"L'homme blessé" ist ein Film von Patrice Chéreau aus dem Jahr 1983. Das Drehbuch schrieb Chéreau zusammen mit Hervé Guibert. In Deutschland hat der Film den Titel "Der verführte Mann".
In einer Provinzstadt in Frankreich lebt der achtzehnjährige Henri (Jean-Hugues Anglade) zusammen mit seinen Eltern (Annick Alane und Armin Mueller-Stahl) und seiner Schwester (Sophie Edmond). Henri und seine Eltern bringen seine Schwester zum Bahnhof, doch der Zug hat Verspätung. Im allgemeinen Durcheinander der An- und Abreisenden geht der junge und erlebnishungrige Henri auf Entdeckungsreise.
Bald schon begegnet er einem älteren Herrn (Roland Bertin), der ihn mit Blicken verfolgt, dem er aber zunächst noch voller Scheu aus dem Weg geht. Doch Henris Neugier ist gepackt, er will etwas erleben, auch wenn er gleichzeitig große Angst hat. Auf der Bahnhofstoilette trifft er schließlich auf den Stricher Jean (Vittorio Mezzogiorno), der gerade einen seiner Kunden verprügelt und ausraubt. Jean bemerkt Henri und küsst ihn wild und leidenschaftlich, zwingt ihn aber auch dazu, den auf dem Boden liegenden Freier zu treten. Danach verschwindet er und um Henri ist es geschehen.
Jean geht ihm nicht mehr aus dem Kopf und Henri verbringt von da an immer mehr Zeit auf dem Bahnhofsgelände, um dem Objekt seiner Begierde nahe zu sein. Doch Jean entzieht sich ihm immer wieder, lässt sich auf nichts ein. Er spielt mit Henri, nimmt ihn mit zu seiner Freundin Elisabeth (Lisa Kreuzer), bei der er gelegentlich wohnt und verschwindet auch von dort wieder wortlos. Henri zieht Jeans Sachen an und verfolgt ihn weiter. Er trifft immer wieder auf den älteren Bosmans, der mehr über Jean zu wissen scheint, als er zugeben will.
Als Henri schließlich in einem billigen Club auf den durch Drogen betäubten Jean trifft, lässt er seiner lang aufgestauten Leidenschaft freien Lauf und tötet den vermeintlichen Geliebten in einem Akt der Verzweiflung. Niemand außer ihm soll Jean noch besitzen dürfen.
Das ist ein wohl weitgehend unbekannter Film von Patrice Chéreau, der hier auch leider nur in der französischen Fassung zu haben ist. Schade, denn der Film bietet so viel, er müsste und sollte eigentlich wesentlich bekannter sein. Da sind z. B. die wunderbaren Bilder von Kameramann Renato Berta, der die trostlosen Orte des Geschehens wirklich erschreckend gut einfängt und sie kalt und brutal erscheinen lässt. Besonders das Bahnhofsmilieu und die Stricherszene jagen einem Schauer über den Rücken.
Jean-Hugues Anglade, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits 27 Jahre alt war, spielt hier sehr überzeugend den achtzehnjährigen Henri, der auf der Suche nach seiner eigenen Sexualität ist und von seiner Leidenschaft überwältigt wird. Ganz große Leistung eines wunderbaren Schauspielers. Vittorio Mezzogiorno ist als Jean sehr ambivalent, aber ebenso großartig. In den Nebenrollen überzeugen vor allen Dingen Roland Bertin als Voyeur und die wunderbare Lisa Kreuzer als Elisabeth.
Ganz große Empfehlung von mir für einen relativ unbekannten und auch unbequemen Film, der sich aber auf jeden Fall lohnt. Wer sich darauf einlassen kann, der wird mit einem sehr packenden Filmerlebnis belohnt werden, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Und Patrice Chéreau macht sowieso keine schlechten Filme.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen