Freitag, 13. August 2010

Mutter Küsters' Fahrt zum Himmel

"Mutter Küsters' Fahrt zum Himmel" ist ein Film von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1975. Kameramann war hier, wie so oft bei Fassbinder, Michael Ballhaus.

Emma Küsters (Brigitte Mira) muss erfahren, dass ihr Ehemann Hermann, der seit vielen Jahren schon in einer Reifenfabrik arbeitet, einen Vorgesetzten getötet hat und danach Selbstmord begangen hat. Angeblich hatte er von geplanten Massenentlassungen gehört und daraufhin die Nerven verloren. Sofort stürzt sich die Presse auf die naive und gutgläubige Hausfrau und Reporter und Fotografen umlagern sie. Emmas Sohn Ernst (Armin Meier), ein eher stiller Typ, der sich von seiner zickigen Frau Helene (Irm Hermann) herumkommandieren lässt, gibt der Presse gegenüber zu, schon mal vom Vater verprügelt worden zu sein. Auch Emma erwähnt kurz und nur ganz beiläufig, früher schon mal von ihm geschlagen worden zu sein, aber nur weil sie frech gewesen wäre und das hätte sich auch im Laufe der Jahre gegeben. Der Sensationsreporter Niemeyer (Gottfried John), der Emma gegenüber vorgibt, nur Gutes über ihren Mann schreiben zu wollen und der sich gleichzeitig an Emmas Tochter Corinna (Ingrid Caven) heranmacht, schreibt natürlich eine üble Story über einen gewalttätigen Alkoholiker und "Fabrikmörder". Corinna, die als zweitklassige Barsängerin arbeitet, benutzt die Presse um ihre Karriere als Sängerin voranzutreiben.

Emma ist entsetzt über das Bild, das die Presse von ihrem verstorbenen Mann verbreitet. Sohn und Schwiegertochter ziehen aus der gemeinsamen Wohnung aus und auch die Tochter geht eigene Wege. In ihrer Einsamkeit macht Emma Bekanntschaft mit dem Ehepaar Tillmann (Karlheinz Böhm und Margit Carstensen), die sich liebevoll um die alte Frau kümmern und Trost spenden. Die beiden entpuppen sich als Kommunisten und überreden Emma schließlich sogar, in die DKP einzutreten, dort würde man alles tun, um Emmas Mann zu rehabilitieren. Emma fühlt sich dort gut aufgehoben, aber es passiert nichts in Bezug auf Hermanns Ruf. Die Tillmanns teilen Emma nur mit, man müsse sich derzeit um den Wahlkampf kümmern und würde sich später um Hermanns Rehabilitierung kümmern. Emma ist enttäuscht von den Genossen und gerät an eine kleine Gruppe von Anarchisten, die ebenfalls vorgeben, sich um sie kümmern zu wollen. Man plant eine "Aktion" in der Redaktion der Illustrierten, die den verleumderischen Artikel veröffentlicht hat. Die ahnungslose Emma weiß allerdings nicht, worauf sie sich da eingelassen hat.

Fassbinder hat gleich zwei Fassungen für das Ende des Filmes gedreht. Die düstere Version endet mit dem Blick auf die fassungslose Emma und lässt den Rest der Geschichte auf eingeblendeten Texttafeln erzählen. Die positivere Version, die für den US-Markt gedreht wurde, endet zuversichtlich und schon fast ein wenig märchenhaft, aber trotzdem sehr schön.

Brigitte Mira ist einfach brillant in der Rolle der einfachen Hausfrau, die nicht versteht, was um sie herum passiert. Sie glaubt felsenfest an das Gute im Menschen, etwas anderes käme ihr nicht in den Sinn. Fassbinder hat es immer verstanden, aus seinen Schauspielern das Beste herauszuholen, das zeigt sich hier wieder ganz deutlich. Karlheinz Böhm und Margit Carstensen als Ehepaar sind ebenso perfekt besetzt, man denkt automatisch an Fassbinders großartigen Film "Martha", in dem beide ebenfalls als Ehepaar zu sehen sind, wenn auch ein wenig exzentrischer. Irm Hermann ist gewohnt überzeugend, wie immer. Ingrid Caven hingegen, wie sag ich es bloß, ist als Schauspielerin kein großer Wurf, auch wenn Fassbinder sie oft in seinen Filmen mitspielen ließ. Bei ihrer Gesangseinlage im Film, naja, da kann man ja ein bisschen die Schnellvorlauf-Taste gedrückt halten, dann ist das auch schon wieder vorbei.

Insgesamt ein sehr empfehlenswerter Film, der mich extrem berührt hat. Einziger, wirklich klitzekleiner Kritikpunkt ist die manchmal sehr schlechte Nachsynchronisierung, aber damit kann man durchaus leben.

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