Samstag, 9. April 2011

Ich kann nicht schlafen

"Ich kann nicht schlafen" - "J'ai pas sommeil" ist ein Film von Claire Denis (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1994 und erscheint jetzt hierzulande erstmals auf DVD.

Paris, 18. Arrondissement, das ist der Schauplatz an dem wir für kurze Zeit einigen Menschen begegnen und einen flüchtigen Blick in ihr Leben erhaschen, bevor alles wieder vorbei ist. Die junge Daiga (Katerina Golubeva) kommt mit ihrem alten Auto den langen Weg aus Litauen hierher, weil ein Theaterregisseur ihr falsche Hoffnungen gemacht hat. Ohne große Sprachkenntnisse landet sie bei einer alten Tante, die ihr dann eine Unterkunft und eine Arbeit als Zimmermädchen im Hotel der älteren Ninon (Line Renaud) verschafft.

Dort wohnt auch der bildschöne Camille (Richard Courcet), der in einem Nachtclub als Transvestit auftritt und der, was niemand weiß, zusammen mit seinem Liebhaber Raphael (Vincent Dupont) alte Frauen in ihren Wohnungen überfällt, ausraubt und tötet, um seinen Lebensstil zu erhalten. Camilles älterer Bruder Theo (Alex Descas) ist Musiker, muss aber nebenbei als Schwarzarbeiter sein Geld verdienen, um seinen kleinen Sohn und seine Frau Mona (Beatrice Dalle) zu versorgen. Theo will unbedingt nach Martinique, wo seine Familie ursprünglich herkommt, weil er glaubt, dort ein besseres Leben zu haben. Seine Frau Mona möchte das aber auf keinen Fall, was immer wieder zum Streit zwischen den beiden führt.

Als eines der Opfer von Camille und Raphael überlebt und der Polizei eine Beschreibung der Täter liefern kann, endet die Serie der Überfälle und die beiden werden gefasst. Camille wirkt beinahe teilnahmslos, als hätte er nur darauf gewartet. Am Ende verlässt Daiga in ihrem alten Auto wieder Paris, auch ihr Traum vom Glück ist zerplatzt, geblieben ist ihr nur die Vorstellung eines Lebens, das es so wie sie es sich erträumt hat, nicht geben wird.

Das ist ein wunderbarer Film über Menschen, die alle scheinbar verloren und ziellos durchs Leben treiben, bei Tag und auch bei Nacht. Die Schicksale der einzelnen Personen berühren und bleiben gleichzeitig doch fremd, man taucht ein in ihre Welt und kommt ihnen doch nie zu nahe. Die Nacht spielt hier eine große Rolle, denn alle sind scheinbar immer unterwegs oder wie es Ninon über ihre alte Muter sagt: "Sie kann nicht schlafen, weil sie Angst hat etwas zu verpassen". Das trifft hier auf beinahe alle Personen zu.

Die Geschichte des Serienkillers beruht übrigens auf einer wahren Begebenheit. In den Achtziger Jahren war Thierry Paulin der tatsächliche Oma-Mörder, der dann aber auch gefasst wurde und kurze Zeit später an den Folgen von Aids starb.

Die Schauspieler sind fast ausnahmslos gut besetzt, besonders Richard Courcet kann hier überzeugen, obwohl er eigentlich kein professioneller Schauspieler ist, aber er passt perfekt in seine Rolle. Line Renaud hat mir in der Rolle der Ninon auch sehr gut gefallen, die Frau ist einfach toll. Weniger begeistert bin ich allerdings von Beatrice Dalle, die hier wie üblich wohl nur auf Grund ihrer "körperlichen Vorzüge" besetzt wurde, was mit Schauspielerei allerdings nichts zu tun hat. Mich hat sie in erster Linie nur genervt. Da ist kein weiterer Kommentar nötig.

Insgesamt gesehen ein eher unaufgeregter Film, in dem nur wenig gesprochen wird, der aber mit wunderbarer Musik unterlegt ist und durch großartige Bilder besticht. Auf jeden Fall ein Film für Liebhaber außergewöhnlicher Filmstoffe. Es ist schön, dass diese DVD-Veröffentlichung nun ein kleines Meisterwerk ans Tageslicht bringt. Sehr empfehlenswert.

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