Freitag, 13. August 2010

Angst essen Seele auf

"Angst essen Seele auf" ist ein Film von Rainer Werner Fassbinder (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1974. Besonders deutlich sichtbar ist hier die Vorliebe Fassbinders zu den Melodramen von Douglas Sirk und dennoch findet sich sein ganz eigener Stil in jeder einzelnen Szene.

Die verwitwete Putzfrau Emmi (Brigitte Mira), eine Frau um die Sechzig, lernt in einer Kneipe den wesentlich jüngeren Marokkaner Salem, genannt Ali (El Hedi ben Salem), kennen und freundet sich mit ihm an. Kurze Zeit später zieht Ali bei Emmi ein, die sich freut, nun nicht mehr allein sein zu müssen und sich um jemanden kümmern zu können. Das ungleiche Paar stößt jedoch überall auf Unverständnis und offene Ablehnung. Als die beiden schließlich sogar heiraten, wenden sich Emmis Kinder entsetzt von ihrer Mutter ab. Die Nachbarinnen tuscheln, die Arbeitskolleginnen schneiden sie und im Lebensmittelladen wird Emmi nicht mehr bedient. Um Abstand zu gewinnen, fahren Emmi und Ali zusammen in Urlaub. Bei ihrer Rückkehr scheint sich das Blatt gewendet zu haben, aber das ist nur oberflächlich, denn niemand bringt ihnen ernsthafte Sympathien entgegen, vielmehr ist jeder nur auf seinen Vorteil bedacht. So braucht Emmis Sohn jemanden, der auf sein Kind aufpasst, der Lebensmittelhändler will nicht auf Emmi als zahlende Kundin verzichten ("Wenn's ums Geschäft geht, dann muss man seine Abscheu eben hintenanstellen.") und die Nachbarinnen freuen sich über einen starken Mann im Haus.

Ali ist die neue Situation aber nicht geheuer und er fühlt sich zur Schau gestellt. Frustriert geht er wieder in die Kneipe und auch zur Kneipenwirtin (Barbara Valentin) nach Hause und bleibt über Nacht fort. Emmi sucht ihn daraufhin bei seiner Arbeitsstelle in der Autowerkstatt auf, wo er es nicht schafft, zu ihr zu stehen. Als sich beide beim Tanzen in der Kneipe wieder versöhnen, bricht Ali unter Schmerzen zusammen. Der ständige Druck von Außen hat bei ihm zu einem Magengeschwür geführt. Emmi wacht an seinem Krankenbett...

Fassbinder scheut sich auch hier nicht, einen schmerzhaften und wahrhaftigen Blick auf die Lebensumstände der handelnden Personen zu zeigen. Die gutmütige Emmi, die einfach nur auf der Suche nach ein wenig Glück ist, der Gastarbeiter, der ständig mit den Vorurteilen der Menschen konfrontiert ist, die tratschenden Nachbarinnen und Kolleginnen, sowie alle anderen, die ihre Feindseligkeit gegenüber dem fremden und andersartigen in ihrer Umgebung nicht Herr werden können. Dazu kommt dann noch das Unverständnis bezüglich des Altersunterschiedes zwischen Emmi und Ali. Eine ältere Frau und ein jüngerer Mann, zudem noch Ausländer, das ruft bei den meisten Leuten Empörung hervor. Man möchte sich schüttelnd abwenden, wenn man ihre Kommentare und Bemerkungen hört und Fassbinder legt hier den Finger genau in die Wunde und zeigt eine Realität, die man eigentlich nicht sehen bzw. hören will. Sehr ehrlich und sehr mutig, wie so oft in seinen Filmen ist er auch hier wieder seiner Zeit voraus, denn diese Geschichte könnte auch heute noch genau so spielen.

Besonders erwähnenswert ist hier die wunderbare Brigitte Mira, der persönlich viel an diesem Film lag und die hier unter der Regie von Rainer Werner Fassbinder eine ihrer besten und eindrucksvollsten Leistungen zeigt. Insgesamt ein äußerst beeindruckender und nach wie vor aktueller Film. Sehr empfehlenswert.

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