Sonntag, 13. Januar 2013

In den Süden

"In den Süden" - "Vers le sud" ist ein Film von Laurent Cantet aus dem Jahr 2005. Das Drehbuch schrieb Cantet zusammen mit Robin Campillo und beruht auf Novellen von Dany Laferrière.

Haiti, Ende der Siebziger Jahre. In einer gepflegten und ruhigen kleinen Hotelanlage verleben hauptsächlich alleinreisende und nicht mehr ganz junge Amerikanerinnen ihren Urlaub, wie z. B. Ellen (Charlotte Rampling), Brenda (Karen Young) und Sue (Louise Portal). Sie genießen die Sonne, den Strand und die Aufmerksamkeit der jungen Schwarzen, die nur zu gern für Liebesdienste aller Art zur Verfügung stehen. Als Entschädigung dafür gibt es Geld oder kleine Geschenke.

Der junge Legba (Ménothy Cesar) ist der schönste von ihnen und der begehrteste. Er ist der Grund, warum Brenda nach Haiti gekommen ist. Bei einem Urlaub vor drei Jahren, damals noch zusammen mit ihrem Ehemann, lernte sie Legba kennen und hatte damals beim Sex mit ihm den ersten Orgasmus ihres Lebens. Entsprechende Erwartungen haben sie nun erneut hierher geführt.

Die dominante Ellen, eine Frau Mitte Fünfzig, die weiß was sie will und es sich auch nimmt, tritt sehr selbstsicher auf und hat sich Legbas Zuneigung schon gesichert. Ihn nun mit Brenda teilen zu müssen, geht ihr extrem gegen den Strich, auch wenn sie es nicht zugibt. Im Gegenteil, sie zeigt sich sehr gönnerhaft, hat aber für jeden in ihrer Umgebung immer eine spöttische Bemerkung parat. Zwischen ihr und Brenda entwickelt sich eine Rivalität, die nur durch die geduldige Sue immer wieder entschärft werden kann.

Brenda ist labil, manchmal kindisch, sie nimmt Beruhigungstabletten und wirkt ein bisschen lebensfremd. So lädt sie Legba ein, im Restaurant mit ihr zu essen, obwohl ihr der Hotelangestellte Albert (Lys Ambroise) mitteilt, diesen nicht bedienen zu können. Brenda setzt sich darüber hinweg und lässt sich auch von Legba auf den Markt begleiten, wo sie als weiße und blonde Frau wie ein Fremdkörper wirkt.

Die anderen Frauen verlassen die Hotelanlage nie, die sozialen und politischen Hintergründe Haitis interessieren sie nicht. Sie sind nur für ihr Vergnügen hier und das bekommen sie auch. Die meisten Frauen haben die Vierzig weit hinter sich gelassen und holen sich hier das, was man ihnen zu Hause nicht mehr gibt: Liebe, Sex und Zuneigung. Einige tun sich schwer damit, die jungen Einheimischen dafür zu bezahlen, aber dann gibt es eben Geschenke statt Geld, das macht keinen Unterschied.

Als Legba ermordet wird, bleiben Ellen und Brenda allein zurück, der Traum ist vorbei. Die sonst so kühle und beherrschte Ellen lässt einzig Albert gegenüber ihre wahren Gefühle raus, bevor sie abreist. Auch sie hatte sich in Legba verliebt, wie zuvor schon Brenda, doch damit haben beide eine unsichtbare Grenze überschritten. So etwas war hier nicht vorgesehen.

Das ist ein sehr schöner kleiner Film, den Laurent Cantet hier geschaffen hat, der das Thema Sextourismus mal von einer anderen Seite zeigt. Auch Frauen möchten im Urlaub auf ihre Kosten kommen, besonders wenn sie nicht mehr jung sind. Warum soll das auch immer nur Männern vorbehalten sein? Laurent Cantet zeigt das auch ganz selbstverständlich und ohne moralischen Zeigefinger. In den Extras erläutert er zudem noch sehr ausführlich, wie dieses Projekt entstanden ist. Das sollte man nicht verpassen.

Ansonsten bleibt noch zu sagen, dass sowohl Charlotte Rampling als auch Karen Young ganz hervorragend in ihren Rollen besetzt sind, denn beide sind wirklich absolut atemberaubend anzuschauen und spielen grandios. Ganz große Empfehlung.

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