Mittwoch, 27. April 2011

Ken Park

"Ken Park" ist ein Film von Larry Clark und Ed Lachman (beide Regie und Kamera) aus dem Jahr 2002. Das Drehbuch stammt von Harmony Korine und basiert auf Geschichten von Larry Clark.

Die Handlung spielt in einer Kleinstadt in Kalifornien, die handelnden Personen sind Jugendliche, die alle um die sechzehn Jahre alt sind und ihre Familien. Am Anfang sehen wir einen jungen Skater, der die Straße entlangfährt, sich einen Platz sucht, eine Kamera auspackt und sich anschließend eine Kugel in den Kopf jagt. Das war Ken Park. Von ihm wird erst wieder am Ende des Films die Rede sein.

Danach lernen wir vier weitere Jugendliche kennen. Claude (Stephen Jasso) leidet unter seinem Vater, der Alkoholiker ist und für seinen Sohn scheinbar nur Verachtung übrig hat. "Aus Dir wird nie etwas, ich schäme mich für Dich" und ähnliches muss er sich von seinem Vater anhören. Shawn (James Bullard) hat ein Verhältnis mit der Mutter seiner Freundin und Tate (James Ransone) lebt bei seinen Großeltern, die ihn immer noch wie ein kleines Kind behandeln und keine Ahnung haben, was in ihm eigentlich vorgeht. Das trifft hier aber auch auf die anderen Erwachsenen zu. Die junge Peaches (Tiffany Limos) lebt mit ihrem streng gläubigen Vater zusammen, der in ihr nur eine Wiedergeburt ihrer verstorbenen Mutter sieht.

Den Erwachsenen fehlt jegliches Verständnis für die Befindlichkeiten ihrer Kinder und, schlimmer noch, sie benutzen die Kids sowohl emotional als auch körperlich, um ihre eigenen Bedürfnisse und Träume zu befriedigen. So traurig es auch ist, aber Kinder können auch emotional misshandelt werden, was mindestens ebenso verwerflich wie körperliche Misshandlung ist, auch wenn die Eltern natürlich nur "aus Liebe" handeln und das selbst auch noch glauben. Die in keinem der Haushalte fehlenden zahlreichen Familienbilder, die überall sichtbar aufgestellt sind, scheinen allesamt nur Trugbilder zu sein und haben mit der Realität nichts zu tun. Claudes hochschwangere Mutter raucht und trinkt, merkt aber dabei nicht, wie sehr ihr Sohn unter seinem Vater leidet. Die Szene, in der der völlig betrunkene Vater sich an seinen schlafenden Sohn heranmacht, geht wirklich an die Nieren. Auch die Geschichten der anderen Kids haben es in sich und machen teilweise sprachlos und doch muss man zugeben, dass Larry Clark hier eben einen ungeschönten Blick auf das tatsächliche Leben wirft. Nicht jeder muss das erlebt haben, um zu erkennen, dass es das wirklich gibt.

Ich habe sehr viele Kritiken zu diesem Film gelesen und kontroverse Diskussionen verfolgen können. Am meisten wurde sich mal wieder darüber mokiert, dass hier einige Sexszenen zu sehen sind, was natürlich sofort alle Moralapostel auf den Plan rief und dafür gesorgt hat, dass der Film keine Jugendfreigabe erhalten hat. Meine Güte, das ist keine Pornografie, was hier zu sehen ist. Wer sich nur darauf konzentriert, der verpasst die eigentliche Aussage des Films. Besonders die ausgesprochen zärtliche Liebesszene am Ende zwischen Claude, Shawn und Peaches erscheint wie die Flucht der Drei in eine Art Utopie und spricht für ihren Glauben an eine bessere und friedlichere Welt, denn ohne diese Hoffnung enden sie so wie Ken Park.

Auch wenn sich die Filme "Kids", "Bully" und "Ken Park" thematisch ähnlich sind, so unterscheiden sie sich doch sehr. "Kids" erzählt von den Jugendlichen, die keine Ziele im Leben haben, ihre Eltern hassen - die hier aber kaum in Erscheinung treten - und nur vor sich hin vegetieren, während "Bully" zwar einen ähnlichen Ausgangspunkt hat, aber auf einer wahren Begebenheit beruht und die Gewaltbereitschaft der Jugendlichen hervorhebt. "Ken Park" wiederum packt da an, wo das Übel eigentlich entsteht, in der Familie. Hier sind die Erwachsenen nicht länger die armen Opfer ihrer Kinder, sondern die wahren Täter und hier ist Larry Clark meiner Meinung nach endlich angekommen mit der eigentlichen Botschaft seiner Filme.

Für mich ist "Ken Park" nach "Kids" und "Bully" Larry Clarks bester und stärkster Film und ich glaube, man kann ihn zu Recht als Meisterwerk bezeichnen. Wer sich mit dem Film noch weiter auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich auf jeden Fall noch die anschließenden Interviews mit Larry Clark, Ed Lachman und Tiffany Limos, die alle von ihrer ganz persönlichen Einstellung zu dieser Arbeit berichten und davon was der Film ihnen bedeutet. Besonders Larry Clark hatte sich schon viele Jahre lang mit diesem Projekt beschäftigt. Ganz große Empfehlung von mir für diesen ehrlichen und mutigen Film.

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