Freitag, 13. August 2010

Angst vor der Angst

"Angst vor der Angst" ist ein Film von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1975.

Margot (grandios dargestellt von Margit Carstensen) und Kurt (Ulrich Faulhaber) leben mit ihrer kleinen Tochter Bibi als offensichtlich glückliche Familie zusammen. Alles wirkt sehr harmonisch, das zweite Kind ist unterwegs. Sie leben im Haus von Kurts Mutter (Brigitte Mira), die zusammen mit ihrer Tochter Lore (Irm Hermann) und deren Mann Karli (Armin Meier) im Stockwerk darüber wohnt. Kurt ist neben seinem Beruf mit seinem Abendstudium beschäftigt, Margot kümmert sich um Bibi und den Haushalt. Schwiegermutter und Schwägerin mischen sich aber immer wieder in Margots Leben ein und haben an allem etwas auszusetzen. Für sie ist Margot eine Außenseiterin, die sich nicht anpassen kann, sie haben sie nie richtig akzeptieren können. Einzig Karli bringt seiner Schwägerin echte Sympathien entgegen, ist aber gegen seine Frau und seine Schwiegermutter auch machtlos.

Margot wird immer öfter von unerklärlichen Angstanfällen gepackt, die sie weder sich noch anderen erklären kann. Der Hausarzt gibt ihr ein Beruhigungsmittel und verschreibt ihr Valium-Tabletten. Margot bringt ihr Kind zur Welt, den kleinen Jan. Ihre Angstzustände bleiben aber nach wie vor. Beim Blick in den Spiegel verschwimmt alles vor ihren Augen. Die Familie bringt dafür kein Verständnis auf, ihr Mann versteht nicht, was mit seiner Frau los ist und Schwiegermutter und Schwägerin halten Margot einfach für verrückt. Der Apotheker Dr. Merck (Adrian Hoven), den Margot um Tabletten bittet, nutzt die Lage der verzweifelten Frau nur aus, um mit ihr eine Affäre zu beginnen. Herr Bauer (Kurt Raab) aus dem Haus gegenüber, den alle für verrückt halten, versucht mit Margot ins Gespräch zu kommen, aber sie will nicht mit ihm reden, weil sie sich vor ihm fürchtet.

Als die Tabletten ihr nicht mehr helfen, flüchtet sich Margot in den Alkohol und versucht unbeholfen, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Daraufhin wird sie in eine Klinik eingewiesen und die Ärzte diagnostizieren erst eine Schizophrenie und dann eine schwere Depression. Margot wird schließlich wieder nach Hause entlassen und sucht sich eine Heimarbeit als Schreibkraft, um sich abzulenken.

Am Ende teilt Karli seiner Schwägerin mit, dass sich Herr Bauer das Leben genommen hat. Margot entgegnet ihm daraufhin, er müsse sich keine Sorgen um sie machen, sie sei jetzt ganz ruhig.

Fassbinders Kritik gilt auch hier wieder der Familie als Institution, der er immer ablehnend gegenüber stand. Margots Zustand stößt bei ihrer Familie auf Unverständnis, weil sie nicht so funktioniert, wie man es von ihr erwartet. Alles andersartige ist den Menschen fremd und wird abgelehnt. Die kleinbürgerliche Welt muss unbedingt weiter so funktionieren, wie es immer war. Menschen wie Margot, die eigene Träume haben, finden in dieser Welt keinen Platz und werden mit Medikamenten ruhiggestellt.

Dieser Film ist, wie so oft bei Fassbinder, erschreckend realistisch und zeigt die Dinge so wie sie sind und wie sie niemand sehen will. Margots "Zustände" sind nicht so fremd, wie es den Anschein hat und der Einsatz von Valium ändert daran auch nichts, auch wenn er viel zu verbreitet war oder noch ist.

Keine Kommentare: