Sonntag, 4. September 2011

Die bitteren Tränen der Petra von Kant

"Die bitteren Tränen der Petra von Kant" ist ein Film von Rainer Werner Fassbinder (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1972 und beruht auf seinem eigenen Theaterstück. Kameramann war hier wie so oft der wunderbare Michael Ballhaus.

Petra von Kant (Margit Carstensen) ist eine erfolgreiche Modedesignerin, sie ist finanziell unabhängig und lebt mit ihrer Sekretärin Marlene (Irm Hermann) in einer geräumigen Wohnung in Bremen. Ihr erster Ehemann ist tödlich verunglückt und von ihrem zweiten Ehemann hat sie sich scheiden lassen, als dieser mit ihrem Erfolg nicht zurecht kam und versuchte, sie zu unterdrücken wo es nur ging, hauptsächlich sexuell. Seit dieser Zeit hat Petra von Männern die Nase voll und lebt ein selbstbestimmtes Leben.

Beruflich läuft es bestens für Petra, gerade erst hat sie einen Vertrag mit einer großen Kaufhauskette abschließen können, aber gefühlsmäßig liegt einiges im Argen. Kontakte zu anderen Menschen hat Petra kaum, mit ihrer Mutter Valerie (Gisela Fackeldey) streitet sie sich hauptsächlich am Telefon, ihre Tochter Gabriele (Eva Mattes) hat sie auf ein Internat abgeschoben und ihre Assistentin Marlene behandelt sie lediglich wie eine Dienerin, was diese aber wortlos über sich ergehen lässt.

Über ihre Freundin Sidonie (Katrin Schaake) lernt Petra die junge Karin Thimm (Hanna Schygulla) kennen, die nach einem längeren Auslandsaufenthalt in Deutschland wieder Fuß fassen will. Petra verliebt sich in Karin und will ihr helfen, sich als Model zu etablieren. Sie lässt die junge Frau bei sich einziehen und verspricht sich davon eine glückliche Beziehung. Sechs Monate später ist davon nichts mehr zu spüren, der Ton ist kälter geworden, die Worte verletzender und von Liebe ist da schon längst keine Rede mehr. Karin hat Affären mit Männern und berichtet Petra auch ganz ungeniert davon. Beide betäuben sich mit Alkohol, während Marlene derweil unverdrossen auf der Schreibmaschine Briefe tippt.

Als sich Karins Ehemann wieder bei ihr meldet, will Karin zu ihm zurück, was bei Petra spontan Panik auslöst. Sie beschimpft die Geliebte als kleine, miese Hure, nur um ihr im gleichen Atemzug ihre Liebe zu gestehen. "Ich kann doch nichts dafür, dass ich Dich liebe. Ich brauche Dich doch." Es schnürt einem die Kehle zusammen, mit anzusehen wie verzweifelt Petra um ihre Liebe kämpft und ihren Wutanfall zu beobachten, der von einem Nervenzusammenbruch gefolgt wird. Es nützt aber alles nichts, denn Karin verlässt Petra, verlangt sogar noch Geld von ihr und verschwindet.

An ihrem Geburtstag ist Petra allein und liegt betrunken neben dem Telefon auf dem Boden. Sie wartet vergebens auf einen Anruf von Karin. Als ihre Mutter, ihre Tochter und Sidonie erscheinen, macht Petra diesen nur eine Szene und beschimpft alle. Im Laufe des Abends wird ihr allerdings klar, dass sie Karin nicht geliebt hat, sondern sie nur besitzen wollte. Sie erkennt, dass sie lernen muss zu lieben, ohne zu fordern. Als sie sich daraufhin bei Marlene für ihr schlechtes Verhalten entschuldigt und ihr ihre Freundschaft anbietet, verlässt Marlene wortlos das Haus.

Also so eine Inszenierung sollte sich heutzutage erstmal einer trauen, alle Achtung. Dass Fassbinder dieses Stück ursprünglich für das Theater geschrieben hat, lässt sich nicht verleugnen. Es ist spröde und dialoglastig, aber gleichzeitig auch großartig und sehr faszinierend. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, der erlebt zwei Stunden lang ein sehr intensives Kammerspiel und das im besten Sinne des Wortes, denn der Film spielt tatsächlich nur in einem einzigen Raum, der gleichzeitig Schlaf- und Arbeitszimmer von Petra ist.

Margit Carstensen ist einfach anbetungswürdig in ihrer Darstellung und trägt mühelos den ganzen Film, so eine Leistung sieht man nur selten. Irm Hermann als stumme Dienerin und Hanna Schygulla treten dabei ganz selbstverständlich in die zweite Reihe. Fassbinder steckt seine Schauspielerinnen hier in sehr extravagante und ausgefallene Kostüme, was einen ganz besonderen Charme hat. Es ist alles sehr übertrieben, aber auch sehr stimmig.

Natürlich geht es hier auch um Klassenunterschiede und Abhängigkeiten und darum, wie einer den anderen ausnutzt. Petra und Karin benutzen sich gegenseitig, beide sind auf ihre Art berechnend. Glücklich wird keiner von ihnen, sie sind beide so seelenlos wie die Schaufensterpuppen, die ihnen dabei zuschauen. Wer sich auf dieses spezielle Werk einlassen kann, den erwartet ein ganz besonderes Filmerlebnis. Ich kann nur eine ganz große Empfehlung aussprechen, es lohnt sich wirklich.

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