Sonntag, 15. September 2013

Der menschliche Faktor

"Der menschliche Faktor" - "The Human Factor" ist ein Film von Otto Preminger aus dem Jahr 1979. Das Drehbuch stammt von Tom Stoppard und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Graham Greene.

Maurice Castle (Nicol Williamson) arbeitet in London beim britischen Auslandsgeheimdienst MI6. Viele Jahre zuvor war er in Südafrika tätig, wo er seine Frau Sarah (Iman Abdulmajid) kennengelernt hat. Mit Hilfe einiger Kontaktleute konnte er Sarah außer Landes bringen und heiraten. Inzwischen lebt die kleine Familie, zu der auch Sarahs Sohn gehört, außerhalb Londons in einer ruhigen Gegend. Das Familienleben ist harmonisch und liebevoll, nur die Tätigkeit beim Geheimdienst sorgt gelegentlich für Unruhe.

Castle arbeitet zusammen mit seinem Kollegen Arthur Davis (Derek Jacobi) in einer Abteilung. Davis ist Junggeselle, stets unglücklich verliebt und ein Lebemann. Als von höherer Stelle aus ein Maulwurf in den eigenen Reihen vermutet wird, der geheime Informationen nach Moskau meldet, gerät Davis auf Grund seines Lebenswandels schnell in Verdacht. Da sich der Verdacht zu bestätigen scheint, wird Davis ausgeschaltet.

Nun ist Castle in Sorge um seine Sicherheit und die seiner Familie, denn er ist derjenige, der seit Jahren als Doppelagent arbeitet, da ihm ein Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes damals bei der Ausreise seiner Frau behilflich war. Wie Castle erfahren muss, ist auch dieser Agent inzwischen gestorben, was ihn dazu bewegt, Sarah und den Jungen vorerst zu seiner Mutter zu schicken. Offiziell haben sich die Eheleute getrennt, um Sarah nicht weiter in Gefahr zu bringen.

Castle gelangt über Umwege nach Moskau, wo er ein tristes Dasein fristet und darauf wartet, seine Familie wiedersehen zu können. Hier erfährt er auch, jahrelang nur als Informant missbraucht worden zu sein, um einem anderen Doppelagenten Glaubwürdigkeit zu verleihen. Das Wiedersehen mit Sarah und dem Jungen zieht sich derweil in die Länge, weil es Probleme mit Sarahs Pass gibt. Vorläufig bleiben ihnen nur kurze Telefonate, um die Hoffnung nicht ganz zu verlieren.

"Der menschliche Faktor" war Otto Premingers letzter Film und zeigt erneut das große Können dieses Regisseurs. Wer eine spannende Agentengeschichte mit viel Action erwartet, der kann sich gleich nach einem anderen Film umsehen. Preminger erzählt seine Story sehr leise und bedächtig, in ruhigen Einstellungen und mit sehr viel Dialog. Die zwischenmenschlichen Beziehungen stehen hier im Vordergrund, aber spannend ist der Film trotzdem, wenn auch wohl nicht für jeden Geschmack.

Es ist die Zeit des Kalten Krieges, die Büros sind trist und grau, wie auch die Mitarbeiter. Männer mit Aktenkoffern, ständiges Misstrauen, geheime Telefonate, alles herrlich eingefangen. Die Besetzung ist, wie immer bei Preminger, grandios. Nicol Williamson ist ein wunderbar ambivalenter Doppelagent, der eigentlich nur in Ruhe und Frieden mit seiner Familie leben will. An seiner Seite gibt die wunderschöne Iman Abdulmajid ihr Debüt als Schauspielerin und ist in ihrer Rolle wirklich großartig. Im wahren Leben ist sie übrigens seit über zwanzig Jahren mit David Bowie verheiratet.

In den Nebenrollen glänzen so fabelhafte Darsteller wie z. B. Richard Attenborough, John Gielgud, Derek Jacobi und Robert Morley. Diese sorgen auch, bei aller Ernsthaftigkeit des Themas, immer für ein wenig Humor, denn so ganz staubtrocken wollte Otto Preminger seinen Film wohl nicht gemeint haben.

Wer sich also auf die ruhige Handlung einlassen kann und exzellente Schauspieler bei der Arbeit sehen will, der kann sich über die Veröffentlichung dieses wunderbaren Films freuen, der wohl ganz zu Unrecht bislang kaum bekannt ist. Es wird Zeit, das zu ändern. Ganz große Empfehlung.

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