Sonntag, 30. Oktober 2011

Im Himmel, unter der Erde

"Im Himmel, unter der Erde" ist ein Film von Britta Wauer (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011 über den Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.

Eine Frage drängt sich zuerst auf: Kann man überhaupt einen unterhaltsamen Film über einen Friedhof drehen? Nun, die Antwort darauf liefert der Film von Britta Wauer selbst ziemlich schnell: Ja, es geht und zwar sehr gut.

Vier Jahre Arbeit wurden hier investiert, es gibt auch einen entsprechenden Bildband und herausgekommen ist ein Film, wie er schöner nicht sein könnte. Viele verschiedene Geschichten werden erzählt, es gibt traumhaft schöne Bilder und genug Gründe, zu Lachen oder zu Weinen. Das vereint der Film alles ganz wunderbar und mit leichter Hand. Viele Menschen kommen zu Wort, die alle etwas mit dem Friedhof zu tun haben. Entweder sie arbeiten dort, besuchen die Gräber ihrer Angehörigen oder sie wohnen dort, wie die junge Familie, die tatsächlich eine Wohnung auf dem Gelände des Friedhofes bewohnt.

Der Friedhof wurde 1880 gegründet und ist auch heute noch in Betrieb. In der ganzen Zeit, auch zur Zeit der Nazidiktatur, wurde der Friedhof nie geschändet oder sonst irgendwie beschädigt. Über 115.000 Grabstellen befinden sich hier auf einem riesigen Arsenal, in dem die Natur letztlich die Oberhand gewonnen hat. Da auch hier, wie überall, die Gelder knapp bemessen sind, wäre es wünschenswert, diesen wunderbaren Ort in guten Händen zu wissen und mit entsprechenden Mittel auszustatten. Dieser geschichtsträchtige Ort sollte auch weiterhin erhalten bleiben.

Der Film gehört zweifellos zu den schönsten und bewegendsten Filmen, die ich je gesehen habe und bekommt von mir eine ganz große Empfehlung. Unbedingt anschauen, es lohnt sich auf jeden Fall. Zur DVD gibt es auch noch ein sehr interessantes Booklet, das noch weitere Informationen zum Film vermittelt.

The Tree of Life

"The Tree of Life" ist ein Film von Terrence Malick (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011 und wurde in Cannes mit der "Goldenen Palme" ausgezeichnet.

Die Meinungen zu diesem Film gehen stark auseinander, die einen lieben ihn und die anderen hassen ihn. Zwischen Meisterwerk und Schrott gibt es viele Deutungsmöglichkeiten für dieses Werk, das war mir schon vorher bewusst. Völlig unbeeindruckt von den ganzen Kritiken habe ich mir dann "The Tree of Life" angeschaut und habe nun meine eigene Meinung dazu: Eindeutig Schrott, ohne jede Diskussion.

Terrence Malick erzählt in 138 sehr langen Filmminuten mal eben die Geschichte des Universums, sehr bildgewaltig inszeniert, verbunden mit der Geschichte einer Familie aus Texas. Die ach so liebenswerte und verständnisvolle Mutter (Jessica Chastain) kümmert sich um ihre drei kleinen Söhne, während der Vater (Brad Pitt) das Geld verdient. Er will aus seinen Söhnen richtige Männer machen und behandelt sie streng, um sie auf das Leben vorzubereiten. Die Mutter hingegen kann mit der Seele sehen (!) und gibt diese Fähigkeit an den ältesten Sohn weiter. Dieser wird als Erwachsener von Sean Penn gespielt, der aber nur ein paar mal mit Leidensmiene durchs Bild huschen darf.

Das ist auch noch so ein Thema hier, die Schauspieler. Sean Penn und Brad Pitt sollen wohl das Publikum anlocken, nur leider steckt hinter den großen Namen sehr wenig. Wie gesagt, Sean Penn taucht kaum auf und Brad Pitt zeigt deutlich, dass er eigentlich nur ein mittelmäßiger Schauspieler ist. Jessica Chastain hingegen ging mir mit ihrer sanften und lieben Art ziemlich schnell extrem auf den Geist.

Der Film wirft die altbekannte Frage auf: Ist das Kunst oder kann das weg? Meine Antwort darauf: Das will Kunst sein, aber das kann definitiv weg. Von mir aus können Fans von Terrence Malick diesen Film als Meisterwerk feiern, ist mir wirklich total schnuppe. Das mit der "Goldenen Palme" muss ich ebenfalls nicht verstehen, aber auch das ist nicht von Interesse. Ich fand den Film einfach nur sterbenslangweilig und absolut nichtssagend.

Insgesamt gesehen natürlich keine Empfehlung für diesen Quark, außer man hat, wie anscheinend Terrence Malick auch, einen besonderen Draht zum lieben Gott. Nein, vielen Dank, aber das muss echt nicht sein.
  

Samstag, 29. Oktober 2011

Beginners

"Beginners" ist ein Film von Mike Mills (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2010. Die Geschichte ist zum Teil autobiografisch, da Mike Mills hier auf Erfahrungen innerhalb der eigenen Familie zurückgreift.

Oliver (Ewan McGregor) ist ein erfolgloser Grafikdesigner, der seine Kunden mit seinen traurigen Werken nur verscheucht. Es ist diese Traurigkeit, die Oliver umgibt, die ihn von anderen Menschen fernhält. Seine Eltern Georgia (Mary Page Keller) und Hal (Christopher Plummer) waren 44 Jahre lang verheiratet, bevor Georgia verstorben ist. Nach ihrem Tod hatte sich Hal, inzwischen stolze 75 Jahre alt, endlich als schwul geoutet und seinen Lebensstil komplett geändert. Er setzte sich für die Rechte von Homosexuellen ein und fand in dem jüngeren Andy (Goran Visnjic) einen Freund und Liebhaber.

Eine Krebserkrankung ließ ihm aber nur wenige Jahre Zeit, sein neues Glück zu genießen. Nach Hals Tod bleibt Oliver nur der Jack Russell-Terrier Arthur, der wie ein Familienmitglied behandelt wird. Oliver, der bisher immer nur kurze Beziehungen hatte und irgendwie beziehungsrenitent zu sein scheint, lernt auf einer Kostümparty die Schauspielerin Anna (Mélanie Laurent) kennen, mit der er sich gleich verbunden fühlt, obgleich auch sie einen nicht einfachen Familienhintergrund hat. Sie verleben eine glückliche Zeit, sind sehr verliebt, aber dann scheint auch diese Beziehung gefährdet. Doch Oliver erkennt endlich, worauf es ihm im Leben ankommt und geht erneut auf Anna zu.

Das ist ein sehr leiser und schöner Film, den man wirklich nicht verpassen sollte. Er ist gleichzeitig berührend, komisch und tieftraurig, aber niemals deprimierend. Im Gegenteil, die Geschichte ist zauberhaft erzählt, liebenswert gespielt, ein bisschen versponnen, aber im besten Sinne. Gelegentliche Längen werden durch die fabelhafte Besetzung sofort überspielt und fallen nicht weiter auf.

Die Schauspieler sind ein Traum und zwar jeder einzelne von ihnen. Neben Ewan McGregor, der hier herrlich schluffig ist, begeistern auch noch die zauberhafte Mélanie Laurent, Goran Visnjic (mit schlimmer Frisur) und Mary Page Keller (herrlich sarkastisch) in fabelhaften Rollen. Besonders hervorzuheben ist aber der großartige Christopher Plummer, der einfach sensationell ist und in seiner Darstellung des alten Mannes, der endlich sein schwules Leben genießen kann, alle Sympathien auf seiner Seite hat. Er will endlich leben und lässt sich auch vom Krebs nichts anderes einreden, er kostet alles aus, bis zum letzten Atemzug. Sehr beeindruckend gespielt von diesem immer noch sehr schönen Mann.

Insgesamt gesehen ein sehr schöner Film, der mich zum Lachen und zum Weinen gebracht hat. Eine kleine, aber wundervolle Produktion, die viele Zuschauer verdient hat. Ganz große Empfehlung.
  

The Advocate for Fagdom

"The Advocate for Fagdom" ist ein Film von Angélique Bosio aus dem Jahr 2011 und beschäftigt sich mit dem Werk von Bruce LaBruce.

Der kanadische Filmemacher Bruce LaBruce (Jahrgang 1964) gilt als Begründer der Queercore-Bewegung, auch wenn anscheinend niemand mehr genau erklären kann, was damit eigentlich gemeint ist und wann dieser Begriff erstmals aufgetaucht ist. Egal, denn auch in seinen Werken ist vieles nicht zu erklären, muss es aber auch nicht, weil er die Bilder für sich sprechen lässt. Entweder man kann damit etwas anfangen oder eben nicht. LaBruce ist das "Enfant Terrible" für alle die sich nicht trauen, das Wort "Sex" auszusprechen und ihm geht es dabei hauptsächlich auch noch um schwulen Sex. An dieser Stelle darf das amerikanische Publikum gesammelt in Ohnmacht fallen, während der Meister sich bestens amüsiert.

Bruce LaBruce provoziert in seinen Filmen mit leichter Hand und er ist dabei auch noch politisch hübsch unkorrekt. So verknüpft er beispielsweise Gay-Porno mit politischen Aussagen, lässt Zombies durch die Welt taumeln und Leben retten und noch so einiges mehr. Ich vermute allerdings, dass die meisten Leute, die sich über seine Arbeiten beschweren, diese höchstwahrscheinlich gar nicht kennen. Ist ja auch alles Geschmackssache, nicht jeder muss das gut finden, aber zu verteufeln gibt es hier eben nichts.

Viele Weggefährten kommen hier zu Wort und es gibt jede Menge Geschichten über LaBruce zu erzählen. Unter anderem berichten Gus Van Sant, Bruce Benderson, Rick Castro, Jürgen Brüning, Jey Crisfar, Francois Sagat, Harmony Korine, John Waters, Susanne Sachsse und Antonio Ramirez Ortega von ihren Begegnungen und Arbeiten mit Bruce LaBruce und das ist sehr unterhaltsam.

Rick Castro berichtet beispielsweise von der Premiere von "Hustler White" und davon, wie die Menschen während der Vorstellung aus dem Kino stürmten. Die fabelhafte Susanne Sachsse, die in "The Raspberry Reich" und in "Otto; or, Up with Dead People" mitgespielt hat, bekommt hier die Gelegenheit, einige sehr kluge Dinge sagen zu können. Sie wurde damals übrigens von ihrer Agentur gefeuert, nachdem sie bei LaBruce zugesagt hat. Da verkneife ich mir jetzt mal jeden Kommentar und schüttel einfach nur den Kopf.

Wer die Filme von Bruce LaBruce noch nicht kennt, der sollte das schnellstens nachholen. Wer sein Werk schon kennt, der wird sich über die vielen Ausschnitte und wunderbaren Interviews freuen und sicher mal wieder den einen oder anderen Film anschauen wollen. Es lohnt sich in jedem Fall.

Insgesamt gesehen eine wundervolle und sehr verdiente Würdigung eines herausragenden Künstlers und eines der interessantesten Filmemachers unserer Zeit. Bruce LaBruce selbst entpuppt sich dabei als ausgesprochen sympathisch und sehr humorvoll, es muss also niemand Angst vor ihm haben, im Gegenteil. Ich liebe seine Filme und ich finde diese Dokumentation sehr gelungen. Ganz große Empfehlung.
 

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Das Irrlicht

"Das Irrlicht" - "Le feu follet" ist ein Film von Louis Malle (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1963. Die Handlung beruht auf dem gleichnamigen Roman von Pierre Drieu La Rochelle, der 1931 veröffentlicht wurde.

Alain (Maurice Ronet) ist ein Mensch, der nichts mehr spürt. Er ist ein Verzweifelter, der keine Ziele mehr im Leben hat und auch den Glauben an Glück, Freundschaft und Liebe verloren hat. In einer noblen Entzugsklinik in Versailles soll er von seiner Alkoholsucht geheilt werden. Seine amerikanische Ehefrau Dorothy ist längst wieder in ihrem Land, sie hat Alain wegen seiner Trunksucht verlassen.

Sein behandelnder Arzt teilt ihm mit, er wäre nun geheilt und könne die Klinik wieder verlassen, doch genau das will Alain gar nicht. Zu behaglich ist das Leben dort, er muss sich um nichts kümmern und wird umsorgt. "Das Leben ist schön" sagt ihm sein Arzt, eine überflüssige Floskel, die bei Alain nur Abscheu hervorruft. Für ihn ist längst alles vorbei, er plant seinen ganz eigenen Abschied von der Welt.

"Morgen bringe ich mich um", mit diesen Worten geht Alain zu Bett und man weiß, er wird seinen Plan auch in die Tat umsetzen, die Pistole liegt bereit. Am nächsten Tag fährt er nach Paris und besucht seine Freunde von früher. Es wird ein Tag des Abschieds und der Erkenntnis, dass seine Freunde längst ihre Träume geopfert haben. Sie sind selbstgefällig geworden, verstehen nicht mehr, worum es Alain überhaupt geht oder auch nur einmal gegangen ist.

Natürlich fängt Alain wieder zu Trinken an, das ist alles, was ihm noch bleibt. Wenigstens für einen Moment den Ekel herunterspülen. Den Ekel vor sich selbst und vor den anderen, die ihn anscheinend alle verraten haben. Seine Ziele, seine Träume, alles ist weg und niemand versteht ihn. Er wird höchstens bemitleidet und man tuschelt hinter seinem Rücken über ihn.

Am Abend ist Alain wieder in seinem Zimmer und ordnet seine Sachen. Er legt sich ins Bett und richtet die Pistole auf sein Herz. "Ich bringe mich um, weil ihr mich nicht geliebt habt und ich euch auch nicht."

Dieser Film von Louis Malle geht definitiv an die Nieren, weil er so schonungslos in seiner Aussage ist. Unterlegt ist das mit der wundervollen Musik von Eric Satie und in stimmungsvollen Schwarzweißbildern eingefangen. Der wirklich fabelhafte und sehr schöne Maurice Ronet verkörpert den verzweifelten Alain so glaubhaft, dass man schon Angst um ihn haben muss. Eine beeindruckende und sensationelle Darstellung eines fantastischen Schauspielers. Da fehlen mir schon fast die Worte, besonders angesichts der immer gleichen nichtssagenden Gesichter, die heutzutage so im Kino zu sehen sind.

Insgesamt gesehen ein Film, den man sich wirklich nicht anschauen sollte, wenn man sich gerade mit Selbstmordabsichten oder Depressionen herumschlägt, denn dazu ist er zu bedrückend und deprimierend. Ansonsten kann ich nur eine ganz große Empfehlung aussprechen, denn das ist ein so bemerkenswerter Film, wie man ihn leider nur sehr selten zu sehen bekommt.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Dreileben

"Dreileben" ist ein gemeinsames Filmprojekt von Christian Petzold, Dominik Graf und Christoph Hochhäusler (jeweils Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011. Basierend auf einem gemeinsamen Hintergrund entwickelte jeder der Regisseure einen eigenständigen Film, also keine Fortsetzungsgeschichte, sondern in sich geschlossene Handlungen.

Den Anfang macht Christian Petzold mit der Episode "Etwas Besseres als den Tod", danach folgt Dominik Graf mit "Komm mir nicht nach" und schließlich Christoph Hochhäusler mit "Eine Minute Dunkel". Alle drei Filme liefen im Fernsehen hintereinander, aber mal ehrlich, wer soll sich das ansehen? Es handelt sich hier immerhin um insgesamt viereinhalb Stunden Programm. Ich kann deshalb nur empfehlen, sich die Filme auf DVD zu besorgen und sie in Ruhe anzuschauen, das habe ich jedenfalls so gemacht.

Den Hintergrund bildet die Geschichte der eher zufälligen Flucht eines Sexualstraftäters, der sich in einem Krankenhaus im thüringischen Wald von seiner verstorbenen Pflegemutter verabschiedet und durch die Unachtsamkeit eines Pflegers entkommen kann. Sofort wird eine Großfahndung eingeleitet, während der Flüchtling sich im Wald versteckt.

Die erste Episode von Christian Petzold erzählt die Geschichte von dem jungen Pfleger, der ohne Absicht für die Flucht des Straftäters sorgt. Der junge Mann, der Medizin studieren will und ein Stipendium in Amerika in Aussicht hat, verliebt sich in eine junge Frau aus Bosnien, die als Zimmermädchen in einem Hotel arbeitet. Während ihre gemeinsame Liebe, wenn auch problembehaftet, wächst, erscheint plötzlich mit der Tochter des Chefarztes der Klinik eine verflossene Liebe, die wieder aufblüht. Die Suche nach dem entlaufenen Straftäter findet hier nur am Rande statt.

Den Mittelteil bildet der Film von Dominik Graf. Hier geht es um eine Polizeipsychologin, die in diesem Fall zu Hilfe gerufen wird. Sie begegnet einer früheren Freundin und deren Mann, bei denen sie vorübergehend wohnen kann. Alte Erinnerungen werden wachgerufen, es wird viel geredet, geraucht und getrunken. Fragen nach dem Sinn des Lebens, der eigenen Existenz werden gestellt. Was wäre gewesen, wenn man die eine oder andere Entscheidung im Leben anders getroffen hätte? Wer kann das schon sagen?

Im letzten Teil erzählt Christoph Hochhäusler die Geschichte des Flüchtlings, der sich im Wald versteckt, auf der Suche nach Nahrung ist und den Polizisten immer ein bisschen voraus ist. Ihm auf der Spur ist auch ein älterer und nicht mehr sehr gesunder Ermittler, der sich mehr und mehr fragt, ob der Gesuchte auch tatsächlich ein Mörder ist oder ob hier vielleicht doch ein Justizirrtum vorliegt.

Also insgesamt kann ich sagen, dass das ein sehr empfehlenswertes Filmprojekt ist, das man sich wirklich gut anschauen kann. Mein persönlicher Favorit ist der erste Teil, der zwar sehr ruhig erzählt wird, aber sehr überzeugend ist. Der zweite Teil ist zu geschwätzig und zu vollgepackt. Hier wird zwar viel geredet, aber nichts gesagt. Das retten aber die guten Darsteller, die über jeden Zweifel erhaben sind und die Geschichte trotz aller Mängel überzeugend abliefern können. Die letzte Episode ist von Kameramann Reinhold Vorschneider in wunderbaren Bildern eingefangen, die die Flucht des Straftäters in den Wald und seine Befindlichkeiten hervorragend aufzeigen. Natürlich braucht es zu so einer Charakterstudie aber auch die Klasse eines Schauspielers wie Stefan Kurt, um das glaubhaft zu verkörpern. Er wird als Monster gejagt, wirkt aber eigentlich wie ein verlorenes Kind.

Die Schauspieler sind hier auch die treibende Kraft, denn sie überspielen die gelegentlichen Schwächen der Drehbücher mit Leichtigkeit. Neben dem schon erwähnten wunderbaren Stefan Kurt müssen hier auch noch Jeanette Hain, Susanne Wolff, Misel Maticevic, Jacob Matschenz und Eberhard Kirchberg besonders gewürdigt werden, die das ganze zu einem gelungenen Bild abrunden. Ein tolles Projekt, das ich nur wärmstens empfehlen kann und das mit unverbrauchten Gesichtern Lust auf deutschen Film macht. Bitte mehr davon.

Montag, 24. Oktober 2011

Men in Motion

"Men in Motion" ist ein Film von Ryan Airmy aus dem Jahr 2000 und entstand während eines Foto-Shootings des Fotografen Tom Bianchi.

Tom Bianchi ist einer der bekanntesten Fotografen männlicher Akt-Models. Seine Bildbände sind wahre Kunstwerke und immer sehr lebendig. Gerne mischt der Künstler an vorderster Front mit und greift mit vollem Körpereinsatz in das Geschehen ein, die Kamera immer mit dabei. Als Aids-Aktivist ist er ebenso tätig und unterstützt die Suche nach neuen Medikamenten.

In dieser Dokumentation werden fünf völlig unterschiedliche junge Männer gezeigt, die für Tom Bianchi Model gestanden haben. Alle sind sehr athletisch und beherrschen ihren Körper perfekt. Jeder von ihnen bekommt kurz die Gelegenheit, etwas über sich zu erzählen und dann geht das Shooting auch schon los. Dass sie dabei alles ablegen versteht sich von selbst und zu verstecken hat hier niemand etwas. Es erscheint ein Traumkörper nach dem anderen.

Tom Bianchi liebt seinen Job, das merkt man ganz deutlich. Am Set herrscht eine entspannte und fast familiäre Atmosphäre, das überträgt sich auch auf den Zuschauer. Wenn ich hier etwas zu bemängeln habe, dann ist das eigentlich nur die grauenvolle Musikuntermalung, die leider ziemlich an den Nerven zerrt. Da kann man ja aber auch gerne den Ton abstellen und allein die Bilder wirken lassen. Ansonsten hätte dieser Film ruhig etwas länger sein können, denn mit gerade einmal 50 Minuten ist dieses Vergnügen doch recht kurz geraten und dafür auch noch ziemlich teuer in der Anschaffung.

Egal, der Film ist auf jeden Fall sehenswert und wer mehr von Tom Bianchi und seinen fabelhaften Bildern erleben möchte, dem kann ich seine wundervollen Bildbände nur sehr ans Herz legen, die sind nämlich wirklich sehr empfehlenswert.
 

Sonntag, 16. Oktober 2011

Stadt Land Fluss

"Stadt Land Fluss" ist ein Film von Benjamin Cantu (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2011. Der Film ist eine gelungene Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm und erzählt von dem Leben in einem großen Agrarbetrieb in Brandenburg. Die Auszubildenden und Mitarbeiter werden bei ihrer alltäglichen Arbeit gezeigt, während sich im Hintergrund eine zarte Liebesgeschichte anbahnt.

Marko (Lukas Steltner) ist einer dieser Auszubildenden auf dem Hof. Er steht kurz vor seiner Prüfung zum Landwirt und könnte auch übernommen werden. Ob er das allerdings will, das weiß er selbst nicht so genau. Er ist ein Einzelgänger, stammt aus schwierigen Familienverhältnissen und hat kaum Kontakt zu den anderen. Eines Tages erscheint Jacob (Kai-Michael Müller) auf der Bildfläche. Er hat seine Banklehre geschmissen und macht nun ein Praktikum auf dem Hof.

Zwischen den beiden jungen Männern gibt es gleich eine gewisse Vertrautheit. Obwohl sie kaum miteinander sprechen, gibt es zaghafte und scheue Blicke, kleine Gesten und ein deutlich spürbares Knistern, das fast greifbar scheint. Doch erst bei einem gemeinsamen Ausflug in das nicht weit entfernte Berlin kommen sie sich wirklich näher. Wieder zurück in Brandenburg wird sich zeigen, ob ihre junge Liebe Bestand haben wird.

Benjamin Cantu (Jahrgang 1978) hat hier in seinem ersten Langfilm eine wirklich schöne und sehr realistisch anmutende Geschichte erzählt. Es gibt tolle Bilder, die Landschaftsaufnahmen sind grandios und auch das Leben in dem Betrieb wurde sehr schön eingefangen. Da kann man auch mal über einen kleinen Anschlußfehler hinwegsehen, der selbst mir aufgefallen ist, obwohl ich sonst nicht so sehr auf so etwas achte. Egal, der Film ist großartig, hat fast ein bisschen was von "Beautiful Thing", das ist aber nur positiv gemeint.

Lukas Steltner und Kai-Michael Müller sind übrigens ganz hinreißend und zauberhaft, ihre innere Zerrissenheit und Unsicherheit wegen ihrer Gefühle füreinander setzen sie sehr glaubhaft um. Ein schöner Film, den ich nur sehr empfehlen kann, auch wenn der Anfang ein bisschen sperrig wirkt. Unbedingt anschauen, es lohnt sich.

Happy End. Jede Geschichte braucht ein Ende

"Happy End. Jede Geschichte braucht ein Ende" ist ein Film von Daniel Stieglitz (Regie, Drehbuch, Schnitt, Produktion) aus dem Jahr 2003. Daniel Stieglitz (Jahrgang 1980) hat dieses kleine und sehr engagierte Projekt als Student der Kunsthochschule Kassel mit einem Budget von nur ca. € 10.000 bewältigt.

Der Film, es ist übrigens ein Horrorfilm, erzählt die Geschichte des jungen Schriftstellers Leo (Matthias Scherwenikas), der unter einer Schreibblockade leidet und sich eine Auszeit aus der Stadt nimmt. Er mietet sich eine Wohnung weit außerhalb, in einem nicht besonders einladend anmutendem Haus mit merkwürdigen und verschlossenen Nachbarn. Die Wohnung selbst wurde seit Jahren nicht vermietet, der frühere Mieter (Erwin Leder) ist zusammen mit seiner kleinen Tochter Joana (Katharina Schiedermeier) bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Leos Freundin Ida (Katharina Schwarz) ist mit der neuen Umgebung nicht sehr glücklich und bleibt lieber in der Stadt. Die Beziehung der beiden kriselt merklich. Leo selbst lässt sich von der düsteren Atmosphäre des Hauses nicht abschrecken, er versucht sogar, etwas über den Vormieter und seine Tochter zu erfahren. Die Nachbarn blocken zunächst ab, aber dann erfährt Leo doch so einiges. Der Vater des kleinen Mädchens war ein Trinker, der seine Tochter oft geschlagen haben soll, nur konnte ihm nie etwas nachgewiesen werden.

In Joanas Zimmer findet Leo ein Tagebuch, das abwechselnd von Joana und dann auch von einer gewissen Ruth geschrieben worden ist. Ebenso findet er Puppen mit vier Augen und merkwürdige Zeichnungen an der Wand. Leo beginnt wieder zu schreiben, endlich hat er eine Geschichte gefunden. Doch noch kennt er nicht die ganze Wahrheit, denn plötzlich wird er scheinbar von einem Geist verfolgt, der ihm etwas mitteilen will. Als Leo schließlich, am Ende seiner Kräfte, das Rätsel lösen kann, macht er eine furchtbare Entdeckung.

Wow, was für ein Film. Nur durch Zufall bin ich auf diesen Film aufmerksam geworden, obwohl das Horrorgenre ja nicht gerade zu meinen Lieblingen gehört. Egal, ein ambitioniertes Werk eines jungen Filmemachers interessiert mich auf jeden Fall. Und was soll ich sagen, dieser Film ist geradezu überwältigend. Die Story ist gut erzählt, die Darsteller sind überzeugend, besonders Matthias Scherwenikas ist als Leo einfach überragend. Das geringe Budget sieht man dem Film nicht an, denn gerade die Szenen in der Wohnung sind sehr atmosphärisch und düster gehalten und passen somit perfekt zur Handlung.

Der Film selbst ist ausgesprochen spannend und hat diverse kleine Gruselmomente, ich hatte jedenfalls mehrfach Gänsehaut. Hier stimmt einfach alles, ich kann den Film jedenfalls nur sehr empfehlen. Schön ist auch der Audiokommentar des Regisseurs, der hier ganz wunderbar von der Entstehung des Films und den Dreharbeiten berichtet. Auf weitere Arbeiten von Daniel Stieglitz kann man gespannt sein.

Insgesamt gesehen ein wirklich großartiges Projekt, das sich nicht zu Verstecken braucht und zeigt, wie man mit geringen Mitteln einen tollen Film schaffen kann. Sehr empfehlenswert.

Samstag, 15. Oktober 2011

X-Men : Erste Entscheidung

"X-Men : Erste Entscheidung" - "X-Men : First Class" ist ein Film von Matthew Vaughn aus dem Jahr 2011. Das Drehbuch stammt von Ashley Miller, Zack Stentz, Jane Goldman und Matthew Vaughn. Bryan Singer, Regisseur der beiden ersten "X-Men"-Filme ist hier als Produzent tätig gewesen und hat am Drehbuch mitgearbeitet.

Der Film erzählt die Geschichte von Charles Xavier (James McAvoy) und Erik Lehnsherr (Michael Fassbender), beginnend in ihrer Jugend 1944 und springt dann ins Jahr 1962. Wir erleben den Beginn und das Ende der Freundschaft zwischen den beiden, als sich herausstellt, dass ihre Lebensentwürfe nicht zusammen passen. In der Zwischenzeit verhindern sie mal eben den dritten Weltkrieg, als sich Amerikaner und Russen vor Kuba feindselig gegenüberstehen. Das ist übrigens ganz hübsch in die Geschichte eingeflochten.

Ich verzichte an dieser Stelle darauf, näher auf die Handlung einzugehen. Mich interessiert auch nicht so sehr, wer hier was und warum tut. Die Story um die Mutanten ist nett erzählt und ziemlich gut besetzt. Die jungen Darsteller können durchaus überzeugen, wie z. B. Jennifer Lawrence, Zoe Kravitz oder Nicholas Hoult. Auch James McAvoy macht seine Sache gut, ich finde ihn absolut sehenswert. Kevin Bacon gibt mit großer Freude den Bösewicht, das Drehbuch gibt ihm zwar nicht gerade viel Raum, aber er meistert das grandios.

Die wichtigste Person im Film und der einzige Grund, sich dieses Werk anzuschauen, ist aber Michael Fassbender, wahrscheinlich einer der besten Schauspieler, die es derzeit gibt. Was ihn allerdings in diesen Film verschlagen hat, das ist mir ein Rätsel, denn er ist mit Abstand viel besser, als alle anderen zusammen. Egal, er ist hier und er ist toll. Allein dieser Blick.... Ich verfolge seine Arbeiten schon seit einiger Zeit. Da gab es sehr sehenswerte Filme ("Sherlock Holmes - Der Seidenstrumpfmörder", "Angel", "Fish Tank", "Inglourious Basterds") und auch leider einige Gurken ("Jonah Hex", "Centurion", "Blood Creek", "Eden Lake"), die so schlecht waren, dass ich hier nur die Titel erwähne und mich nicht weiter damit befasse. Michael Fassbender dreht allerdings fleißig weiter, da kommen noch so einige vielversprechende Filme in nächster Zeit. Diesen Namen wird man sich merken müssen. Es lohnt sich.

Doch zurück zu den "X-Men". Der Film ist auf jeden Fall unterhaltsam, insgesamt vielleicht einen Tick zu lang, aber sehenswert. Die Musik von Henry Jackman ist passend, den Song im Abspann von "Take That" kann man sich aber schenken. Die sind ja eigentlich nur noch peinlich und merken es leider nicht.

Insgesamt gibt es von mir hier schon eine Empfehlung, besonders natürlich wegen Michael Fassbender. Das reicht dann auch, mehr gibt es nicht zu sagen.




Dienstag, 11. Oktober 2011

Kaboom

"Kaboom" ist ein Film von Gregg Araki (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2010.

Smith (Thomas Dekker) studiert Film an einer kalifornischen Universität. Er liebt Partys, nimmt Drogen, ist heimlich in seinen heterosexuellen Mitbewohner Thor (Chris Zylka) verknallt und hat mit seiner lesbischen Freundin Stella (Haley Bennett) eine Vertraute an seiner Seite, die immer für ihn da ist. Thor ist ein blonder Surfer-Typ, ziemlich dumm, aber für Smith anziehend.

Stella lernt inzwischen die ebenfalls lesbische Lorelei (Roxane Mesquida) kennen, eine wahre Sex-Göttin, die sich aber leider als ziemlich psychopathisch erweist und auch noch über merkwürdige Fähigkeiten verfügt. Stellas Versuche Lorelei wieder loszuwerden, sind ziemlich schwierig und zunehmend gefährlich.

Währenddessen plagen Smith Alpträume, in denen er von Männern mit Tiermasken gejagt wird und eine junge rothaarige Frau (Nicole LaLiberte) ermordet wird. Auf einer Party lernt Smith London (Juno Temple) kennen, mit der er eine rein sexuelle Affäre beginnt. Er erzählt ihr von den Tiermasken und London scheint zu wissen, wovon er spricht. Gleichzeitig gibt es da noch Oliver (Brennan Mejia), der unbedingt ein Date mit Smith will und eine reizvolle Begegnung mit Hunter (Jason Olive) am FKK-Strand.

Das Liebesleben von Smith scheint unendlich vielfältig zu sein, nur kann er selbst noch nicht so richtig damit umgehen. Hin- und hergerissen zwischen seinen Wünschen und Fantasien vernebeln ihm die Drogen noch zusätzlich den Kopf. Ist das jetzt alles Realität oder nur ein einziger großer Drogenrausch? Und steht das Ende der Welt tatsächlich bevor, wie es uns der Film weismachen will?  

Gregg Araki liefert hier einen rasanten Film ab, der ein bunter Mix aus verschiedenen Genres ist. College-Komödie, Coming of Age-Story, ein bisschen Science-Fiction und Weltuntergangs-Szenario und noch so einiges mehr. Der Look ist extrem cool und der Soundtrack ist überaus gut gelungen. Leider ist die letzte halbe Stunde nur noch kompletter Blödsinn, was angesichts des starken Anfangs sehr schade ist, aber Spaß macht der Film trotzdem.

Die Darsteller sind allerdings absolut sehenswert, besonders der wahnsinnig hübsche und niedliche Thomas Dekker. Schon allein seinetwegen lohnt es sich, den Film anzuschauen. Auch der herrlich unverkrampfte Umgang mit Sexualität ist dem Film hoch anzurechnen. Der gerade neunzehnjährige Smith kann sich noch nicht so recht entscheiden, ob er lieber mit Frauen oder mit Männern schläft, also probiert er alles aus und hat kein Problem damit. Araki urteilt dabei nicht über seine Figuren, sondern lässt sie einfach sein, wie sie eben sind. Das finde ich sehr gelungen.

Insgesamt gesehen ein buntes Vergnügen, sehr sexy und auch verrückt, aber trotzdem irgendwie liebenswert. Der Film wird allerdings beim zweiten Anschauen noch besser und da zeigt er auch seine Stärken, die vielleicht beim ersten Sehen etwas verborgen bleiben. Letztendlich geht es doch um die Angst vor dem Erwachsenwerden, vor der Verantwortung, die man im Leben trägt, wenn eben nicht mehr alles nur Party ist und man sich mit seiner Herkunft auseinandersetzen muss, ob man will oder nicht. Die Angst vor einer ungewissen Zukunft und davor, ob man wohl den richtigen Weg einschlägt. Wer kann das schon sagen?

Wer sich auf diesen Spaß einlassen kann, der wird wunderbar unterhalten werden. Ernst nehmen kann man das zwar keinesfalls, aber schön ist es trotzdem. Ganz große Empfehlung.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Die Liebenden - Les amants

"Die Liebenden" - "Les amants" ist der zweite Spielfilm von Louis Malle und stammt aus dem Jahr 1958. Das Drehbuch schrieb Malle zusammen mit Louise de Vilmorin.

Jeanne (Jeanne Moreau) lebt mit ihrem Mann Henri (Alain Cuny), einem Zeitungsverleger, in Dijon. Ihr Leben langweilt sie, ihr Mann hat kaum Zeit und Interesse für sie, also besucht Jeanne regelmäßig ihre Freundin Maggy (Judith Magre) in Paris. Dort lernt sie auch den attraktiven Polospieler Raoul (José Luis de Vilallonga) kennen, mit dem sie eine Affäre beginnt. Sie verbringt immer mehr Zeit in Paris, bis Henri langsam eifersüchtig reagiert.

Henri überredet Jeanne, ihre Freunde Maggy und Raoul übers Wochenende nach Dijon einzuladen, was Jeanne gar nicht gefällt. Auf dem Weg von Paris nach Hause hat Jeanne eine Autopanne und bleibt mit dem Wagen am Straßenrand liegen. Der Student Bernard (Jean-Marc Bory) kommt ihr zu Hilfe und nimmt sie in seinem kleinen Auto mit. Er will allerdings vorher noch einen alten Lehrer besuchen, ehe er Jeanne nach Dijon fährt. Es herrscht eine gereizte Atmosphäre zwischen den beiden, die sich aber langsam entspannt.

Als sie endlich in Dijon ankommen, sind Maggy und Raoul schon längst da und unterhalten sich mit Henri. Die Stimmung ist eher unterkühlt und Henri bittet schließlich auch noch Bernard, sich ihnen anzuschließen und die Nacht im Haus zu verbringen. Das Abendessen wird eine Katastrophe, Henri spielt den verliebten Ehemann und Jeanne, die sich zunehmend unwohler fühlt, bemerkt mit Schrecken, wie oberflächlich Maggy und Raoul im Grunde sind. Die Gespräche bei Tisch sind geistlos und hohl.

Alle gehen früh zu Bett, weil man am nächsten Morgen zum Angeln aufbrechen will. Jeanne geht nachts in den Park, um Abkühlung zu finden und trifft dort auf Bernard. Nach kurzem Zögern erkennen sie in dem jeweils anderen einen Seelenverwandten und verlieben sich leidenschaftlich. Sie verbringen die Nacht zusammen, gestehen sich ihre Liebe und beschließen, am nächsten Morgen gemeinsam wegzufahren, in eine unbestimmte Zukunft, frei von allen Zwängen.

Der Film erzählt von einer Liebe auf den ersten Blick, an die man so gerne glauben möchte, auch wenn man hier nicht weiß, wie alles für das junge Paar ausgehen wird. Eingefangen ist das von Kameramann Henri Decae in betörend schönen Bildern und stimmungsvoll unterlegt mit der Musik von Johannes Brahms. Es ist der Beginn einer wahrhaftigen Liebe, so bleibt es jedenfalls zu hoffen.

Francois Truffaut beschrieb "Les amants" als aufregenden Film, völlig zu Recht. Seinerzeit galt er jedoch als Skandalfilm, weil eine Frau hier ihren Mann und ihr Kind wegen eines jüngeren Mannes verlässt. Es gab sogar diverse Kürzungen deswegen. Das alles ist aus heutiger Sicht natürlich absurd. Auf der DVD-Hülle steht übrigens FSK 16 und auf der DVD selber FSK 0. Ja was denn nun? Nicht, dass das irgendwie von Belang wäre, es ist wie üblich nur lächerlich.

Insgesamt gesehen ein wunderschöner Film, der zum Schwärmen und Verlieben einlädt und mit Jeanne Moreau eine der schönsten Schauspielerinnen überhaupt bieten kann. Ganz große Empfehlung.

Süßes Gift

"Süßes Gift" - "Merci pour le chocolat" ist ein Film von Claude Chabrol aus dem Jahr 2000. Das Drehbuch schrieb Chabrol auch hier wieder gemeinsam mit Caroline Eliacheff und beruht auf dem Roman "The Chocolate Cobweb" von Charlotte Armstrong.

In Lausanne leitet Marie-Claire Muller (Isabelle Huppert), genannt Mika, die Schokoladenfabrik, die sie von ihrem Vater geerbt hat. Gerade hat sie zum zweiten Mal den erfolgreichen Pianisten André Polonski (Jacques Dutronc) geheiratet und lebt mit ihm und seinem Sohn Guillaume (Rodolphe Pauly) glücklich zusammen. Guillaumes Mutter Lisbeth ist Jahre zuvor bei einem tragischen Unfall gestorben, sie war am Steuer ihres Autos eingeschlafen.

Die junge Jeanne (Anna Mouglalis), die am gleichen Tag wie Guillaume geboren ist, erfährt durch Zufall, dass man sie damals im Krankenhaus kurz mit dem Kind von Polonski verwechselt hat. Auch wenn ihre Mutter diese Angelegenheit herunterspielt, will Jeanne doch wissen, ob sie nicht vielleicht doch Polonskis Tochter ist, immerhin will auch sie Pianistin werden. Also stattet sie André und Mika einen Besuch ab.

André findet Gefallen an der jungen Frau und will sie unterrichten, während Guillaume eifersüchtig reagiert, denn er kann mit der Liebe seines Vaters zur Musik nichts anfangen. Mika kümmert sich liebevoll um Jeanne und lädt sie für ein paar Tage ins Haus ein. Doch Jeanne findet schon bald heraus, dass sich hinter der heilen Fassade des Familienlebens einige Abgründe auftun. So ist z. B. immer Rohypnol im Haus, ohne das André nicht einschlafen kann. Doch das findet sich auch im berühmten Kakao, den Mika ihrer Familie jeden Abend serviert und auch bei Lisbeth wurde nach ihrem Tod Rohypnol im Körper gefunden.

Eines Abends jedoch ist das Medikament ausgegangen und Mika hat angeblich vergessen, es zu besorgen. Sie schickt Jeanne und Guillaume mit dem Auto los, um zur Apotheke im Ort zu fahren. Während der Fahrt wird Jeanne, die am Steuer sitzt, plötzlich schläfrig.

Das ist auch wieder so ein feiner kleiner Film von Claude Chabrol, der völlig unspektakulär daherkommt und einen doch in seinen Bann zieht. Es gibt kaum Hintergrundinformationen, die braucht es aber auch gar nicht. Erst spät dämmert es dem etwas weltfremden Pianisten, was in seiner Umgebung vor sich geht. Mika, die perfekte Frau an seiner Seite, möchte sich um alle Personen in ihrem Umfeld kümmern, sie umsorgen und unter Kontrolle haben. Es soll ihnen gut gehen, denn dann geht es ihr auch gut. Dass sie dabei Grenzen überschreitet, das ist ihr nicht bewusst. Sie kann nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden.

Der Film lebt von seinen starken Darstellern, besonders Jacques Dutronc ist perfekt besetzt als André. Ihn umgibt immer eine spezielle Aura, die hier besonders gut passt. Die Rolle der Mika konnte nur von Isabelle Huppert gespielt werden, nur sie hat dieses gewisse Etwas, das Unergründliche hinter ihrer Fassade, das man höchstens erahnen kann. Was diese Frau allein mit ihrem Gesicht ausdrücken kann, macht mich immer wieder sprachlos. Das ist ganz große Schauspielkunst und so etwas sieht man leider viel zu selten. Gebt dieser Frau jeden Preis, den es zu verleihen gibt, sie hat sie alle verdient.

Insgesamt gesehen ein großartiger Film, mit tollen Darstellern, exzellent ausgestattet und überaus sehenswert. Ganz große Empfehlung.
 

Biester

"Biester" - "La cérémonie" ist ein Film von Claude Chabrol aus dem Jahr 1995. Das Drehbuch schrieb Chabrol zusammen mit Caroline Eliacheff und basiert auf dem Roman "A Judgement in Stone" von Ruth Rendell.

Die stille Sophie (Sandrine Bonnaire) tritt eine neue Stelle als Dienstmädchen bei der Familie Lelievre an. Georges (Jean-Pierre Cassel), seine Frau Catherine (Jacqueline Bisset) und die beiden Kinder Melinda (Virginie Ledoyen) und Gilles (Valentin Merlet) leben in einem großen und herrschaftlichen Haus in der Bretagne. Sophie erweist sich als wahre Perle, sie kocht, hält das Haus in Ordnung und ist immer zur Stelle. Dass sie dabei kaum ein Wort verliert, stört die Herrschaften nicht.

Die in sich gekehrte junge Frau freundet sich langsam mit der neugierigen Postbotin Jeanne (Isabelle Huppert) an, die ständig nur über die Familie Lelievre schimpft. Die beiden Frauen verstehen sich gut und stellen bald fest, so einige Gemeinsamkeiten zu haben. So gibt es in beider Leben dunkle Punkte in der Vergangenheit, die ihre Freundschaft nur noch verstärken. Jeanne stachelt Sophie an, sich nicht alles von den Lelievres gefallen zu lassen.

Als die Familie mitbekommt, dass Sophie Jeanne mit ins Haus gebracht hat, gibt es Ärger, denn Georges verdächtigt die Postbotin, heimlich seine Post zu öffnen. Durch Zufall bemerkt Melinda eines Tages, dass Sophie Analphabetin ist, eine Tatsache, die sie bisher gut verstecken konnte. Aus Angst aufzufliegen, erpresst Sophie Melinda daraufhin mit dem Wissen von ihrer noch verborgenen Schwangerschaft. Als Georges davon erfährt, entlässt er Sophie, die sich nun eine andere Stelle suchen muss. Zusammen mit Jeanne kommt sie ein letztes Mal ins Haus, um ihre Sachen zu holen. Da eskaliert die Situation und die beiden Frauen laufen Amok.

Das ist ein wirklich bitterböser Film, der so ruhig und unaufgeregt anfängt, sich dann aber langsam immer mehr steigert, bis hin zum unglaublichen Finale, welches man dann erst einmal verdauen muss. Hier tun sich Abgründe auf, die einem den Atem rauben. Chabrol gelingt es wunderbar, eine subtile Spannung zu erzeugen und dabei hat er exzellente Schauspieler zur Verfügung. Vor allen Dingen Sandrine Bonnaire und Isabelle Huppert zeigen herausragende Leistungen, ihnen zuzuschauen ist ein Genuss.

Insgesamt gesehen ein eher böses Vergnügen, aber ein beeindruckender Film, den man nicht so schnell vergisst. Sehr empfehlenswert.

Samstag, 8. Oktober 2011

Gefährliche Liebschaften

"Gefährliche Liebschaften" - "Les Liaisons dangereuses" ist ein Film von Roger Vadim aus dem Jahr 1959. Das Drehbuch stammt von Claude Brulé und beruht auf dem gleichnamigen Roman von Choderlos de Laclos aus dem Jahr 1782.

Der Film verlegt die Handlung ins Paris der 1950er Jahre. Juliette (Jeanne Moreau) und Valmont (Gérard Philipe) sind verheiratet, sie sind wohlhabend und unkonventionell. Beide erlauben sich Liebschaften außerhalb ihrer Ehe und lieben es, sich gegenseitig von ihren Eroberungen zu berichten. Das Unglück anderer Menschen interessiert sie nicht, sie leben nur für sich und ihr Vergnügen.

Der aktuelle Liebhaber von Juliette will die junge Cécile (Jeanne Valérie) heiraten und Juliette, die auf Rache sinnt, setzt Valmont auf Cécile an. Er soll sie noch vor der Hochzeit verführen. Während Valmont bei einem Skiurlaub in der Schweiz an der Umsetzung des Plans arbeitet, lernt er die äußerst tugendhafte Marianne (Annette Vadim) kennen, eine verheiratete Frau, die seinem Charme zu widerstehen scheint.

Valmont macht es sich zur Aufgabe, den Widerstand von Marianne zu brechen und sie für sich zu gewinnen. Doch als er sie endlich erobert hat, muss er feststellen, sich tatsächlich auch in sie verliebt zu haben. Das war nie geplant und sorgt für Zündstoff zwischen Valmont und Juliette, weil damit ihre Regeln verletzt wurden. Cécile ist inzwischen schwanger und drängt ihren heimlichen Geliebten Danceny (Jean-Louis Trintignant), sie so schnell wie möglich zu heiraten, doch da hat Juliette schon eine Intrige gesponnen.

Das Ende ist selbstverständlich tragisch, wie wohl auch allgemein bekannt ist. Dieses Werk ist übrigens die erste Verfilmung des Romans von Choderlos de Laclos und es folgten seitdem noch weitere. Am bekanntesten sind hier sicher die Filme "Gefährliche Liebschaften" (1988) von Stephen Frears mit John Malkovich, Glenn Close, Michelle Pfeiffer und Uma Thurman sowie "Valmont" (1989) von Milos Forman mit Colin Firth, Annette Bening und Meg Tilly. ("Gefährliche Liebschaften" / "Valmont")

Diese relativ unbekannte Verfilmung von Roger Vadim ist gerade neu auf DVD veröffentlicht worden und lohnt sich in jedem Fall. Die Umsetzung ist sehr gut gelungen, das Stück funktioniert auch in dieser Zeit absolut. Jeanne Moreau ist eine hinreißende Juliette und wie üblich anbetungswürdig. An ihrer Seite glänzt ein sehr attraktiver Gérard Philip, der leider noch im selben Jahr verstarb. Annette Vadim bleibt ein bisschen blass und man fragt sich automatisch, wie ein Mann ihr so verfallen kann, der eine Jeanne Moreau zu Hause hat.

Insgesamt gesehen eine schöne Neuentdeckung und ein sehr empfehlenswerter Film für alle Liebenden, Liebhaber und Intriganten. Für alle anderen aber auch.

Montag, 3. Oktober 2011

Twelve

"Twelve" ist ein Film von Joel Schumacher aus dem Jahr 2010. Das Drehbuch stammt von Jordan Melamed und beruht auf dem gleichnamigen Roman von Nick McDonell aus dem Jahr 2002.

Die Handlung spielt in New York, Upper East Side, Manhattan. Der junge Michael (Chace Crawford) gehörte einst zu der Clique der reichen Kids hier, die sich über nichts Sorgen machen müssen. Durch den Krebstod seiner Mutter wurde er aus der Bahn geworfen, hat die Schule verlassen und dealt nun unter dem Namen "White Mike" mit Drogen. Er selbst ist clean, trinkt nicht, raucht nicht und ist somit der perfekte Dealer. Er hat allerdings auch Grundsätze und deshalb vertickt er keine harten Drogen, wie z. B. den neuen Stoff "Twelve", der sofort abhängig macht.

Für die harten Sachen ist Lionel (50 Cent) zuständig, ein Dealer ohne Gewissen. Er ist es auch, der Mikes Cousin Charlie erschießt, als der ihn bei einem Deal plötzlich mit der Waffe bedroht. Verhaftet wird allerdings Mikes Freund Hunter, der vorher einen Streit mit Charlie hatte. Mikes beste Freundin Molly (Emma Roberts), die ihn schon lange liebt, weiß nichts von seinen Tätigkeiten und erfährt erst am Ende, was ihr Freund so macht.

Doch zurück zu den reichen Kids und ihren Partys. Die Highschool-Schönheit Sara, die immer alles bekommt was sie will, möchte ihren achtzehnten Geburtstag im Haus des Langweilers Chris feiern, dessen Eltern gerade nicht zu Hause sind. Dafür ist dessen schwer verhaltensgestörter Bruder Claude wieder aufgetaucht, der für ein gewaltsames Ende der Party sorgen wird. Die junge Jessica hat inzwischen die neue Droge "Twelve" kennengelernt und braucht dringend Nachschub, nur leider ist ihr das Geld ausgegangen.

Kurz gesagt, es gibt einen gewalttätigen Showdown, einige Tote und viele Betroffene. Die Zuschauer gehören allerdings nicht dazu, denn dazu ist dieser Quark einfach zu uninteressant. Alle sind hier nur schön, alles ist cool und alles ist so belanglos, dass es fast schmerzt, aber nur fast. Die Handlung und die handelnden Personen laufen leider komplett am Zuschauer vorbei, ohne auch nur einen Moment zu berühren. Die ganze Bande bleibt blass und nichtssagend, so wie der komplette Film leider nur langweilig und überflüssig erscheint.

Daran ändert auch die sonore Erzählerstimme von Kiefer Sutherland nichts, der das alles aus dem Off kommentiert. Wie bereits in Larry Clarks Film "Kids" aus dem Jahr 1995, möchte man mit diesen Scheißerchen nun wirklich nichts zu tun haben. Was soll denn bitte auch die Aussage dieses Film sein? Dass Drogen eine üble Sache sind? Tja, das haben wir wohl auch schon vorher gewusst. Nein, keine Empfehlung für diesen Film, denn wer Dinge anprangern will, an denen er sich aber vorher die ganze Zeit nur ergötzt, der ist nicht glaubhaft.

Die Enttäuschten

"Die Enttäuschten" - "Le Beau Serge" ist ein Film von Claude Chabrol aus dem Jahr 1958. In seinem selbst finanzierten Filmdebüt betätigte sich Chabrol hier gleichzeitig als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Hinter der Kamera standen Henri Decae und Jean Rabier.

Der Student Francois (Jean-Claude Brialy) kehrt nach vielen Jahren in sein Heimatdorf zurück, um sich von einer Lungenkrankheit zu erholen. Der gebildete junge Mann wirkt allerdings von Anfang an wie ein Fremdkörper im Ort und wird auch so behandelt. Sein ehemaliger Jugendfreund Serge (Gérard Blain) arbeitet als Kraftfahrer und ist dem Alkohol zugetan, seit seine Frau Yvonne (Michèle Méritz) ein behindertes Kind zur Welt gebracht hat, das aber gleich danach gestorben ist.

Nun ist Yvonne wieder schwanger und Serge befürchtet erneut das Schlimmste. Er betäubt sich mit Wein und einer Affäre mit seiner Schwägerin Marie (Bernadette Lafont), die sogleich auch Francois nicht nur schöne Augen macht, sondern sich ihm auch ziemlich aufdringlich an den Hals wirft.

Serge hat seine Träume von einem besseren Leben längst begraben, Wut und Verzweiflung sind seine ständigen Begleiter. Francois macht es sich zur Aufgabe, dem Freund von damals zu helfen, was aber nicht auf große Gegenliebe trifft. So sehr sich Francois auch bemüht, er eckt überall nur an, will aber an seinem Plan unbedingt festhalten.

Claude Chabrol hat diesen Film in dem Dorf Sardent in der Provinz gedreht, in dem er seine Jugend verbracht hat. Die Atmosphäre wurde wundervoll eingefangen, es ist Winter, alles ist kalt und unbarmherzig und die Stimmung ist bedrückend. Das fast hoffnungsvolle Ende des Films hat ihm selbst später nicht mehr so gut gefallen, auch wenn hier eigentlich alles offen bleibt.

Insgesamt gesehen ein wichtiger Film, der mit zu den ersten der Nouvelle Vague zählt, ein tolles Debüt von Claude Chabrol und sehr empfehlenswert. Natürlich wirkt das aus heutiger Sicht alles etwas sperrig und antiquiert, aber es ist trotzdem ein Meilenstein in der Geschichte des französischen Kinos und absolut sehenswert.

Sonntag, 2. Oktober 2011

All My Life

"All My Life" - "Toul omry" ist ein Film von Maher Sabry (Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt, Produktion) aus dem Jahr 2008. Es ist der erste ägyptische Film, der sich offen mit Homosexualität beschäftigt und das Leben und Leiden schwuler Männer in Ägypten aufzeigt.

Die Hauptperson ist der junge Rami, der in Kairo lebt und schwul ist. Sein Freund hat ihn gerade verlassen, um eine Frau zu heiraten, der Familie wegen. Sein bester Freund Karim hat einen amerikanischen Freund, der ihn drängt, gemeinsam mit ihm nach Amerika zu ziehen. Karim will allerdings sein Land und seine Freunde nicht verlassen. Schwules Leben ist nur verdeckt möglich, zu groß ist die Gefahr, bei einer Razzia verhaftet zu werden. Es drohen Anklagen wegen Nichtigkeiten und Folter. Die Regierung führt einen regelrechten Feldzug gegen die Schwulen und die Zeitungen verbreiten hauptsächlich absurde Meldungen zu diesem Thema.

Also nicht gerade die besten Bedingungen für Rami, der eigentlich nur auf der Suche nach Liebe ist. Aber wie und wo soll er gefahrlos jemanden kennenlernen, der es ehrlich mit ihm meint? Er lernt ein paar Männer kennen, aber es bleibt bei flüchtigem Sex und kurzen Begegnungen. Der junge Kellner Atef will mehr von Rami, doch der zögert, weil Atef einer anderen Klasse angehört. Atef verlässt daraufhin die Stadt, er spürt Ramis Zurückhaltung und kann damit nicht umgehen.

Im Chat lernt Rami einen Mann namens Raoul kennen, der ihn zu verstehen scheint. Als die beiden endlich ein Treffen vereinbaren, tappt Rami in eine Falle und es sieht nicht gut für ihn aus.

Maher Sabry hat seinen No-Budget-Film in einem Zeitraum von drei Jahren heimlich in Kairo gedreht. Einige Passagen entstanden in San Francisco, aber ein Teil eben in Ägypten. Das Bild ist teilweise schlecht, man sieht ihm das nicht vorhandene Budget natürlich an, das sollte aber niemanden davon abhalten, sich diesen Film anzuschauen. Nach gut zwei Stunden Laufzeit, die mir gar nicht so lang vorgekommen sind, landet man wieder in der Realität und muss das alles erstmal verdauen. In Ägypten wurde sogar die Verbrennung des Films gefordert und an eine öffentliche Aufführung ist gar nicht erst zu denken. Doch über das Internet und den Schwarzmarkt wird auch dieser Film sein Publikum im Land erreichen.

Insgesamt gesehen ein wichtiger und mutiger Film, der zeigt wie Menschen unterdrückt und misshandelt werden, die doch einfach nur ihr Leben und Lieben selbst bestimmen wollen. Traurig, aber wahr. Unbedingt anschauen.
  

Orly

"Orly" ist ein Film von Angela Schanelec (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2010. Kameramann war hier Reinhold Vorschneider.

Schauplatz ist der Pariser Flughafen Orly. Mitten im alltäglichen Gewimmel und Gewusel (gedreht wurde bei laufendem Flughafenbetrieb) treffen Menschen aufeinander, die sich nicht kennen und ins Gespräch kommen, während andere sich eigentlich nichts mehr zu erzählen haben. Flüchtige Begegnungen, jeder hat ein anderes Ziel,  sie alle verbindet nur der Ort, an dem sie sich befinden. Das Flughafengebäude ist eine eigene kleine Welt für sich, hier spielen sich ständig kleine Geschichten ab, von banal bis dramatisch.

Eine Frau (Natacha Régnier) und ein Mann (Bruno Todeschini) kommen zufällig ins Gespräch. Er fliegt nach San Francisco, sie nach Montreal. Beide stammen ursprünglich aus Paris, sind weggezogen, wollen aber wieder zurück. Es entsteht ein Moment der Vertrautheit und Nähe.

Ein junger Mann (Emile Berling) und seine Mutter (Mireille Perrier) sind auf dem Weg zur Beerdigung des Vaters bzw. Ex-Ehemanns. Es herrscht gereizte Stimmung zwischen ihnen und sie haben sich nicht viel zu sagen. Während die Mutter eher verzweifelt vor sich hin plappert und von einer Affäre spricht, die sie vor vielen Jahren hatte, kontert der Junge mit seinem Coming-Out.

Ein junges Paar (Jirka Zett und Lina Falkner) aus Deutschland wartet auf den Flug nach Hause. Der Urlaub ist vorbei, zu sagen haben auch sie sich nicht wirklich etwas, vielleicht haben sie genug voneinander, vielleicht sind sie aber auch nur müde oder auch beides.

Eine Frau (Maren Eggert) ist alleine unterwegs. Sie wirkt traurig, ihr Blick ist leer. Sie sucht sich etwas abseits einen Platz und liest dann den Abschiedsbrief ihres Mannes (Josse de Pauw).

Das ist ein absolut großartiger Film, der mich schwer begeistert hat. Leider wird dieses fabelhafte kleine Werk bloß wieder kaum Zuschauer haben, was wirklich schade ist. Die Darsteller sind allesamt sehr gut und verkörpern ihre Rollen jederzeit glaubhaft. Man muss schon ein bisschen Zeit und Muße mitbringen, um den Film auf sich wirken zu lassen, das sollte aber eigentlich kein Problem sein, denn es lohnt sich wirklich.

Insgesamt gesehen eine kleine Perle, die man nicht verpassen sollte. Es gibt viele schlechte Filme und nur manchmal so gute wie diesen hier. Ganz große Empfehlung.

Samstag, 1. Oktober 2011

Jules und Jim

"Jules und Jim" - "Jules et Jim" ist ein Film von Francois Truffaut (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1962 und beruht auf dem gleichnamigen Roman von Henri-Pierre Roché.

Der Film beginnt 1912 in Paris, als sich die beiden jungen Männer Jules (Oskar Werner) und Jim (Henri Serre) kennenlernen und begleitet ihre Freundschaft über einen Zeitraum von ungefähr 20 Jahren. Beide teilen die gleichen Interessen, sie lieben das Leben, die Kunst, die Literatur und die Frauen. Als sie eines Tages auf die unkonventionelle Catherine (Jeanne Moreau) treffen, verlieben sich beide Männer gleichzeitig in die junge und ausgelassene Frau.

Als der erste Weltkrieg ausbricht, heiraten Jules und Catherine und ziehen nach Deutschland und die Freunde werden getrennt. Erst nach Kriegsende sehen sie sich wieder. Jules und Catherine haben inzwischen eine kleine Tochter bekommen, aber um ihre Ehe steht es schlecht. Catherine hat Affären mit anderen Männern, unter anderem mit Albert (Boris Bassiak), einem gemeinsamen Freund von früher.

Jules vertraut Jim an, dass er Angst hat, Catherine zu verlieren, aber auch weiß, dass er sie nicht halten kann. Als Catherine sich Jim annähert, bittet Jules seinen Freund darum, Catherine zu heiraten und auf sie aufzupassen. Jim und Catherine wollen unbedingt ein Kind bekommen, aber als das nicht klappt, geht auch die Liebe zwischen ihnen verloren. Zudem ist es Jim auch nicht gelungen, sich von seiner langjährigen Geliebten zu trennen.

So bleibt Catherine bei Jules, der seine Frau über alles liebt und genau weiß, dass er sie nie ganz besitzen wird, weil sie sich nicht auf das Leben mit nur einem Mann einlassen kann. Das Leben der Drei geht weiter, bis Catherine eine Entscheidung trifft, die alles verändern soll.

Dieser wunderschöne Film von Francois Truffaut ist eine Geschichte über Freundschaft und Liebe. Jules und Jim finden in Catherine ihre Königin, die Frau die ihnen alles bedeutet und die doch ihrer tiefen Freundschaft nie etwas anhaben kann. Oskar Werner und Henri Serre verkörpern ihre Charaktere sehr glaubhaft, aber der Film gehört eigentlich ganz allein der wunderbaren Jeanne Moreau, in die sich wohl jeder einfach verlieben muss. Was für eine Frau, sie ist absolut hinreißend.

Insgesamt gesehen ein schöner Klassiker und sehr sehenswert. Ganz große Empfehlung.