspektor bei der Sittenpolizei in Paris, sind gerade Eltern eines kleinen Jungen geworden und besonders Sarah kommt mit der neuen Situation nicht klar. Sie fühlt sich überfordert mit dem Kind, kann keine Beziehung zu ihm aufbauen und leidet zudem noch unter einer Schreibblockade.

Sarah und Mehdi führen eine offene Ehe. Sie lieben sich, aber sie gestatten sich gegenseitig Affären, um ihre Liebe am Leben zu erhalten. Völlig unerwartet beginnen Manu und Mehdi eine leidenschaftliche Affäre miteinander, die den anderen Beteiligten aber zunächst verborgen bleibt. Manu nimmt einen Job auf einem Campingplatz an, der außerhalb von Paris liegt. Hier wird er regelmäßig von Mehdi besucht, während Adrien sich in Paris in seine Arbeit stürzt, um über den Verlust von Manus Gesellschaft hinwegzukommen.

Adrien versucht sich mit anderen Bekanntschaften zu trösten, aber es klappt nicht. Als er Manu besucht, erzählt ihm dieser, sich mit Mehdi zu treffen. Adrien ist außer sich vor Wut, doch dann entdeckt er an Manus Oberkörper merkwürdige Flecken und lässt ihn untersuchen. Manu hat Aids, diese neue und noch weitgehend unbekannte Krankheit, die bereits zahlreiche Tote gefordert hat. Der immer schwächer werdende Manu zieht sich zurück und trifft Mehdi nicht mehr.

Als Mehdi von Manus Zustand erfährt überkommt ihn Panik. Er und Sarah lassen sich testen, doch erst durch Adrien erfährt Sarah die Wahrheit über Manu und Mehdi. Manu stirbt schließlich und Sarah verarbeitet seine Lebensgeschichte in einem Roman.

Adrien hat einen neuen jungen Freund, den Amerikaner Steve (Lorenzo Balducci), der ihn wieder zurück ins Leben holt. Julie wird Paris verlassen, um nach München zu gehen, wo gerade französische Sänger gesucht werden. Zum ersten Geburtstag von Sarahs und Mehdis Sohn besuchen Adrien und Steve die kleine Familie wieder in ihrem Haus am Meer. Vieles ist passiert im letzten Jahr, aber das Leben geht weiter...

Der Film ist in drei Kapitel aufgeteilt: "Die schöne Zeit - Sommer 1984", "Krieg - Winter 1984/1985" und "Wieder Sommer - 1985". In wirklich wunderschönen Bildern von Kameramann Julien Hirsch erzählt André Téchiné hier eine zu Herzen gehende Geschichte, die sehr berührend ist, aber nie kitschig oder deprimierend wird. Auch wenn der Tod und besonders die damals noch tödliche Krankheit im Mittelpunkt stehen, hier wird das Leben gefeiert. Das ist dem Regisseur extrem gut gelungen. Er verharmlost nichts, er zeigt vielmehr auf, wie Aids in das Leben der Menschen Einzug gehalten hat. Einige Kritiker könnten das ein bisschen zu seicht finden, aber das ist es ganz und gar nicht.

Bei der Besetzung hat André Téchiné ebenfalls ein sehr gutes Händchen gehabt, denn schon allein der junge Johan Libéreau ist eine wahre Offenbarung. Er ist absolut hinreißend und gewinnt mit seinem unglaublichen Lächeln sofort alle Herzen. An seiner Seite können aber Michel Blanc und Sami Bouajila ebenso überzeugen, die fabelhaft in ihren Rollen sind. Bei den weiblichen Darstellerinnen ist besonders Julie Depardieu zu erwähnen, die Manus Schwester verkörpert. Eine kleine, aber feine Rolle. Zu Emmanuelle Béart möchte ich mich hier nicht weiter äußern, ihre Schlauchbootlippen machen es mir unmöglich, sie als Schauspielerin ernst zu nehmen.

Insgesamt gesehen ein absolut empfehlenswerter Film, der gerade neu auf DVD erschienen ist und den man nicht verpassen sollte. Nur im Original mit deutschen Untertiteln, so wie es sein soll.


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