Sonntag, 24. November 2013

Das Wochenende

"Das Wochenende" ist ein Film von Nina Grosse (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2012 und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Bernhard Schlink. Nina Grosse hat sich hier gegenüber der literarischen Vorlage jedoch einige Freiheiten genommen und da ich den Roman von Bernhard Schlink nicht kenne, bezieht sich meine Rezension nur auf den Film.

Jens (Sebastian Koch) ist ein ehemaliger RAF-Terrorist und wird nach achtzehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Seine Schwester Tina (Barbara Auer) nimmt ihn in Empfang und fährt mit ihm zu ihrem Landhaus in Brandenburg, das sie vor Jahren günstig erworben und mit viel Liebe restauriert hat.

Um die Freilassung von Jens zu feiern, hat Tina Freunde von früher eingeladen. Eigentlich will sie nur nicht mit ihm allein sein und auch die Freunde kommen nur zögerlich der Einladung nach. Da wäre zuerst Inga (Katja Riemann), die einst die Geliebte von Jens war und ihn verlassen hat, als sie schwanger war und er das Kind nicht wollte. Inzwischen ist sie mit Ulrich (Tobias Moretti) verheiratet und hat mit ihm zusammen eine Tochter namens Doro (Elisa Schlott).

Auch der ehemalige Weggefährte Henner (Sylvester Groth) kommt zu Besuch, der seine Erinnerungen an die gemeinsame Zeit in einem Buch verfasst hat. Alle gehen sehr vorsichtig miteinander um, niemand traut sich etwas zu sagen, bis der bis dahin schweigsame Jens es zur Sprache bringt. Er will wissen, wer ihn damals verraten hat. Wer hat der Polizei seinen Aufenthaltsort verraten und ihn damit ausgeliefert? Ein heftiger Streit entbrennt und lässt die Freunde von einst an diesem Abend zerstritten auseinandergehen.

Am nächsten Tag erscheint überraschend Doro, die Tochter von Inga und Ulrich, die an Jens sehr interessiert scheint und ihn mit Gregor (Robert Gwisdek), seinem Sohn zusammenführt, auch wenn der sich nicht gleich als dieser ausgibt. Der Hass des ungeliebten Sohnes auf seinen Vater ist zu stark, hier muss es erst noch zu Gewalttätigkeiten kommen, bevor man in Ruhe miteinander reden kann.

Und auch sonst gibt es hier noch einiges zu bereden, was bisher nur im Verborgenen stattfinden konnte. Inga muss sich entscheiden, ob sie weiterhin mit Ulrich leben kann oder will, während ihre Zuneigung zu Jens wieder wächst.

Insgesamt gesehen muss man die RAF-Vergangenheit hier mal gleich wieder vergessen, denn darum geht es gar nicht. Das ist eher ein Gesellschaftsporträt einiger Menschen um die Fünfzig, die ihre jeweiligen Lebensentwürfe hinterfragen und als solches funktioniert es auch ganz gut. Da hat Regisseurin Nina Grosse alles richtig gemacht.

Was den Film sehenswert macht, sind natürlich die Schauspieler und da muss man in erster Linie Sebastian Koch und Katja Riemann erwähnen, die wirklich herausragend sind. Die anderen Darsteller sind aber ebenso überzeugend. Sehr sehenswert sind aber auch noch die Interviews in den Extras, die man nicht verpassen sollte. Alles sehr empfehlenswert.



Animals

"Animals" ist ein Film von Marçal Forés aus dem Jahr 2012. Das Drehbuch schrieb Forés zusammen mit Enric Pardo und Aintza Serra.

Der siebzehnjährige Pol (Oriol Pla) ist ein schweigsamer Junge, der mit seinem älteren Bruder Llorenç (Javier Beltrán) zusammenlebt. Llorenç ist Polizist und hat immer ein wachsames Auge auf seinen kleinen Bruder. Pols Freunde sind seine Mitschüler Laia (Roser Tapias) und Mark (Dimitri Leonidas), doch sein engster Vertrauter ist sein Teddybär, dem er alle seine Sorgen anvertraut, der ihn begleitet und mit dem er zusammen Musik macht. Das hört sich jetzt verrückter an als es eigentlich ist, denn der Teddy hat ein Eigenleben und Pol kann nicht ohne ihn sein.

Allerdings steht Pol jetzt an der Schwelle zum Erwachsenwerden und er sieht ein, dass er sich früher oder später von seinem Teddy verabschieden muss. Das ist keine leichte Entscheidung und Pol hadert auch gerade mit sich und der Welt. Es stürmt so viel auf ihn ein. Laia möchte mehr als eine Freundin für ihn sein und der neue Mitschüler Ikari (Augustus Prew) wird für ihn zum begehrten Objekt, auch wenn Pol sich über seine Gefühle nicht klar ist. Wie sehr würde er jetzt seinen Teddy als Ratgeber brauchen, aber den hat er soeben entsorgt.

Pol kommt Ikari tatsächlich näher, ist danach aber verwirrter als zuvor. Das gemeinsame Armritzen darf in diesem Zusammenhang sicher als Metapher gedeutet werden. Auf jeden Fall fließt Blut, der Übergang zum erwachsenen Menschen ist wie eine Neugeburt, aber auch der Tod schwebt über allem. Tod oder Leben, was wird hier überwiegen?

Marçal Forés hat sein Spielfilmdebüt vollgepackt mit diversen Themen des Coming of Age und es dabei vielleicht ein bisschen zu gut gemeint. Das Ende ist dann auch etwas verwirrend, wenn auch visuell sehr gut gelungen, wie der ganze Film. Man muss nicht alles verstehen, aber die Bilder überzeugen zu jeder Zeit. Auch über den Abspann hinaus bleibt man in diesem Film und kann die Bilder wirken lassen, während man immer weiter rätseln kann, was der Regisseur nun eigentlich genau erzählen wollte. Das ist ja nie verkehrt.

Unterlegt ist das alles mit sehr guter Musik, die passend ausgewählt wurde. Sehr gelungen. Die Darsteller sind ebenfalls hervorragend ausgesucht, allein schon Oriol Pla ist ein Hauptgewinn. Ein ausgesprochen hübscher junger Mann, dem man seine Rolle jederzeit abnimmt. In einer Nebenrolle ist Martin Freeman als Kunstlehrer zu sehen und auch er überzeugt in jeder Szene.

Also insgesamt gesehen ein Film für Liebhaber kleiner und feiner Independentfilme. Nichts für die große Masse, aber eine echte Empfehlung. Weitere Werke von Marçal Forés wären wünschenswert.

Montag, 18. November 2013

Top of the Lake

"Top of the Lake" ist eine sechsteilige Mini-Serie, die Jane Campion zusammen mit Gerard Lee geschrieben hat, aus dem Jahr 2012. Regie führten abwechselnd Jane Campion und Garth Davis.

Hier mal eine ganz dicke Empfehlung für eine kleine Serie, die aber eine abgeschlossene Handlung hat, also quasi ein extra langer Spielfilm. Es gibt sechs Folgen, die jeweils ca. 50 Minuten Laufzeit haben. ARTE hat dieses kleine Kunstwerk gerade an zwei Abenden ausgestrahlt, aber inzwischen gibt es auch die DVDs zu kaufen oder zu leihen. Zu sehen ist wahlweise die Originalfassung oder die deutsche Synchronisation, die aber gut gelungen ist.

Nur kurz zur Handlung: Die junge Polizistin Robin (Elisabeth Moss) kommt aus Sydney zurück in ihren Heimatort nach Neuseeland, um ihre krebskranke Mutter Jude (Robyn Nevin) zu besuchen, die nicht mehr lange zu leben hat. Vom örtlichen Polizeichef Al Parker (David Wenham) wird Robin um Unterstützung gebeten, da sie auf die Arbeit mit Kindern spezialisiert ist.

Die zwölfjährige Tui (Jacqueline Joe) wurde aus einem eiskalten See gezogen. Bei der Untersuchung wird festgestellt, dass das Mädchen im fünften Monat schwanger ist. Den Namen des möglichen Vaters kann oder will Tui aber nicht nennen. Al Parker schickt das Mädchen wieder zurück zu ihrem Vater, dem zwielichtigen Matt (Peter Mullan), der großen Einfluss im Dorf hat. Am nächsten Tag verschwindet Tui spurlos und eine Suchaktion wird gestartet, die aber im Nichts verläuft.

Robin trifft in der Zwischenzeit auf ihren früheren Freund Johnno (Thomas M. Wright), einen der Söhne von Matt. Sie verlieben sich erneut, auch wenn die Umstände gegen eine Beziehung sprechen und besonders Robins Mutter Bedenken äußert.

Der Makler Bob Platt hat inzwischen das idyllische Seegelände namens "Paradise" an eine Gruppe von Frauen verkauft, was ihm Ärger mit Matt einbringt, der ein Vorkaufsrecht darauf hatte. Die Frauen, die alle im mittleren Alter sind und allesamt schlechte Erfahrungen mit Männern hatten, haben sich dort in Containern häuslich eingerichtet. Ihre "Anführerin" ist GJ (Holly Hunter), die von den anderen Frauen für eine Art Medium gehalten wird.

Tuis Verschwinden lässt Robin keine Ruhe und sie gibt die Suche nicht auf. Doch als sie weiter in diesen Fall und die Zustände im Ort gezogen wird, kommen auch schlimme Erinnerungen an ihr eigenes Leben ans Licht, die Robin lieber nicht zugelassen hätte. Ihre Liebe zu Johnno wird in Frage gestellt und warum macht ihr ausgerechnet Al Parker plötzlich einen Heiratsantrag?

Die Antwort darauf gebe ich hier nicht, aber eine ganz klare Empfehlung für diese tolle Serie, die noch für einige Überraschungen sorgen wird. Dieses Projekt ist grandios gelungen, ich habe selten so etwas Beeindruckendes gesehen. Vor einer traumhaft schönen Naturkulisse spielt sich hier ein Drama ab, das von der ersten Minute an fesselt. Gut, gegen Ende wird die Logik auch schon mal außer Acht gelassen, aber das macht wirklich überhaupt gar nichts.

Ein weiterer Trumpf sind die Schauspieler, die einfach nur brillant sind. Neben der großartigen Elisabeth Moss überzeugen vor allen Dingen Peter Mullan, der herrlich fies und charmant gleichzeitig sein kann, und David Wenham, der hier einen sehr ambivalenten Part hat und absolut undurchsichtig bleibt. Aber auch der restliche Cast kann jederzeit überzeugen, wie z. B. Holly Hunter, die zwar nur eine kleine Rolle hat, aber gewohnt zuverlässig spielt.

Ein tolles Erlebnis, das man nicht verpassen sollte, es lohnt sich auf jeden Fall. Wie angenehm, mal ein so gut gemachtes und unaufgeregtes Produkt sehen zu können.

Only God Forgives

"Only God Forgives" ist ein Film von Nicolas Winding Refn (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013. Für die musikalische Untermalung war erneut Cliff Martinez zuständig.

Der Amerikaner Julian (Ryan Gosling) betreibt zusammen mit seinem Bruder Billy (Tom Burke) in Bangkok einen Boxclub. Genau genommen dient der Boxclub aber nur als Fassade für den erfolgreichen Drogenhandel, der hier stattfindet. Billy hat ein krankes Verhältnis zu Frauen und eines Tages vergewaltigt und tötet er im Drogenrausch eine minderjährige Prostituierte. Der ermittelnde Polizist Lt. Chan (Vithaya Pansringarm) bringt den Vater des toten Mädchens dazu, Billy zu töten. Das setzt eine Gewaltspirale in Bewegung, die noch viele Opfer fordern wird.

Crystal (Kristin Scott Thomas), die Mutter von Billy und Julian, die sich daheim um den Drogenhandel kümmert, kommt nach Bangkok, um von Julian Rache für ihren toten Sohn zu fordern. Der zeigt sich nicht sonderlich begeistert von Mutters Plänen, also sucht Crystal sich andere Männer, die für sie töten sollen. Alles läuft aus dem Ruder, denn Chan ist ihnen immer überlegen und schneller als seine Verfolger. Julian fordert Chan zu einem Kampf heraus, bei dem er klein beigeben muss, weil Chan zu stark für ihn ist. Er verliert den Kampf, das hübsche Gesicht ist zu Brei geschlagen und Julian muss erkennen, nichts weiter ausrichten zu können. Doch Chan ist mit seiner Arbeit noch nicht fertig...

Mein lieber Schwan, was für ein Film. Nach seinem großen Erfolg mit "Drive" unterläuft Regisseur Nicolas Winding Refn hier sämtliche Erwartungen, die das Publikum wohl an einen Nachfolgefilm hatte und lässt die Zuschauer verstört zurück. Wirklich ein genialer Schachzug. Die Handlung ist hier eigentlich nur Nebensache, im Mittelpunkt stehen die Bilder, die wie aus einem schlimmen Fiebertraum wirken und direkt in die Magengrube hauen. Knallige rote Farben dominieren das Geschehen, ein Spiel mit Licht und Schatten, dazu der hypnotische Soundtrack und immer wieder Blut. Was ist hier Traum und was ist Wirklichkeit?

Es wird insgesamt nur wenig gesprochen, wer damit Probleme hat, der ist im falschen Film. Auf dieses Werk muss man sich einlassen können, dann funktioniert es fabelhaft. Die Brutalität könnte ebenfalls viele Zuschauer verschrecken, denn dieser Alptraum aus Sex, Gewalt und Tod ist nichts für schwache Nerven. Im Vergleich zu anderen Filmen finde ich hier die FSK16 teilweise doch sehr großzügig.

Die erneute Zusammenarbeit mit Ryan Gosling war so ursprünglich gar nicht geplant, Gosling sprang kurzfristig für einen anderen Schauspieler ein. Viel Text hatte er jedenfalls nicht zu lernen, denn seine Rolle ist eher still gehalten. Ich mag ja Ryan Gosling und halte ihn auch für sehr talentiert, aber er sollte künftig darauf achten, nicht immer wieder in das gleiche Schema gepresst zu werden. Er spielt diese wortlosen und nachdenklichen Typen wirklich gut, aber jetzt reicht es damit auch erst mal.

Ganz anders dagegen die wundervolle Kristin Scott Thomas, hier als Mutter aus der Hölle, mit viel Mut zur Hässlichkeit. So hat man sie noch nie gesehen und sie ist definitiv atemberaubend und beängstigend zugleich. Die heimlich Hauptrolle hat hier aber der gnadenlose Lt. Chan, der von Vithaya Pansringarm perfekt verkörpert wird. Er wirkt so sanft, sein Kragen ist immer blütenweiß und er liebt Karaoke, aber niemand im ganzen Film ist so gefährlich wie er.

Also wer sich auf diesen irren Trip einlassen kann, dem könnte der Film gefallen. Wer aber auf Mainstream steht, der sollte lieber die Finger davon lassen. Von mir gibt es jedenfalls eine klare Empfehlung.

Sonntag, 10. November 2013

More Than Friendship

"More Than Friendship" ist ein Film von Timmy Ehegötz (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2013.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Beziehung von Mia (Michèle Fichtner), Jonas (Holger Foest) und Lukas (Jakob Graf), die schon seit der Schulzeit miteinander befreundet sind, seit drei Jahren jedoch auch als Liebende zusammen leben. Diese dreisame Beziehung stößt bei ihren Mitmenschen, ja sogar bei den eigenen Eltern auf Unverständnis.

Nun steht, wie jedes Jahr, wieder ein gemeinsamer Urlaub an, in dem sich die Freunde nur um sich kümmern und sämtliche Anfeindungen anderer Menschen erfolgreich ignorieren. Sie leben ihre Liebe und genießen die Zeit, die sie miteinander verbringen können. Doch die fröhliche und ausgelassene Urlaubsstimmung ist dieses Jahr getrübt, denn Jonas ist schwer an Krebs erkrankt und hat nicht mehr lange zu leben. Es wird ihr letzter gemeinsamer Urlaub sein, auch wenn sie den Gedanken an den bevorstehenden Tod des Freundes noch zu verdrängen versuchen. Der Umgang miteinander ist besonders liebevoll und harmonisch, nichts soll ihnen diese Tage verderben.

Doch plötzlich muss Jonas ins Krankenhaus, weil er eine Blutvergiftung hat. Sein ohnehin schon durch den Krebs geschwächter Zustand verschlimmert sich und den Ärzten sind die Hände gebunden, denn Jonas hat eine Patientenverfügung erstellt, die Mia dem behandelnden Arzt übergeben hat. Jonas hatte Mia erst kurz zuvor darum gebeten, die ihm diesen Wunsch nur schweren Herzens erfüllen konnte. Mia und Lukas stehen ihrem Freund bei, auch wenn sie kaum noch Kraft aufbringen können. Zu groß ist die Angst, Jonas zu verlieren.

Die Situation verschärft sich, als die Eltern von Jonas (Andreas Külzer und Gabrielle Scharnitzky) im Krankenhaus auftauchen, die mit dem "Lebensstil" ihres Sohnes nichts anfangen konnten und ihm deswegen Vorwürfe gemacht haben. Von den Ärzten erfahren sie von der Patientenverfügung, von der sie bisher nichts wussten. Jonas wollte keine lebenserhaltenden Maßnahmen, doch mit dieser Entscheidung kann seine Mutter nicht umgehen und lässt ihre Wut und Verzweiflung darüber an Mia und Lukas aus.

Die schönen Tage sind vorüber, es bleibt ihnen nur, sich von ihrem Freund zu verabschieden und die gemeinsam verbrachte Zeit und ihre Liebe für immer im Herzen zu tragen.

In seinem zweiten Spielfilm greift Regisseur Timmy Ehegötz ein sehr aktuelles Thema auf: Wie geht man mit dem Tod eines geliebten Menschen um? Können wir ihm seinen letzten Willen erfüllen? Niemand möchte in so einer Situation sein, doch jeden von uns kann es früher oder später treffen. Über den Tod möchte man nicht sprechen, aber vielleicht sollte man versuchen, dieses heikle Thema mehr in den Alltag zu integrieren, um ihm ein wenig den Schrecken zu nehmen.

Mia, Jonas und Lukas leben ein alternatives Lebens- und Liebesmodell, was ich persönlich sehr gelungen finde. Warum sollte das nicht funktionieren? Müssen Menschen etwas ablehnen, nur weil sie es nicht verstehen können? Ein wenig mehr Verständnis und Respekt für das Leben anderer Personen täte hier wirklich gut. Jeder sollte den Menschen lieben können, den er lieben will, ist das wirklich schon zu viel verlangt?

Der Film ist ein studentisches Independent-Filmprojekt und entstand mit einem Budget von rund 33.000 Euro, was natürlich extrem wenig ist, aber das sieht man dem fertigen Projekt nicht an. Ich habe schon viele Low-Budget-Filme gesehen, aber kaum einer sah so gut aus wie dieser. Die Bilder sind schön gefilmt, alles macht einen recht hochwertigen Eindruck, hier steckt viel Herzblut drin, das sieht man.

Besonders erwähnen möchte ich noch die sehr gelungene Musikuntermalung, die wirklich schön und passend ausgewählt wurde. Die jungen Darsteller machen ihre Sache gut, hier sollte man auch nicht zu kritisch sein, denn das Thema ist schon heftig und verlangt einem viel ab.

Insgesamt gesehen ist dieser Film ausgesprochen gut gelungen und bekommt eine ganz dicke Empfehlung von mir. Ich habe ihn inzwischen auch schon mehrfach gesehen und er packt mich jedes Mal wieder. Hier gibt es gar nichts zu meckern, alles wunderbar und sehr berührend. Ich wünsche diesem Film viele begeisterte Zuschauer.

Samstag, 9. November 2013

The Presence

"The Presence" ist ein Film von Tom Provost (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2010, der gerade auf DVD veröffentlicht wurde. Angepriesen wird er als Horror-Story, aber das stimmt so nicht, eher haben wir es hier mit einer "Geister-Romanze" zu tun. Zugegeben, das ist ein blöder Begriff, aber etwas Besseres fällt mir dazu nicht ein.

Zur Story: Eine Frau (Mira Sorvino) zieht sich zurück in die einsam gelegene Waldhütte ihrer verstorbenen Großeltern, um in Ruhe arbeiten zu können. Hier hat sie als Kind glückliche Zeiten verlebt, aber sie wird auch von unangenehmen Erinnerungen an ihren Vater verfolgt, die dafür verantwortlich sind, dass sie keinem Mann wirklich vertrauen kann. In der Hütte ist sie jedoch nicht allein, denn ein wortloser Geist (Shane West) lebt dort und beobachtet die Frau. Eine Bedrohung scheint von ihm nicht auszugehen, scheinbar ist er irgendwie in dieser Hütte gefangen.

Völlig unerwartet trifft der Freund (Justin Kirk) der Frau in der Hütte ein, um ihr einen Heiratsantrag zu machen. Er schafft es schließlich sogar, ihre Abwehr zu durchbrechen und sie nimmt seinen Antrag an. Doch schon kurze Zeit später verschärft sich die Situation. Die Frau fühlt sich bedrängt, in ihrer Ruhe gestört und es kommt zum Streit.

Verantwortlich dafür ist ein zweiter Geist (Tony Curran), der sein Unwesen im Haus treibt und nur böse Absichten hat. Er lockt den Freund der Frau in eine Falle und gerät mit dem anderen Geist aneinander, bevor eine höhere Instanz (Deobia Oparei) die Situation retten kann.

Also eigentlich ist das alles ziemlicher Blödsinn, den man gerne verpassen könnte, wären die Schauspieler hier nicht so interessant. Mira Sorvino und Justin Kirk sieht man leider sowieso viel zu selten, da muss man sich eben auch mal durch einen eher mittelmäßigen Film bemühen. Die Geschichte an sich ist ja gar nicht mal so schlecht, sie ist aber leider sehr langweilig erzählt und verlangt vom Zuschauer einen langen Atem. Wer hier auf Action und Horror wartet, der kann sich gleich verabschieden, das gibt es hier ganz sicher nicht.

Wer sich allerdings auf die ruhige Erzählweise einlassen kann, dem könnte der Film durchaus gefallen. Man muss nicht alles ganz ernst nehmen und einiges wirkt auch ein wenig lächerlich, aber trotzdem hat der Film sehr sehenswerte Momente.

Die DVD verfügt leider über keine Untertitel, der Film ist im Original oder in der deutschen Synchronisation zu sehen. Bitte wie immer das Original anschauen, die deutschen Stimmen sind furchtbar und verändern die Charaktere total. Darüber kann ich mich immer wieder aufregen.

Sonntag, 3. November 2013

Lou Reed: Rock and Roll Heart

"Lou Reed: Rock and Roll Heart" ist ein Dokumentarfilm von Timothy Greenfield-Sanders aus dem Jahr 1998.

Lou Reed wurde am 02.03.1942 geboren und verstarb am 27.10.2013. Er war einer der einflussreichsten Musiker seiner Zeit und schon zu Lebzeiten eine Legende. Diese ausgesprochen sehenswerte Dokumentation beleuchtet seinen Werdegang und sein privates Umfeld, die ersten Arbeiten in New York und die Gründung von Velvet Underground. Es gibt wunderbare Aufnahmen aus Andy Warhols Factory, der die Band bekannt gemacht hat.

Der Film lässt nichts aus, er verfolgt die Karriere von Lou Reed bis weit in die Neunziger Jahre und zeigt dabei die Wandelbarkeit dieses Ausnahmemusikers. Ich will hier gar nicht weiter ins Detail gehen, denn diese Dokumentation kann ich jedem Fan nur sehr ans Herz legen.

Viele Freunde und Weggefährten kommen zu Wort, wie z. B. John Cale, David Bowie, David Byrne, Patti Smith, Joe Dallesandro, Holly Woodlawn und viele mehr.

Seit 1995 war Lou Reed mit der Performance-Künstlerin Laurie Anderson liiert, die er 2008 geheiratet hat.

Da dieser Film aus dem Jahr 1998 stammt, fehlen natürlich die letzten fünfzehn Jahre seines Schaffens. Auch da ist Lou Reed nicht untätig gewesen und ich würde mir wünschen, dass sich jemand auch für diese Zeit interessiert und einen ähnlich guten Film darüber dreht. Lou Reed hat es verdient, denn er war immer wegweisend, für viele Stile und Musiker.

Ein großer Künstler hat uns leider viel zu früh verlassen, er wird uns fehlen, aber seine Musik bleibt in unseren Herzen. Leb wohl Lou, Du bist und bleibst einzigartig!



I Am A Woman Now

"I Am A Woman Now" ist ein Film von Michiel van Erp aus dem Jahr 2011 und beschäftigt sich mit fünf Frauen, die sich in den 1960er- und 1970er-Jahren von dem legendären Arzt Dr. Georges Burou in Casablanca operieren ließen.

Einst waren sie Männer, aber sie fühlten sich als Frauen, die im falschen Körper gefangen waren. Dr. Georges Burou war der erste Arzt, der diese Art der Operation durchführte, die Methode dazu hatte er selbst entwickelt. Sein Ruf ging um die Welt, von überall kamen die Patienten zu ihm, die ihr ganzes Geld gespart hatten, um sich ihren größten Traum erfüllen zu lassen. In Casablanca wurden sie als Frauen geboren und auch heute noch, viele Jahrzehnte später, sind sie dem Arzt, der 1987 gestorben ist, auf ewig dankbar.

Colette, Marie-Pierre (Bambi), Corinne, April und Jean. Inzwischen sind sie alle in den Siebzigern und blicken zurück auf ihr Leben, wobei keine von ihnen die Entscheidung zur Operation je bereut hat, auch wenn das Leben als Transsexuelle nie ganz einfach für sie war. Der ehemalige Lebensgefährte einer der Damen fasst es sehr gut zusammen: Das Leben mit einer Transsexuellen ist einfach, aber die Außenwelt macht es schwer.

Zu sehen sind auch Filmausschnitte aus dem Pariser Club "Le Carrousel", in dem unter anderem auch Bambi und Coccinelle auftraten, die alle ihren Weg nach Casablanca fanden. Da Dr. Burou nicht mehr befragt werden konnte, erzählt sein Sohn von seinen Erinnerungen an seinen Vater.

Eine sehr beeindruckende Dokumentation, die ich nur sehr empfehlen kann. Die Damen sind wunderbar, ihre Geschichten sind berührend und das Thema ist immer noch hochaktuell. Viele Menschen verurteilen etwas, weil sie es nicht verstehen können und lehnen es deshalb ab. Filme wie dieser sollten zum Nachdenken anregen, es lohnt sich.

Aleksandr's Price

"Aleksandr's Price" ist ein Film von Pau Masó aus dem Jahr 2013. Pau Masó fungierte hier als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent, ist aber auch noch für den Schnitt zuständig gewesen und sein eigener Hauptdarsteller. Puh, ziemlich viel für einen jungen Mann Ende Zwanzig, auf jeden Fall sehr ambitioniert, aber leider doch eine zu große Herausforderung.

Der junge Russe Aleksandr (Pau Masó) ist vor einigen Jahren zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester nach New York gezogen. Sein Vater hat die Familie früh verlassen, um nach Amerika zu gehen und seine Frau hoffte immer, ihn eines Tages finden zu können. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht und nachdem Aleksandrs Mutter ihren Job verloren hatte, wurde sie immer depressiver, begann zu trinken und beging schließlich Selbstmord. Aleksandrs Schwester verschwand daraufhin wortlos mit dem letzten Geld der Familie.

Aleksandr blieb allein zurück, ein Illegaler in einer großen und fremden Stadt, ohne Geld und ohne Arbeit. Seine einzige Freundin Emma (Samantha Glovin) will ihm helfen und schickt ihn zu einem Bekannten, der eine Bar betreibt. Nun, eigentlich ist das ein Schwulen-Club und der hübsche Aleksandr wird hier als Tänzer engagiert. Er kommt bei den Gästen des Clubs gut an und schon bald wird er für Sex bezahlt. Der naive Aleksandr begreift selbst nicht so genau, was eigentlich mit ihm geschieht, er ist auf der Suche nach einem Freund, weil er so einsam ist.

Der verheiratete Keith (Josh Berresford) ist sein erster Kunde und trifft sich öfters mit ihm, aber an einer Freundschaft ist er nicht interessiert. Der etwas ältere Tom (Keith Dougherty) möchte sich mit Aleksandr anfreunden, aber der gibt ihm immer wieder einen Korb. Aleksandr driftet immer mehr ab, nimmt Drogen, um seinen Job zu überstehen und gerät zunehmend in gefährliche und verhängnisvolle Situationen. Er wird mehrfach betäubt und vergewaltigt, hat Selbstmordgedanken und weder Emma noch Tom dringen zu ihm durch. Den Tiefpunkt erreicht er dann bei einem zufälligen Treffen mit seinem Vater...

Die ganze Geschichte erzählt Aleksandr seiner Therapeutin Dr. Mary (Anatoli Grek) in ihrer Praxis, während die entsprechenden Szenen aus seinem Leben als Film erscheinen.

Hm, schwierig zu beurteilen. Also die Story an sich ist gar nicht mal schlecht, aber nichts, was man nicht schon etliche Male vorher gesehen hat und dazu noch völlig überfrachtet. Die wenigen Nebenfiguren bleiben dabei ohne jeden Hintergrund, denn von der besten Freundin Emma z. B. erfährt man gar nichts weiter. Wer ist sie und was macht sie? Fehlanzeige.

Das größte Problem ist aber Pau Masó als Hauptdarsteller, denn der ist lediglich hübsch und hat einen schönen Körper, aber eher kein schauspielerisches Talent. Sorry. Die meiste Zeit ist er zudem nur weinerlich und verzweifelt, was mit der Zeit ziemlich nerven kann. Wenn ihm Hilfe angeboten wird, dann schlägt er sie aus und wenn ihm niemand hilft, dann heult er wieder. Da bleiben die Sympathien für seine Figur dann auch schnell auf der Strecke.

Da das hier eine amerikanische Produktion ist, gibt es auch weit und breit keine erotische Szene oder Nacktheit zu sehen, das kennt man ja. Schade, vielleicht hätte der Film hier noch punkten können, aber auch daraus wird nichts.

Insgesamt gesehen nur eine sehr eingeschränkte Empfehlung von mir für diesen Film, den man aber auch gerne verpassen kann. Bleibt noch zu erwähnen, dass die Musikuntermalung ziemlich misslungen ist, aber auch das ist, wie der ganze Rest, gleich wieder vergessen.