Montag, 9. September 2013

Westerland

"Westerland" ist ein Film von Tim Staffel (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2012 und beruht auf Tim Staffels eigenem Roman "Jesús und Muhammed".

Sylt im Winter. Cem (Burak Yigit) macht eine Ausbildung beim Ordnungsamt, will nebenbei sein Abitur nachholen, um später Landschaftsarchitektur zu studieren. Jesús (Wolfram Schorlemmer) ist ein Streuner, er hat scheinbar keine Vergangenheit und anscheinend auch keine Zukunft, er lässt sich nur treiben. Die beiden unterschiedlichen jungen Männer lernen sich zufällig kennen, es entsteht eine Freundschaft, ja sogar eine Art Liebe zwischen ihnen, auch wenn nie etwas offen ausgesprochen wird.

Jesús zieht zu Cem in dessen kleine Ein-Zimmer-Wohnung in einem Hochhaus in Westerland. Sie schotten sich ab, wollen ganz für sich sein. Cem spürt, dass er Jesús beschützen muss. Vor der ganzen Welt und am meisten vor sich selbst, denn Jesús kifft und kotzt und beides zu oft. Jesús ist hin- und hergerissen zwischen Cems Sorge um ihn und seinem eigenen Freiheitsdrang. Beide arrangieren sich irgendwie in ihrem Zusammenleben, aber alles entwickelt sich in die falsche Richtung.

Der bis dahin so "vernünftige" Cem, der sein Leben im Griff hatte und seine konkreten Zukunftspläne auch um jeden Preis verwirklichen wollte, fängt an zu schludern, um bei Jesús zu sein. Er reibt sich für ihn auf, vernachlässigt seine Arbeit und seine Freunde und Familie. Obwohl ihm niemand Vorwürfe macht und alle sehr verständnisvoll sind, bemerkt Cem, dass sich in seinem Leben etwas ändern muss. Vielleicht doch einmal runter von der Insel, auf der er sich so wohl fühlt und etwas anderes sehen und erleben? Alles ist offen und auch über eine gemeinsame Zukunft mit Jesús kann man nur spekulieren. Vielleicht sollte alles so sein, haben sich beide für eine gewisse Zeit gebraucht, man weiß es nicht, aber dieser kalte Winter auf Sylt, in dem alles eingefroren zu sein schien, geht vorüber und macht Platz für etwas Neues...

Eine kleine Warnung vorweg: Wer mit ruhigen Einstellungen, wenigen Dialogen und kargen Landschaftsaufnahmen nichts anfangen kann, der möge sich bitte einen anderen Film aussuchen. Wen das alles nicht stört, der kann sich auf ein Filmerlebnis freuen, das man so nicht oft zu sehen bekommt. Kameramann Fabian Spuck hat die Schönheit von Sylt im Winter perfekt eingefangen und wunderbare Bilder abgeliefert. Die bilden den Rahmen für die zarte Liebesgeschichte zwischen Cem und Jesús, die eigentlich gar keine Liebesgeschichte im üblichen Sinn ist und auch keine typisch schwule Love-Story. Darum geht es auch nicht wirklich und es muss auch nicht immer alles in Schubladen gesteckt werden. Es ist eben die Geschichte von Cem und Jesús, ohne irgendwelche begleitenden und erklärenden Worte dazu.

"Westerland" ist einfach ein sehr schöner Film geworden, auf den man sich halt einlassen muss, was ich nur sehr empfehlen kann. Die beiden hübschen jungen Darsteller sind sehr gut besetzt, wobei ich schon sagen muss, dass Burak Yigit der talentiertere von beiden ist. Egal, beide Rollen sind nicht ganz einfach zu spielen und beide Schauspieler meistern das wirklich gut. Ich mag ja diese kleinen Filme, die mal etwas wagen und ganz weit weg vom Mainstream sind, also mag ich auch diesen Film, der mich wirklich angenehm überrascht hat und für den ich deshalb auch eine ganz große Empfehlung ausspreche. Schön zu sehen, dass es Firmen wie Salzgeber (wer auch sonst?) gibt, die solche Projekte unterstützen.

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