"Benny's Video" ist ein Film von Michael Haneke (Regie und Drehbuch) aus dem Jahr 1992 und ist der zweite Teil der Trilogie über die emotionale Vergletscherung in der Wohlstandsgesellschaft.
Benny (Arno Frisch) ist ein Teenager, dessen größte und einzige Leidenschaft seine Videokamera ist, mit der er alles um sich herum filmt. Ansonsten ist er mit dem Anschauen von Filmen beschäftigt, der Fernseher läuft ständig, mal mit und mal ohne Ton. Seine scheinbar wohlhabenden Eltern (Angela Winkler und Ulrich Mühe), die beide berufstätig sind und sich nur wenig um ihren Sohn kümmern, haben das Zimmer von Benny mit teurem Equipment ausgestattet. So lebt Benny in seinem abgedunkelten Zimmer und filmt mit seiner Kamera das Leben auf der Straße vor dem Haus, statt einfach aus dem Fenster zu sehen. Das Leben, so wie er es kennt, existiert nur auf dem Bildschirm.
Eines Tages lernt er ein junges Mädchen (Ingrid Stassner) vor der Videothek kennen und nimmt sie mit zu sich nach Hause. Er zeigt ihr ein selbstgefilmtes Video, auf dem auf einem Bauernhof ein Schwein mit Hilfe eines Bolzenschussgerätes getötet wird. Die Aufnahme des Todesschusses wird wieder und wieder gezeigt. Benny zeigt dem Mädchen stolz das Bolzenschussgerät, welches er auf dem Bauernhof entwendet hat. Er hält es ihr gegen den Bauch und sie sagt noch scherzhaft: "Drück doch ab, Feigling!" und er drückt ab. Das Mädchen schreit vor Schmerzen und windet sich auf dem Boden, während die Kamera läuft und alles aufzeichnet. Benny versucht, das Mädchen zu beruhigen, aber sie schreit nur weiter. Dann drückt er ein zweites Mal ab und schließlich ein drittes Mal, dann ist Ruhe.
Nach der Tat scheint Benny ungerührt, er geht in die Küche und isst einen Joghurt, als wäre nichts passiert. Das ist an Kälte und Zynismus kaum zu überbieten und schwer zu ertragen. Anschließend wischt er das Blut auf, verstaut die Leiche im Schrank und verabredet sich mit einem Freund, ohne jede Gefühlsregung.
Als seine Eltern am nächsten Tag wieder zu Hause sind, zeigt er ihnen das Video mit dem Mord an dem Mädchen. Die Eltern sind entsetzt und beraten sich, was denn nun am besten zu tun sei. Völlig irrational beschließen sie, dass die Mutter mit Benny für eine Woche nach Ägypten fliegt, während der Vater in dieser Zeit die Leiche entsorgt.
Wieder zu Hause, scheint alles in Ordnung zu sein, der Vorfall wird ausgegrenzt. Die Eltern nehmen ihr normales Leben wieder auf. Benny jedoch geht zur Polizei und zeigt seine Eltern an.
Bei diesem Film muss man schon mal nach Luft ringen, angesichts dieser emotionalen Kälte in einer Umgebung, in der es kein Mitleid und keine Anteilnahme gibt. Auf die Frage des Vaters, warum er das Mädchen getötet hat, zuckt Benny nur mit den Schultern und sagt: "Ich wollte wissen, wie das ist."
Der Junge scheint in diesem Fall gleichzeitig Täter und Opfer zu sein. Zwar hat er das Mädchen getötet, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, für ihn ist halt alles nur Film, aber dann zeigt er seine Eltern an, die seine Tat vertuschen wollten. Jeglicher Sinn für Realität ist ihm scheinbar abhanden gekommen. Das wahre Leben kennt er nicht, in dem alles nur einmal passiert, ohne Vorlauf- und Rücklauftaste. Michael Haneke zeigt auch in diesem Film wieder eine Welt, in der es keine Gefühle mehr gibt und das ist nicht sehr angenehm anzuschauen, aber dafür umso wichtiger und sehenswerter. Sehr empfehlenswert.
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