Donnerstag, 1. Oktober 2015

Traumland

"Traumland" ist ein Film von Petra Volpe (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013. Kamerafrau war hier Judith Kaufmann, die Musik stammt von Apparat (Sascha Ring).

Zürich an Heiligabend. "O du fröhliche...", nein, eher nicht. Die Stadt ist im Weihnachtsrummel, die Menschen hetzen umher, bereiten sich auf das Fest am Abend vor. Alle sind glücklich, alle haben sich lieb, nein, auch das trifft hier nicht zu, das ist nur die Illusion, die Weihnachten verbreitet. Nicht nur hier, sondern überall.

Die Hauptperson in diesem außergewöhnlichen Film ist die achtzehnjährige Mia (Luna Zimic Mijovic), eine junge Prostituierte die aus Bulgarien stammt und hier in Zürich auf den Straßenstrich geht, um Geld für ihre Familie zu verdienen. Am nächsten Tag will sie nach Hause fahren und endlich wieder ihre kleine Tochter sehen, die derweil bei ihrer Mutter lebt. Doch im Laufe dieses Tages wird Mia vier Menschen begegnen, die ihr weiteres Schicksal, ohne es direkt zu wollen, auf furchtbare Weise bestimmen werden.

Die Sozialarbeiterin Judith (Bettina Stucky) arbeitet in der 'Oase', dem Anlaufpunkt für die Prostituierten auf dem Straßenstrich. Sie kümmert sich hingebungsvoll um die Frauen und lebt ihre eigenen Sexfantasien mit einem fremden Mann in einem Hotelzimmer aus, was ihr Ehemann Jonas (Stefan Kurt) schließlich herausfindet. Dieser Heiligabend ist schon mal gelaufen, denn Jonas verlässt Judith.

Der geschiedene Rolf (André Jung) ist ein Kunde von Mia und will den Abend eigentlich mit seiner Tochter verbringen, die aber nichts von ihm wissen will. Seinen alten Vater, der im Pflegeheim wohnt, stößt er vor den Kopf, als er ihn nicht wie geplant abholt, sondern ihm erzählt, er würde mit seiner Familie über Weihnachten verreisen, weil er ihm aus lauter Feigheit noch immer nichts von seiner Scheidung gesagt hat.

Die ältere Spanierin Maria (Marisa Paredes) ist verwitwet und ebenfalls einsam. Ihre einzige Tochter lebt in Hongkong. Maria ist die Nachbarin von Mia und nicht glücklich darüber, mit einer Nutte Tür an Tür zu leben. An diesem Tag fasst sich Maria ein Herz und lädt den ebenfalls verwitweten Spanier Juan (José Ángel Egido) ein, den Abend mit ihr zu verbringen, nicht ganz ohne Hintergedanken und in der Hoffnung auf ein wenig liebevolle Zuneigung.

Die hochschwangere Lena (Ursina Lardi) lebt mit ihrem Mann Martin (Devid Striesow) und ihrem gemeinsamen kleinen Sohn in einem schicken Haus in guten Verhältnissen. Hier scheint alles perfekt zu sein, das Haus, die Familie, bis Lena durch Zufall ein Päckchen Gleitmittel im Auto findet. Die Großeltern reisen zum Heiligabend an, doch Lena löchert ihren Mann weiterhin mit der Frage, ob und warum er zu Nutten geht. Im Familienkreis werden Plätzchen gebacken, alles geht seinen Weg, doch Lena lässt die Frage keine Ruhe.

Judith, Rolf, Maria und Lena, sie alle werden an diesem Tag auf Mia treffen, nicht ahnend, was sie damit anrichten. Mehr will ich hier nicht verraten, das sollte man sich selbst anschauen. Die eine oder andere Episode wird dabei sehr schmerzhaft werden, wenn man sich ansieht, wozu Menschen fähig sind. Es geht hier nicht nur um körperliche Gewalt, es geht um so viel mehr.

Viele Menschen sind einsam, das ganze Jahr über, aber Heiligabend ist der Tag, an dem sie es nicht ertragen können und vor allen Dingen nicht zugeben können, dass sie alleine sind. Es ist ein Makel, den man nicht sichtbar machen will. Petra Volpe greift dieses Thema ganz hervorragend auf und hat einen Film geschaffen, der nachdenklich macht.

Hier ist wirklich alles gelungen, die Bilder von Kamerafrau Judith Kaufmann, die unaufdringliche Musik von Apparat und die fabelhaften Leistungen der durchweg großartigen Schauspieler. Ein absolut sehenswerter Film, der unter die Haut geht und unbedingt angeschaut werden sollte. Ganz große Empfehlung von mir. Sollte man nicht verpassen, denn Filme wie diesen gibt es viel zu selten.

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