"Wild Side" ist ein Film von Sébastien Lifshitz aus dem Jahr 2004. Das Drehbuch schrieb Lifshitz erneut zusammen mit Stéphane Bouquet.
Die Transsexuelle Stéphanie (Stéphanie Michelini) lebt in Paris und verdient ihren Lebensunterhalt als Prostituierte. Privat lebt sie in einer gut funktionierenden Dreierbeziehung mit dem jungen Stricher Djamel (Yasmine Belmadi) und dem Exil-Russen Mikhail (Edouard Nikitine). Als ihre Mutter (Josiane Stoléru) schwer erkrankt, machen sich die Drei auf den Weg nach Nordfrankreich, in den Heimatort von Stéphanie.
Die Gegend ist kalt, einsam und unwirtlich. Hier, weit weg von dem Trubel des Lebens in Paris, wird nicht nur Stéphanie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, auch Djamel und Mikhail holt die Erinnerung an die eigene Kindheit und Familie ein. Als Stéphanie das Dorf vor siebzehn Jahren verlassen hat, hieß sie noch Pierre. Ihr Vater und ihre Schwester waren eines Tages fort, allerdings lässt die Geschichte offen, was mit ihnen passiert ist. Stéphanie hat den Verlust der geliebten Schwester nie ganz verkraftet. Ihre Mutter sagt ihr jetzt auf den Kopf zu, wie gut es sei, dass ihr Vater sie nicht mehr so sehen konnte, nachdem er sich so sehr einen Sohn gewünscht hatte. Zur Lebenssituation ihrer Tochter äußert sie sich nicht explizit, aber man kann ahnen, was sie darüber denkt.
Nachdem ihre Mutter gestorben ist, löst Stéphanie den Haushalt auf und fährt zusammen mit Djamel und Mikhail wieder zurück nach Paris. Der Tod ihrer Mutter ist für Stéphanie der endgültige Abschied von der Kindheit, aber sie ist nicht allein. Die Drei haben sich gefunden und sind jetzt ihre eigene kleine Familie.
Die Familien in den Filmen von Sébastien Lifshitz sind immer irgendwie kaputt oder unvollständig. Der Vater ist meist abwesend oder tot und die Mutter ist oft depressiv, so auch hier. Aber bei aller Traurigkeit, dieser Film entlässt einen mit einem Gefühl der Hoffnung. Hier haben sich drei Menschen gefunden, die sich gegenseitig Halt und Stärke geben und die sich lieben. Das ist mehr, als es in den meisten herkömmlichen Familien gibt.
Insgesamt gesehen ein schöner und stiller Film, der zu Herzen geht und tief bewegt. Die Darsteller sind allesamt sehr gut besetzt und absolut herausragend. Die Rückblenden in die Kindheit sind dabei ebenfalls sehr gelungen und schön inszeniert. Das Milieu, in dem die Drei in Paris leben, ist glaubhaft eingefangen und keine der Figuren wird für ihr Handeln verurteilt und warum sollten sie das auch. Ganz große Empfehlung.
Das Making-Of ist sehenswert, aber mit 60 Minuten viel zu lang geraten, hier hätte man locker die Hälfte streichen können. Interessanterweise entpuppt sich die fabelhafte Kamerafrau Agnès Godard, die auch schon mit Claire Denis und vielen anderen gearbeitet hat, hier als etwas prüde, was den Dreh der Sexszenen angeht, wobei es da wirklich keinen Grund zur Aufregung gibt.
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