Samstag, 28. Juli 2012

Kawa

"Kawa" - "Night in the Gardens of Spain" ist ein Film von Katie Wolfe aus dem Jahr 2010. Das Drehbuch stammt von Witi Ihimaera, der auch die Geschichte geschrieben hat.

Der Handlung spielt in Neuseeland. Der Maori Kawariki (Calvin Tuteao) ist ein erfolgreicher Mann, glücklich verheiratet mit seiner Frau Annabelle (Nathalie Boltt) und Vater von zwei Kindern, Sebastian (Pana Hema Taylor) und Miranda (Miriama-Jane Devantier). Bald schon soll er, nach alter Tradition, die Rolle des Familienoberhaupts übernehmen, weil sein Vater sich zur Ruhe setzen will.

Doch die Idylle täuscht, denn Kawa hat sich eine eigene Wohnung genommen, ohne seiner Familie den tatsächlichen Grund dafür zu nennen. Kawa ist schwul, bereits seit seinem zwölften Lebensjahr und hat dieses Gefühl immer unterdrückt. Heimliche Saunabesuche sind für ihn zur Gewohnheit geworden. Nun will er sich selbst nicht länger belügen, sein Leben leben und steht vor dem Problem, das seiner Familie erklären zu müssen.

Mit dem jungen Schauspieler Chris (Dean O'Gorman) hat er ein Verhältnis, aber Chris will mehr von Kawa. Der ist jedoch noch nicht bereit, öffentlich zu seinen Gefühlen zu stehen. Kawas Mutter sieht die beiden Männer nachts am Strand und wirft Kawa daraufhin aus ihrem Haus.

Das Verhältnis zu Chris zerbricht, die Familie reagiert verwirrt und will das alles nicht wahrhaben. Als schließlich noch die kleine Miranda nachts in Richtung Meer wegläuft, ist es Kawa, der sie natürlich rettet. Am Ende haben sich wieder alle lieb, Kawas Vater besucht seinen Sohn in dessen Wohnung, wo natürlich kein anderer Mann zugegen ist, und zeigt sich verständnisvoll. Kawa soll trotz allem das Familienoberhaupt sein.

Ist das nicht schön? Nein? Gut, hier wird mal wieder kein Klischee ausgelassen, das ist wohl wahr. Das Ende ist mir auch zu süß geraten, doch ich hatte mir den Film insgesamt schlimmer vorgestellt. Trotzdem ist er leider auch nicht besonders gut geworden, mal von den vielen schönen Landschaftsaufnahmen abgesehen.

An den Darstellern gibt es dabei gar nichts auszusetzen, vor allen Dingen Calvin Tuteao macht seine Sache sehr gut. Insgesamt bleibt aber eher ein schaler Nachgeschmack, weil hier vor allem ein bisschen Mut fehlt, das Thema wirklich zu vertiefen. Kann man sehen, muss man aber nicht.

Als die "Gardens of Spain" bezeichnet ein älterer Schwuler, den Kawa in der Sauna kennenlernt, die Badehäuser und Bars, in denen er sich herumtreibt, was ihm als Ausrede seiner Mutter gegenüber dient, die das für ein Restaurant hält.

Dienstag, 24. Juli 2012

Little Odessa

"Little Odessa" ist ein Film von James Gray (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1994 und gleichzeitig das sehr bemerkenswerte Regiedebüt des damals erst fünfundzwanzigjährigen Gray.

Joshua Shapira (Tim Roth) ist ein Auftragskiller, der seine Jobs schnell und präzise erledigt. Sein neuer Auftrag führt ihn gegen seinen Willen nach Brighton Beach, New York, seiner alten Heimat. Dort lebt seine Familie, die er seit Jahren nicht gesehen hat, seit sein Vater ihn verstoßen hat. Und dort herrscht Boris Volkoff (Paul Guilfoyle), der mit Joshua noch eine offene Rechnung hat.

Kaum im Viertel angekommen, wird Joshua von Sasha (David Vadim) bemerkt, der Joshuas jüngeren Bruder Reuben (Edward Furlong) gleich davon in Kenntnis setzt. Reuben vergöttert und idealisiert seinen großen Bruder und will ihn unbedingt treffen. Zu Hause ist die Stimmung am Boden. Die Mutter Irina (Vanessa Redgrave) liegt schwerkrank im Bett, schreit vor Schmerzen und stirbt langsam und qualvoll an einem Gehirntumor. Der Vater Arkady (Maximilian Schell) kümmert sich so gut es geht um seine Familie, flüchtet aber immer öfter zu seiner jüngeren Geliebten Natasha (Natalya Andreychenko).

Joshua trifft sich mit Sasha und seinen Freunden, um sie für seinen Auftrag anzuheuern. Ein russischer Juwelier soll beseitigt werden. Mit Reubens Hilfe besucht er auch seine Mutter, die immer mehr verfällt. Es kommt auch zu einer Auseinandersetzung mit seinem Vater, die für beide unerfreulich ist. Arkady steht bei Boris Volkoff in der Schuld und muss eine Entscheidung treffen, die schwere Folgen haben wird.

Kurze Momente des Glücks findet Joshua bei seiner früheren Freundin Alla (Moira Kelly), doch die vergehen viel zu schnell und die brutale Wirklichkeit holt die beiden ein. Der anschließende Showdown und das stumme Ende lassen den Zuschauer fröstelnd zurück.

"Little Odessa" ist der Name des Viertels Brighton Beach, in dem viele russische Juden eine neue Heimat gefunden haben und doch ihrer alten Heimat immer noch nachtrauern, jedenfalls die meisten älteren Bewohner. James Gray lässt seinen Film im kalten Winter spielen, alles ist eisig und unbarmherzig, die Gefühle sind erfroren. Es gibt nur kaum spürbare Anzeichen von Glück, der Tod hängt in der Luft und ist gnadenlos und unausweichlich.

Der Film ist traurig, bedrückend und tragisch und es ist kein Vergnügen, sich das anzuschauen, aber trotzdem möchte ich dieses Werk jedem Filmfreund sehr ans Herz legen. Das ist ein kleines und leider übersehenes Meisterwerk, das man nicht verpassen sollte.

Was soll man noch zu dieser Besetzung sagen? Tim Roth ist eine Offenbarung als schweigsamer Killer mit Herz, Vanessa Redgrave spielt sowieso in einer besonderen Liga und Maximilian Schell und Edward Furlong liefern Bestleistungen ab. Herrje, hier stimmt einfach alles, nur die Zuschauerzahlen nicht. Ich habe diesen Film 1995 das erste Mal gesehen und seitdem nie wieder vergessen. Ganz große Empfehlung.

Sonntag, 22. Juli 2012

Die Bartholomäusnacht

"Die Bartholomäusnacht" - "La Reine Margot" ist ein Film von Patrice Chéreau aus dem Jahr 1994 und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas. Das Drehbuch schrieb Chéreau zusammen mit Danièle Thompson.

In Frankreich toben die Religionskriege zwischen den Katholiken und den Protestanten. Um die brisante Situation abzumildern, wird im August 1572 die Katholikin Margot (Isabelle Adjani), die Schwester des Königs Charles IX (Jean-Hugues Anglade) gegen ihren Willen mit dem Protestanten Henri de Navarre (Daniel Auteuil) verheiratet.

Margot will von Henri nichts wissen, sie sucht sich selbst ihre Liebhaber aus, zu denen auch schon mal die eigenen Brüder zählen können. Entgegen ihrer Abmachung taucht Henri dann in der Hochzeitsnacht doch bei Margot auf und bittet sie um Unterstützung, da er sich am Pariser Hof nicht sicher fühlt und glaubt, man würde ihm nach dem Leben trachten. Tatsächlich gibt es einige finstere Pläne, ihn zu beseitigen.

Ein Mordanschlag auf den Hugenotten Gaspard de Coligny ist der Anfang der blutigen Schlachten, die kurz darauf folgen sollen. Katharina von Medici (Virna Lisi), die Mutter des Königs und heimliche Herrscherin am Hofe, ist die Urheberin dieser Pläne. Zunächst sollten nur die Anführer der Hugenotten getötet werden, aber letztendlich wurde daraus ein Massaker, bei dem Tausende von Menschen ums Leben kamen.

In der Zwischenzeit verliebt sich Margot in den jungen Adeligen La Môle (Vincent Perez), der ebenfalls zu den Protestanten gehört und dem sie das Leben rettet. Nun muss sie sich sowohl um La Môle, als auch um Henri sorgen, denn beide sind in Lebensgefahr. Zur selben Zeit herrscht auch ein Kampf um den Thron, denn der Herzog von Anjou (Pascal Greggory) will seinen schwächlichen Bruder Charles ablösen. Es gibt Intrigen wohin man auch schaut und niemand weiß, wem er noch trauen kann.

Katharina von Medici will Henri de Navarre mit Hilfe eines vergifteten Buches loswerden, doch der Plan misslingt, als ausgerechnet Charles das Buch in die Hände bekommt und nun langsam, aber grausam an der Arsenvergiftung zu Grunde geht. Henri konnte mit Hilfe von Charles in seine Heimat fliehen und bittet nun La Môle darum, auch Margot zu holen. Diesen Auftrag wird er aber nicht überleben, weil man ihn in Paris hinrichten will. Margot versucht noch vergeblich, ihn zu retten und fleht bei Charles um Gnade, aber es ist bereits zu spät und auch Charles ist inzwischen verstorben. Margot reist am Ende zu ihrem Mann nach Navarra.

Der Roman von Alexandre Dumas hält sich nicht genau an die Fakten, aber er zeigt doch die Umstände der damaligen Geschehnisse auf. Das ist kein leichter Stoff und Patrice Chéreau macht daraus ein bildgewaltiges Historiendrama, das vor Blut, Dreck und Gewalt nur so strotzt. Nichts für sensible Gemüter, das nur als Warnung. Andererseits zeigt er die zarte Liebesgeschichte zwischen Margot und La Môle in betörend schönen und gefühlvollen Bildern.

Sehenswert ist das allemal und gerade wegen der illustren Besetzung ein besonderes Vergnügen. Isabelle Adjani, Jean-Hugues Anglade, Virna Lisi, Daniel Auteuil, Pascal Greggory, Vincent Perez und auch Ulrich Wildgruber in einer kleinen Nebenrolle, allein dafür kann man sich durchaus mal mit diesem Thema auseinandersetzen. Von mir gibt es jedenfalls eine klare Empfehlung für diesen Film.

In the Mood for Love

"In the Mood for Love" - "Fa yeung nin wa" ist ein Film von Wong Kar-Wai (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2000. Kameramann war auch hier wieder Christopher Doyle.

Hong Kong, im Jahr 1962. Mrs. Chan (Maggie Cheung) mietet für ihren Mann und sich ein Zimmer in einem Mietshaus. Am gleichen Tag sucht Mr. Chow (Tony Leung Chiu Wai) ebenfalls ein Zimmer zur Untermiete und landet in der Nachbarwohnung. Durch Zufall finden beide Umzüge am selben Tag statt und es entsteht ein kleines Chaos in den engen Fluren des Hauses.

Mr. Chan ist oft auf Geschäftsreise und so verbringt Mrs. Chan die meiste Zeit allein zu Hause. Da sie für sich allein nicht kochen mag und auch mal aus der Wohnung raus will, geht sie in die nahe gelegene Nudelküche. Auch Mr. Chow ist oft allein und verbringt deshalb gerne Zeit mit Mrs. Chan.

Durch kleine Details kommen beide schließlich darauf, dass ihre Ehepartner eine Affäre miteinander haben. Beide sind darüber verwirrt und überlegen, was sie nun tun sollen. Da sie einander sehr zugetan sind, könnten sie doch vielleicht auch eine Affäre beginnen? Ein verlockender Gedanke, den beide aber sofort wieder verwerfen. Nein, sie wollen nicht so wie ihre Partner sein. Ihr Umgang miteinander bleibt rein freundschaftlich, auch wenn beide genau wissen, dass da viel mehr zwischen ihnen ist.

So bleibt es bei kleinen Gesten und verstohlenen Blicken, auch will man den neugierigen Nachbarn keine Angriffsfläche bieten. Vielleicht verzichten sie damit beide auf das große Glück, wer weiß...

Das ist ein Film, der die Sinne berührt und zu Herzen geht. Selten wurde eine unerfüllte Liebe so schön in Szene gesetzt, wie hier. Christopher Doyle hat sehr stimmungsvolle Bilder eingefangen und besonders die Farben Rot und Blau sensationell eingesetzt. Die regennasse Straße bei Nacht, die enge Treppe zur Nudelküche, das hektische Treiben in den schmalen Wohnungen, hier passt alles.

Eine schönere Besetzung als Maggie Cheung und Tony Leung ist hier gar nicht denkbar, die beiden sind umwerfend und ihre Blicke sagen mehr, als tausend Worte. Wenn beide sich auf der Treppe begegnen und sich dabei fast berühren, dann hält man als Zuschauer glatt den Atem an, so hinreißend ist das. Man beachte bitte auch die ständig wechselnden Kleider von Maggie Cheung, ein optischer Genuss.

Ganz wichtig ist auch die Musik, die den Film schön untermalt, unter anderem Songs, die von Nat King Cole gesungen werden. Sehr passend und sehr gelungen.

Eine wunderschöne Liebesgeschichte, auch wenn eigentlich gar nichts passiert, weil beide in den gesellschaftlichen Konventionen gefangen sind. Wong Kar-Wai hat hier ein kleines Meisterwerk abgeliefert, das ich nur sehr empfehlen kann. Nicht verpassen.

Samstag, 21. Juli 2012

Camel Spiders

"Camel Spiders" ist ein Film von Jim Wynorski (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011 und wurde von Roger Corman produziert. Damit ist eigentlich schon alles gesagt und der Arthouse-Fan wendet sich ab, während der B-Movie-Fan auf einen unterhaltsamen Streifen wartet. Leider umsonst.

Schon wieder Tier-Horror, das soll aber hier die Ausnahme bleiben. Bei einem Gefecht in Afghanistan zwischen amerikanischen Soldaten und einigen Terroristen tauchen plötzlich die gefährlichen und großen Spinnen auf, die diesem Film auch den Namen geben. Sie töten (natürlich) nur die Terroristen und verschonen die Amerikaner, zumindest vorerst, denn sie reisen zusammen mit einem gefallenen Soldaten in dessen Leichensack in die Vereinigten Staaten.

Captain Sturges (Brian Krause) landet zusammen mit den kleinen Krabblern in der Wüste von Arizona und muss sich schon bald mit den Quälgeistern auseinandersetzen. Die vermehren sich nicht nur unglaublich schnell, nein, sie wachsen auch innerhalb kürzester Zeit ganz vortrefflich. Der Sheriff des kleinen Wüsten-Kaffs (C. Thomas Howell) versucht zu helfen, bevor auch er den Spinnen zum Opfer fällt.

War sonst noch was? Ach ja, eine kleine Gruppe von Einheimischen und Durchreisenden will die Spinnenangriffe überleben und verschanzt sich in einem abgelegenen Lager. Captain Sturges und die anderen hier nicht weiter erwähnenswerten Mitspieler geben ihr Bestes, um gegen die Angriffe der Spinnen bestehen zu können. Hört mir noch jemand zu? Nein?

Macht auch nichts, denn hier gibt es knapp achtzig Minuten lang nur unsympathische Darsteller, grauenvolle Dialoge, keinerlei Talent und eine lausige Story zu bestaunen. Alles ist billig und schundig, aber leider ohne jeden Anflug von Humor, der für guten Trash doch so wichtig ist. Über die "Spezial-Effekte" verliere ich lieber kein Wort, ist auf jeden Fall besser so. Der Horror entsteht hier leider aus ganz falschen Gründen.

Meine Empfehlung für diesen Film? Den kann man sehr gerne verpassen.

Dark Summer

"Dark Summer" - "Innocents" ist ein Film von Gregory Marquette (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2000. Der (mal wieder besonders dämliche) deutsche Titel lautet "Blond und skrupellos".

Der Franzose Gérard Huxley (Jean-Hugues Anglade) ist Cellist und arbeitet in New York als Musiklehrer. Auf einer Reise nach Seattle hat er einen Autounfall und landet im Krankenhaus. Nach seiner Entlassung lädt ihn die hübsche Krankenschwester Megan (Connie Nielsen) zu einem Essen bei sich zu Hause ein. Dort lernt er Dominique (Mia Kirshner) kennen, die jüngere und leicht verrückt wirkende Schwester von Megan.

Die Atmosphäre im Haus ist etwas angespannt und Gérard fragt sich schon bald, wo er da nur gelandet ist, ebenso wie der Zuschauer. Im Obergeschoß liegt der pflegebedürftige Vater (Kurzauftritt des genialen Frank Langella), dem Gérard etwas auf dem Cello vorspielt. Dieser bedankt sich dafür mit ein paar Beleidigungen und Gérard verlässt das Haus etwas verwirrt.

Bei seinem nächsten Besuch ist der Vater verstorben und Gérard begleitet die beiden jungen Frauen zur Beerdigung. Danach verbringt er die Nacht mit Megan, die nicht alleine sein will und die beiden haben Sex, werden dabei allerdings von Dominique beobachtet. Am nächsten Morgen kommt es deswegen zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen den Geschwistern, die jedoch in einem Gelächter endet. Gérard ist erneut verwirrt, aber die beiden Frauen überreden ihn, die Fahrt nach Seattle zusammen zu unternehmen.

Was nun folgt, ist eine Reise die nicht vorhersehbar ist. Ich will mich hier auch gar nicht weiter darüber auslassen, das muss man sich schon selbst ansehen. Nur so viel, es gibt einige Tote und es ist nicht immer klar zu erkennen, welche der beiden Schwestern jetzt mehr gestört ist. Für Gérard wird dieser Trip jedenfalls zu einem Alptraum, den er sich wohl so niemals vorgestellt hätte.

Herrje, das ist wieder schwierig zu beurteilen. Die Geschichte an sich ist einfach völlig irre und unglaubwürdig. Zudem nerven die Frauen zum Teil gewaltig und spätestens bei der Begegnung mit ihrer Mutter (Anne Archer) läuft alles total aus dem Ruder. Mia Kirshner und auch Anne Archer "glänzen" hier nur durch schlimmes Overacting, während Connie Nielsen (die wie eine jüngere Ausgabe von Kim Basinger aussieht) sehr ambivalent bleibt.

Sehenswert ist der Film einzig und allein wegen Jean-Hugues Anglade, der hier zum Spielball wird und in seiner Darstellung einfach fabelhaft anzuschauen ist. Solche Schauspieler gibt es viel zu selten, denn hier sitzt jeder Blick und jede Geste. Wunderbar. Irgendwie ist der Mann auch völlig alterslos, denn selbst mit Mitte Vierzig wirkt er wie ein junger Mann.

In den kleinen Nebenrollen überzeugen noch, wie schon gesagt, Frank Langella und auch Robert Culp. Eine Empfehlung ist hier trotzdem schwierig, denn man muss sich schon auf diesen Quark einlassen können. Eine deutsche DVD-Veröffentlichung habe ich nicht gefunden, sondern nur die englische Fassung mit französischen Untertiteln.

Freitag, 20. Juli 2012

Pearl Jam Twenty

"Pearl Jam Twenty" ist ein Film von Cameron Crowe (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011 und zeigt die Entwicklung der Band "Pearl Jam" von ihrer Gründung Anfang der Neunziger Jahre bis in die heutige Zeit. Zwanzig Jahre Musikgeschichte, eine der besten Rockbands aller Zeiten, sensationelles Filmmaterial, was will man mehr? Los geht's.

Alles beginnt im Jahr 1990 in Seattle mit dem frühen Drogentod von Andy Wood, dem Sänger der Band "Mother Love Bone". Sein damaliger Mitbewohner Chris Cornell, Sänger bei "Soundgarden", gründet daraufhin das einmalige Projekt "Temple of the Dog", ein Gedenkalbum für Andy Wood. Dafür spielt er zusammen mit den ehemaligen Mitgliedern von "Mother Love Bone" Jeff Ament und Stone Gossard sowie Mike McCready und Matt Cameron. Auch Eddie Vedder ist hier erstmals beteiligt, denn "Pearl Jam" wurde gerade gegründet, wenn auch damals noch unter dem Namen "Mookie Blaylock", der sich aber bald schon in "Pearl Jam" ändern sollte.

Im Jahr 1991 erschien "Ten" das Debütalbum von "Pearl Jam", das bis heute erfolgreich ist. Von da an tourte die Band um die ganze Welt, spielte vor kleinem und großem Publikum, füllte Hallen und Stadien. Neue Alben wurden eingespielt und die Fan-Gemeinde wuchs stetig. Von dem ganzen Hype etwas überfordert, zog die Band sich weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Sie veröffentlichten keine Musikvideos, weil sie darauf verzichten wollten. Erst nach und nach wurden sie wieder offener, ein unerfreulicher Rechtsstreit mit dem Konzertkartenverkäufer Ticketmaster lag hinter ihnen, aber sie gingen weiter ihren Weg.

Beim Festival in Roskilde im Juni 2000 kam es zu einer Katastrophe, bei der neun Menschen zu Tode gequetscht wurden, als das Publikum immer näher in Richtung Bühne rückte. Dieses furchtbare Ereignis beschäftigt die Musiker bis heute.

Mit "Rearviewmirror" erschien 2004 das erste Greatest Hits-Album, aber noch immer werden neue Alben herausgebracht. Auch politisch waren "Pearl Jam" immer aktiv und in vielen anderen Bereichen. Besonders Eddie Vedder hat seine Stimme immer genutzt, um auf Dinge aufmerksam zu machen, die ihn beschäftigen.

Für den Film "Singles" von Cameron Crowe standen 1992 einige Bandmitglieder vor der Kamera, als Teil einer fiktiven Band aus Seattle. Cameron Crowe, der als junger Mann unter anderem Musikredakteur beim "Rolling Stone"-Magazin war, hat seitdem eine gute Beziehung zu der Band und daher auch reichlich Filmmaterial zur Auswahl gehabt.

Dieses filmische Portrait ist eine wunderbare Würdigung der Arbeit von "Pearl Jam", zeigt ihren Weg von der Gründung bis zur Spitze, ihren teils schwierigen Umgang mit dem Ruhm und der Öffentlichkeit. Es gibt Kurzauftritte von Neil Young zu bewundern und natürlich auch das Thema "Nirvana". Der Selbstmord von Kurt Cobain im April 1994 war ein Einschnitt in der Musikgeschichte und wird auch hier nicht ausgelassen. Unter den Bands in Seattle gab es immer Freundschaften und keine Feindseligkeiten, man half sich auch untereinander aus. Kurt Cobain jedoch war anders gestrickt und wetterte gegen andere Bands, auch wenn er das später zurücknehmen sollte. Aber das ist eine andere Geschichte und gehört hier nicht hin.

Das ist allein die Geschichte von "Pearl Jam" und ihrem charismatischen Sänger Eddie Vedder, die spannend und informativ erzählt wird. Ich kann diesen Film nur sehr empfehlen und möchte noch besonders betonen, dass das Debütalbum "Ten" auch heute noch fantastisch anzuhören ist. Jeder Song ein Klassiker und absolut zeitlos. Auf die nächsten zwanzig Jahre...

P.S. Das Album "Temple of the Dog" möchte ich übrigens auch allen Musikfreunden ans Herz legen, das ist wirklich sensationell.

Dienstag, 17. Juli 2012

The Innkeepers

"The Innkeepers" ist ein Film von Ti West (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011.

Das "Yankee Pedlar Inn" ist ein über hundert Jahre altes Hotel, irgendwo in Neu-England. In Kürze soll es abgerissen werden und am letzten Wochenende davor sind fast keine Gäste mehr dort. Am Empfang sitzen derweil noch Claire (Sara Paxton) und Luke (Pat Healy), die beide noch recht jung sind und sich ihre Zeit vertreiben.

In dem alten Haus soll es spuken, so erzählt es jedenfalls Luke, der gern Geistergeschichten verfolgt. Der Geist von Madeline O'Malley soll umgehen, die hier im Haus unter ungeklärten Umständen ums Leben kam. Mit seinen Geschichten fasziniert er Claire und gemeinsam wollen sie ihre Zeit nutzen, um den Geist von Madeline zu rufen und das Geheimnis des Hauses zu ergründen.

In der Zwischenzeit ziehen noch zwei letzte Gäste ins Hotel, die alternde Schauspielerin Leanne (Kelly McGillis) und ein alter Mann (George Riddle), der vor langer Zeit hier während seiner Hochzeitsreise gewohnt hat und ein ganz bestimmtes Zimmer verlangt.

Claire und Luke nehmen ihre Geisterjagd nicht ganz ernst und machen sich einen Spaß daraus, sich gegenseitig zu erschrecken. Doch dann wendet sich das Blatt und vor allen Dingen Claire hat Geistererscheinungen. Als sie Luke davon berichtet, verlässt dieser erschreckt das Hotel und lässt Claire allein zurück. Hilflos wendet sie sich an Leanne, die mit ihr zusammen das Hotel verlassen will. Da taucht Luke wieder auf und Claire erinnert sich noch an den alten Mann, den sie in seinem Zimmer aufsucht. Nun geht der Horror erst richtig los...

Das ist ein hübscher kleiner Gruselfilm, der erst ganz langsam und teilweise auch komisch losgeht und dann noch richtig spannend wird. Ich hatte jedenfalls Gänsehaut. Eine Erklärung für die Vorkommnisse gibt es zwar nicht, aber das finde ich gar nicht weiter schlimm. Die Spannung wird zum Ende hin auf jeden Fall noch mal sehr hoch und es wird auch noch recht gruselig. Das hätte ich am Anfang des Films gar nicht so erwartet.

Die Besetzung ist ziemlich gut geraten, das Hotel ist ein Traum und die scheinbar endlosen und verschachtelten Flure sind genial in Szene gesetzt. Alles hübsch gruselig, "Shining" lässt grüßen, zumindest in Ansätzen, und insgesamt gesehen eine echte Empfehlung für diesen kleinen und feinen Film.

Montag, 16. Juli 2012

The Rum Diary

"The Rum Diary" ist ein Film von Bruce Robinson (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011 und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Hunter S. Thompson.

Der Journalist Paul Kemp (Johnny Depp) kommt 1960 nach Puerto Rico, um in San Juan bei einer örtlichen Zeitung zu arbeiten. Kemp ist mit seinem bisherigen Leben und seiner Schreiberei nicht zufrieden, er steckt in einer Sinnkrise und muss seinen Weg erst noch finden. Die Arbeit beim "San Juan Star" gestaltet sich auch erst einmal als schwierig bis langweilig, was Kemps Laune nicht gerade hebt.

Da trifft es sich gut, dass Kemp sich eine versiffte Wohnung mit seinen Kollegen Bob Sala (Michael Rispoli) und Moberg (Giovanni Ribisi) teilen kann und der Rum ihnen den trüben Alltag vernebelt. Getrunken wird jedenfalls eine ganze Menge und auch mit Drogen wird experimentiert. Kemp und Sala haben zwar des Öfteren einen Brummschädel, aber bei Moberg hat der Verstand schon zu großen Teilen ausgesetzt.

Kemp lernt den amerikanischen Unternehmer Sanderson (Aaron Eckhart) kennen, der große Immobilienprojekte auf einer nahegelegenen Insel plant und Kemp dafür gewinnen will, positiv darüber zu berichten. Dummerweise verliebt sich Kemp in Chenault (Amber Heard), die schöne Geliebte von Sanderson, und die sich auch in ihn. Nach einer Auseinandersetzung trennt sich Sanderson von Chenault, die zunächst zu Kemp zieht, bevor sie nach New York abreist.

Der "San Juan Star" muss derweil seinen Betrieb aufgeben, noch bevor Kemp in einem Artikel auf die üblen Machenschaften von Sanderson hinweisen kann. Kemp nimmt sich daraufhin eine von Sanderson Yachten und segelt davon. Der Abspann teilt lediglich mit, er wäre nach New York gezogen, hätte dort Chenault geheiratet und wäre ein erfolgreicher Journalist geworden. Und wenn sie nicht gestorben sind...

Zunächst muss ich erwähnen, dass ich bisher noch nichts von Hunter S. Thompson gelesen habe. Seine Fangemeinde vergöttert ihn ja geradezu und lobt auch diesen Film in den höchsten Tönen. Dem kann ich mich leider nicht anschließen und dabei bewerte ich nur diesen Film und nicht das Werk von Thompson.

Der Film jedenfalls ist schwierig einzuschätzen, das ging aber wohl dem Regisseur Bruce Robinson genauso. Mir scheint, er konnte sich selbst nicht so ganz entscheiden, in welche Richtung das alles nun laufen soll. Drama, Komödie, Sozialkritik? Es gibt von allem ein bisschen, aber leider nicht genug. Selbst Johnny Depp kann seiner Figur keine Form geben. Ein bisschen Vergnügen hat man da noch mit Michael Rispoli und Giovanni Ribisi, aber auch das nutzt sich recht schnell ab, weil es nur aus Wiederholungen besteht.

Aaron Eckhart spielt den ambivalenten Fiesling zwar ganz geschmeidig, aber auch er reißt es letztendlich nicht heraus. Amber Heard ist wie üblich sehr schön und sexy, mehr aber auch nicht. Die Liebesgeschichte zwischen ihr und Johnny Depp besteht nur auf dem Papier, zu sehen oder zu spüren ist davon rein gar nichts.

Sorry, aber hier herrscht zwei Stunden lang fast nur Leerlauf. Den Beteiligten bei ihrem Alkoholkonsum zuzuschauen, macht nicht wirklich Spaß. Fans von Thompson sollen sich ruhig daran erfreuen und das feiern, aber wer einen intelligenten Film erwartet, der wird enttäuscht sein. Schade um die gute Besetzung, denn hier wäre viel mehr möglich gewesen.

Sonntag, 15. Juli 2012

Blut an den Lippen

"Blut an den Lippen" - "Les lèvres rouges" - "Daughters of Darkness" ist ein Film von Harry Kümel (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1971.

Stefan (John Karlen) und Valerie (Danielle Ouimet) haben gerade erst heimlich geheiratet und sind nun auf Hochzeitsreise. Sie landen in einem luxuriösen Hotel in Ostende, in dem sie jetzt im Winter die einzigen Gäste sind. Nur der Portier (Paul Esser) ist vor Ort und sonst nur wenig Angestellte.

Stefan hat seiner Mutter noch nichts von seiner Vermählung erzählt und Valerie bittet ihn wiederholt darum, sie anzurufen. Am Abend treffen zwei neue Gäste in dem Hotel ein, die schöne Gräfin Elizabeth Bathory (Delphine Seyrig) und ihre junge Begleiterin Ilona (Andrea Rau). Der Portier ist verwirrt und glaubt, die Gräfin bereits vor vierzig Jahren einmal in dem Hotel gesehen zu haben.

Die Gräfin Bathory sucht die Nähe von Stefan und Valerie und freundet sich mit ihnen an. Stefan fühlt sich zu Ilona hingezogen, während Elizabeth sich um Valerie kümmert. Es herrscht eine merkwürdige Atmosphäre in dem leeren Hotel und in den Beziehungen der Beteiligten untereinander. Im nahen Brügge gibt es einige Todesfälle. Junge Mädchen sind ermordet worden, in ihren toten Körpern ist kein Blut mehr.

Stefans "Mutter" entpuppt sich bei einem Telefonat als älterer Homosexueller und Stefan selbst neigt immer mehr zu gewalttätigen Handlungen. Als Valerie überstürzt abreisen will, wird sie von der Gräfin gerade noch abgefangen. In der Zwischenzeit verführt Ilona den ahnungslosen Stefan, kommt danach jedoch bei einem Unfall im Badezimmer ums Leben. Valerie und die Gräfin kommen hinzu und helfen Stefan, Ilonas Leiche zu beseitigen.

Elizabeth, die eine Vampirin ist, macht Valerie schließlich zu ihrer Gespielin und beide zusammen töten Stefan. In dem Auto der Gräfin sind sie auf der Flucht, als die Sonne aufgeht und der Wagen verunglückt. Elizabeth wird von einem Ast aufgespießt und stirbt. Doch Valerie überlebt und sucht sich neue Opfer...

Nein, das ist keiner dieser üblichen Vampirfilme, wie man sie so oft oder auch viel zu oft sehen kann. Der hier fällt eher in die Kategorie "Kunstfilm". Harry Kümel hat hier Bilder geschaffen, die man so schnell nicht wieder aus dem Kopf bekommt. Das winterliche Ostende, das leere Hotel und nicht zuletzt die überirdisch schöne Delphine Seyrig, die einem den Atem raubt und in ihren unglaublichen Kostümen ein einzigartiger Blickfang ist. Sie dominiert den ganzen Film und da fällt es auch gar nicht weiter auf, dass die anderen Darsteller eher mäßig agieren. Oder hat irgendjemand ernsthaft geglaubt, dass Andrea Rau eine gute Schauspielerin ist? Wohl kaum. Gleiches gilt aber auch für die anderen Beteiligten.

Egal, denn Delphine Seyrig ist hier die Hauptattraktion und ihre Schönheit und Anmut fesseln von Anfang bis Ende. Mehr ist nicht, aber weniger auch nicht. Ein Film für Liebhaber ausgefallener und schöner Kunstfilme.

Unser Paradies

"Unser Paradies" - "Notre Paradis" ist ein Film von Gaël Morel (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011.

Vassili (Stéphane Rideau) ist ein Stricher, der vor über fünfzehn Jahren aus der Provinz nach Paris gekommen ist. Damals war er jung und schön und damit der King auf der Straße. Inzwischen ist er Mitte Dreißig, der Lack ist ab und auch die Figur ist etwas aus der Form geraten. Im Internet und in seinen Inseraten macht er sich jünger, um überhaupt noch an Kunden zu geraten. Doch seine Freier, die meist noch erheblich älter sind, lassen ihn spüren, dass seine beste Zeit hinter ihm liegt.

Im Laufe der Jahre hat Vassili seine Kunden zu hassen gelernt. Ihre Demütigungen müssen sie allerdings mit dem Leben bezahlen. Ohne mit der Wimper zu zucken, tötet Vassili die Männer, die sich über ihn lustig machen. Auf der Straße wird er von den jüngeren Strichern verjagt, weil er ihnen das Geschäft verderben könnte.

Eines Nachts findet Vassili im Bois de Boulogne einen bewusstlosen Jungen (Dimitri Durdaine), den er mit nach Hause nimmt. Der wunderschöne Junge hat keinen Namen und keine Erinnerungen und erhält von Vassili den Namen Angelo. Die beiden Männer verlieben sich augenblicklich und gehören von nun an zusammen. Sie arbeiten auch zusammen und der schöne junge Angelo zieht viele Kunden an. Nach dem Sex rauben sie ihre Freier aus und Vassili tötet weiter.

Als die Lage in Paris für die beiden zu heiß wird, flüchten sie nach Lyon zu Anna (Béatrice Dalle), einer Jugendfreundin von Vassili. Anna arbeitet als Kellnerin in einer Bar und lebt zusammen mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Sohn (Mathis Morisset), der ebenfalls Vassili heißt. Vassili und Angelo wollen weiter in die Berge, zu einem reichen Freund und ehemaligen Freier von Vassili. Zusammen mit dem kleinen Vassili machen sie sich auf zu Victor (Didier Flamand), der in einem abgelegenen Haus mit großem Pool lebt. Victors junger Freund Kamel (Malik Issolah) ist über den Besuch aber gar nicht begeistert und möchte die Eindringlinge so schnell wie möglich wieder los werden.

Es kommt zu Spannungen zwischen den Männern und der gutmütige Victor gibt schließlich dem Drängen Kamels nach und bittet Vassili und Angelo darum, wieder abzureisen. Doch Vassili lässt sich von niemandem mehr abweisen und so nimmt das Drama seinen Lauf...

Gaël Morels neuer Film ist ein böses und blutiges Märchen und eine einzige Liebeserklärung an seinen Hauptdarsteller, den wunderbaren Stéphane Rideau. Morel erzählt hier eine Liebesgeschichte, wie sie schöner nicht sein könnte, zeigt zwei einsame Seelen, die sich finden und nicht mehr voneinander lassen können. Dieser Liebe kann niemand etwas anhaben, selbst die Morde finden nur am Rande statt und trüben die Geschichte nicht. Als Zuschauer fiebert man mit und wünscht diesen beiden Liebenden ein Happy-End, das es so natürlich nicht geben wird. Sie werden ihr Paradies nicht finden.

Über Stéphane Rideau muss man nicht mehr viel sagen, er verleiht seinen Rollen immer etwas ganz Besonderes. Auch hier gibt und zeigt er wieder alles, ohne jede Scheu und wie immer ist er dabei wunderschön anzuschauen. Allein seinetwegen muss man diesen Film sehen und lieben. Der junge Dimitri Durdaine ist allerdings ein würdiger Partner an seiner Seite. Er ist der Engel, der vom Himmel gefallen zu sein scheint. Auch die älteren Freier sind durchgehend gut besetzt und sehr glaubhaft, auch wenn ihre Auftritte oft nur sehr kurz sind.

Gar nichts anfangen konnte ich mal wieder mit Béatrice Dalle, deren Darstellung ich einfach nur entsetzlich finde. Leider wird dieser Teil der Geschichte ein bisschen zu lang erzählt, hier hätte gerne gekürzt werden können. Macht aber nichts, denn der Gesamteindruck zählt und der ist schlicht und einfach überwältigend.

Eine großartige Geschichte, gleichzeitig rührend, traurig und dramatisch. Diese erneute Zusammenarbeit von Gaël Morel und Stéphane Rideau ist ein wahres Fest für die Sinne und ein absolutes Muss für Fans dieser beiden Künstler und des French Queer Cinema. Bitte nicht verpassen.

Dienstag, 10. Juli 2012

L'homme blessé

"L'homme blessé" ist ein Film von Patrice Chéreau aus dem Jahr 1983. Das Drehbuch schrieb Chéreau zusammen mit Hervé Guibert. In Deutschland hat der Film den Titel "Der verführte Mann".

In einer Provinzstadt in Frankreich lebt der achtzehnjährige Henri (Jean-Hugues Anglade) zusammen mit seinen Eltern (Annick Alane und Armin Mueller-Stahl) und seiner Schwester (Sophie Edmond). Henri und seine Eltern bringen seine Schwester zum Bahnhof, doch der Zug hat Verspätung. Im allgemeinen Durcheinander der An- und Abreisenden geht der junge und erlebnishungrige Henri auf Entdeckungsreise.

Bald schon begegnet er einem älteren Herrn (Roland Bertin), der ihn mit Blicken verfolgt, dem er aber zunächst noch voller Scheu aus dem Weg geht. Doch Henris Neugier ist gepackt, er will etwas erleben, auch wenn er gleichzeitig große Angst hat. Auf der Bahnhofstoilette trifft er schließlich auf den Stricher Jean (Vittorio Mezzogiorno), der gerade einen seiner Kunden verprügelt und ausraubt. Jean bemerkt Henri und küsst ihn wild und leidenschaftlich, zwingt ihn aber auch dazu, den auf dem Boden liegenden Freier zu treten. Danach verschwindet er und um Henri ist es geschehen.

Jean geht ihm nicht mehr aus dem Kopf und Henri verbringt von da an immer mehr Zeit auf dem Bahnhofsgelände, um dem Objekt seiner Begierde nahe zu sein. Doch Jean entzieht sich ihm immer wieder, lässt sich auf nichts ein. Er spielt mit Henri, nimmt ihn mit zu seiner Freundin Elisabeth (Lisa Kreuzer), bei der er gelegentlich wohnt und verschwindet auch von dort wieder wortlos. Henri zieht Jeans Sachen an und verfolgt ihn weiter. Er trifft immer wieder auf den älteren Bosmans, der mehr über Jean zu wissen scheint, als er zugeben will.

Als Henri schließlich in einem billigen Club auf den durch Drogen betäubten Jean trifft, lässt er seiner lang aufgestauten Leidenschaft freien Lauf und tötet den vermeintlichen Geliebten in einem Akt der Verzweiflung. Niemand außer ihm soll Jean noch besitzen dürfen.

Das ist ein wohl weitgehend unbekannter Film von Patrice Chéreau, der hier auch leider nur in der französischen Fassung zu haben ist. Schade, denn der Film bietet so viel, er müsste und sollte eigentlich wesentlich bekannter sein. Da sind z. B. die wunderbaren Bilder von Kameramann Renato Berta, der die trostlosen Orte des Geschehens wirklich erschreckend gut einfängt und sie kalt und brutal erscheinen lässt. Besonders das Bahnhofsmilieu und die Stricherszene jagen einem Schauer über den Rücken.

Jean-Hugues Anglade, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits 27 Jahre alt war, spielt hier sehr überzeugend den achtzehnjährigen Henri, der auf der Suche nach seiner eigenen Sexualität ist und von seiner Leidenschaft überwältigt wird. Ganz große Leistung eines wunderbaren Schauspielers. Vittorio Mezzogiorno ist als Jean sehr ambivalent, aber ebenso großartig. In den Nebenrollen überzeugen vor allen Dingen Roland Bertin als Voyeur und die wunderbare Lisa Kreuzer als Elisabeth.

Ganz große Empfehlung von mir für einen relativ unbekannten und auch unbequemen Film, der sich aber auf jeden Fall lohnt. Wer sich darauf einlassen kann, der wird mit einem sehr packenden Filmerlebnis belohnt werden, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Und Patrice Chéreau macht sowieso keine schlechten Filme.


Mittwoch, 4. Juli 2012

We were here

"We were here" - "We were here: Voices from the Aids-Years in San Francisco" ist ein Film von David Weissman (Regisseur und Produzent) und Bill Weber (Co-Regisseur) aus dem Jahr 2011 und beschäftigt sich mit dem Leben der Gay-Community in San Francisco in den Jahren zwischen 1976 und 1997.

Im Jahr 1976 ist die Welt in San Francisco noch in Ordnung, die Gay-Community wächst, hier geht es wesentlich liberaler zu, als an anderen Orten. Und doch, so langsam fallen erste Schatten auf dieses scheinbare Paradies. Eine merkwürdige Krankheit taucht auf und lässt sich bald schon nicht mehr ignorieren. Der "offizielle" Ausbruch von Aids ist dann erst 1981, vorher hat die Krankheit keinen Namen und da sie anscheinend hauptsächlich Homosexuelle trifft, wird sie von den Politikern und dem größten Teil der Bevölkerung sträflich vernachlässigt. Wohin das geführt hat, das ist allgemein bekannt bzw. sollte es sein. Schlimm genug.

David Weissman lässt in seinem Film vier Männer und eine Frau zu Wort kommen, die diese Zeit miterlebt haben und ausführlich darüber berichten können. Über ihr eigenes Leben, das ihrer Freunde und die Zeit an sich. Jeder von ihnen hatte mit Aids zu tun, ob nun als Freund, als Erkrankter oder als Krankenschwester. Sie wissen, wovon sie reden und das geht sehr zu Herzen. Innerhalb der Community gab es einen enormen Rückhalt für die Kranken, der so wohl nur in San Francisco sein konnte. Hier hat man sich gekümmert und sich nicht abgewendet. Lesbische Frauen haben zu Blutspenden aufgerufen, um ihren "Brüdern" zu helfen.

Die unglaubliche Ignoranz seitens der Regierung kann nicht oft genug angeprangert werden, hier ist alles schiefgelaufen. Religiöse Eiferer verdammten das schwule Leben, wünschten allen Homosexuellen den Tod an den Hals und fühlten sich durch Aids auch noch bestätigt. Das gemeine Volk war nicht weniger drastisch in seinen Bekundungen und verlangte oft genug die Kennzeichnung von Schwulen und Aids-Patienten. Wem sich hier nicht der Magen umdreht, der hat keinen.

Man sollte den Erzählungen der fünf Menschen genau zuhören und alles auf sich wirken lassen. Sie sind durch die Hölle gegangen und haben trotz allem ihren Lebensmut nicht verloren. Sie haben eine Zeit erlebt, die man kaum in Worte fassen kann und unzählige Freunde an diese Krankheit verloren. Eine ganze Generation ist hier gestorben und es wurde einfach zur Kenntnis genommen und kaum gehandelt. Wo bleibt hier die Menschlichkeit? Wie konnte das geschehen, wie konnten so viele ihren Blick abwenden?

Diesen wunderbaren und schmerzlichen Dokumentarfilm kann ich nur sehr empfehlen, gar keine Frage. Bleibt zu hoffen, dass er etwas bewirken kann, verdient hat er es. Tolles Projekt, unbedingt anschauen.