Sonntag, 15. August 2010

Ricky

"Ricky" ist ein Film von Francois Ozon (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 2009.

Der Film handelt von der Fabrikarbeiterin Katie (Alexandra Lamy), die als alleinerziehende Mutter mit ihrer siebenjährigen Tochter Lisa (Mélusine Mayance) zusammenlebt. Lisa ist ein kleines Mädchen, das viel zu ernst und zu erwachsen für ihr Alter ist. Wir sehen, wie sie sich um ihre Mutter kümmert und schnell wird klar, hier sind die Rollen etwas vertauscht. In der Fabrik lernt Katie Paco (Sergi López) kennen, die beiden verlieben sich, Paco zieht bei Katie und Lisa ein und bald darauf wird das Baby Ricky geboren. Das neugewonnene Familienglück hält jedoch nicht lange, Ricky schreit viel, die Stimmung ist gereizt. Als Katie auf Rickys Rücken Verletzungen findet, verdächtigt sie Paco, den Jungen misshandelt zu haben. Paco verlässt daraufhin die Familie. Kurze Zeit später wird klar, dass Ricky Flügel wachsen und bald schon unternimmt der Kleine erste Flugversuche...

Trotz der Entwicklung um Ricky und seine Flügel gleitet der Film nie in Albernheit ab, sondern erzählt die Geschichte einfach weiter, als wäre es das Normalste überhaupt. Herausgekommen ist ein berührendes und wunderschönes Märchen, in einer Umgebung, die man sonst nicht in solchen Geschichten vorfindet.

Francois Ozon legt mit "Ricky" sein neuestes Werk vor und schon vor dem Kinostart war klar, der Film spaltet wieder einmal sowohl Kritiker als auch Zuschauer. Wer etwas Altbekanntes bei Ozon erwartet, der wird genau das nicht bekommen. Ozon will mit jedem Film etwas Neues erschaffen und sich selbst und den Zuschauer überraschen. Das gelingt ihm nebenbei bemerkt ganz hervorragend. Bei "Ricky" geht das Gezeter gleich weiter. Die Kritiker fragen sich was das sein soll. Sozialdrama, Märchen, Fantasy? Bei uns muss ja immer alles schön in eine Schublade passen. Diesem Diktat unterwirft sich Ozon jedoch nicht im Geringsten und das ist auch gut so. Wie in seinen anderen Filmen überlässt er es auch hier wieder dem Zuschauer, seinen eigenen Blick auf die Dinge zu finden und eigene Schlüsse zu ziehen. Seine Filme wirken noch lange nach und Ozon verzichtet dankenswerterweise darauf, ihnen einen Stempel aufzudrücken, wie man sie zu verstehen hat. Massenkompatibel sind seine Filme sowieso nicht und das ist durchaus als Kompliment gemeint. Schön zu sehen, dass es Regisseure wie Ozon gibt, die sich trauen, fest getrampelte Pfade zu verlassen und eigene Wege zu gehen.

Hier kommt er uns mit einem herzigen Baby und macht deutlich, wer sein großes Vorbild ist: Rainer Werner Fassbinder. Genau wie Fassbinder hat auch Ozon einen Blick für das Wesentliche. Es geht um die alltäglichen Probleme des Zusammenlebens. Ein neues Familienmitglied kommt hinzu, sei es nun der neue Partner oder auch das Kind. Alles gerät durcheinander und muss sich erst wieder neu finden. Ebenso kann man "Ricky" nach "Unter dem Sand" und "Die Zeit die bleibt" als Abschluss einer Trilogie der Trauer bezeichnen. Geht es um den Tod eines Kindes, das Loslassen können? Es gibt viele Möglichkeiten der Deutung dieses Filmes. Ich empfehle deshalb, einen eigenen Blick zu wagen und eine eigene Meinung zu bilden, es lohnt sich.

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